Stuttgart. In der Debatte um Luftverschmutzung in Städten will das Land Baden-Württemberg Rechtsunsicherheiten bei der Verhältnismäßigkeit von Dieselfahrverboten höchstrichterlich klären lassen. Man wolle gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vorgehen, sagte ein Sprecher des Landesverkehrsministeriums am Mittwoch, 17. April, in Stuttgart. Der VGH hatte der Stadt Reutlingen Dieselfahrverbote auferlegt und erklärt, dass der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter verbindlich sei.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Fahrverbote aber in der Regel bereits dann unverhältnismäßig sein, wenn die NO2-Belastung im Jahresmittel 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreitet. Damit will die große Koalition in Berlin die Folgen von Fahrverboten zur Luftreinhaltung in Städten möglichst gering halten.
Minister Hermann sieht sich durch VGH-Urteil bestätigt
Mit dem jüngsten VGH-Urteil sieht sich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in seiner Haltung bestätigt, dass das EU-Recht eine unmittelbare Gültigkeit habe: „Auf dieses Risiko habe ich immer hingewiesen.“ Sein Sprecher sagte, man wolle nun in der letzten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, klären lassen, ob die Regelungen des Bundes gegen EU-Recht verstoßen oder nicht.
In Reutlingen betrug der NO2-Wert im vergangenen Jahr 53 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Stadt wolle zu Unrecht auf Dieselfahrverbote verzichten, so die VGH-Richter. Das Ziel, den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter schnellstmöglich zu erreichen, dürfe nicht mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung des Bundes relativiert werden (Az.: 10 S1977/18). In Stuttgart gelten bereits seit Jahresbeginn grundsätzlich Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Euronorm 4 und schlechter. Die baden-württembergische Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sie erlassen, nachdem sie gerichtlich dazu gezwungen worden war. (dpa)