Mindestlohn macht Stückgut teurer

Der gesetzliche Mindestlohn gilt zwar erst die dritte Woche, doch schon jetzt klagen die Unternehmer über Mehraufwand. Denn das Gesetz schreibt ihnen nicht nur vor, ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro Stundenlohn zu zahlen, sondern zwingt sie auch zu einer aufwendigen Dokumentation. So dürften dem Speditionsunternehmen Emons wohl jährlich zwischen 100.000 und 200.000 Kosten durch die neuen Dokumentationspflichten entstehen, schätzt Geschäftsführer Herbert Putzmann. Genauere Zahlen könne er noch nicht nennen, führt er aus, da die Mindestlohnmeldeverordnung und Mindestlohnaufzeichnungsverordnung erst im Entwurf vorliegen. Zusätzlich plant das Unternehmen Emons laut Putzmann in diesem Jahr Erweiterungsinvestitionen für elektronische Zeiterfassungssysteme in Höhe von 150.000 Euro. Vor allem aber schlagen im Nahverkehr die erhöhten Subunternehmer-Kosten in bestimmten Regionen zu Buche. Hier rechnet Putzmann in den zehn betroffenen Niederlassungen mit insgesamt Mehrkosten von jährlich 1 bis 1,3 Millionen Euro. Neue Bundesländer besonders betroffen Auch Logistikexperte Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn nennt konkrete Zahlen. Der Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Spedition und Logistik (SBZ-SL) hat aktuell eine Studie vorgestellt, die die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf Stückgutspeditionen untersucht hat. Die Ergebnisse dürften das Gewerbe aufschrecken, insbesondere in Regionen Deutschlands, in denen die Stundenlöhne bislang unter 8,50 Euro lagen. "Im Schnitt dürfte der Mindestlohn die Prozesskosten von Stückgutsendungen um 1,2 Prozent erhöhen", fasst Lohre das zentrale Studienergebnis zusammen. "Bei einer Rendite von durchschnittlich unter zwei Prozent kann dies gravierende Auswirkungen haben", warnt er. Die Mehrkosten durch den Mindestlohn fallen jedoch, auch das zeigt die Studie, je Berufsgruppe und Region sehr unterschiedlich aus und können damit deutlich über den genannten 1,2 Prozent Durchschnitts-Mehrkosten liegen. Besonders stark wirkt sich der gesetzliche Mindestlohn für Fahrpersonal in den neuen Bundesländern aus sowie in Berlin und in den an die neuen Bundesländer angrenzenden Kreisen in Bayern, Hessen und Niedersachsen sowie in Teilen Schleswig-Holsteins, also in den Regionen, in denen bislang laut der Studie die Stundenlöhne in der Vergangenheit am häufigsten unter 8,50 Euro lagen. In diesen betroffenen Regionen, so der Wissenschaftler, könne der Kostenanstieg auch schnell ein Vielfaches betragen, wenn die Schwerpunkte des Versenders bei Abholung beziehungsweise Zustellung liege. In den genannten Regionen steigen laut Lohre durch den Mindestlohn die Kosten für Nahverkehrs-Fahrer nun von 1693 Euro Durchschnittsvergütung auf rund 1960 Euro Mindestlohn und für Fernverkehrsfahrer im Schnitt um 17 Prozent. Weniger stark sind die Auswirkungen im Umschlags- und administrativen Bereich: Für gewerbliche Umschlagsmitarbeiter steigen durch den neuen Mindestlohn in den betroffenen Regionen die Kosten im Schnitt um sechs Prozent und beim kaufmännischen Personal im Schnitt um ein Prozent. So kam die Studie zu den Zahlen Für die Studie hat das Steinbeis-Beratungszentrum Arbeitszeitdaten bei den Stückgutkooperationen 24plus, Cargoline, IDS, Star, System Alliance und VTL - die rund ein Drittel des Stückgutmarktes ausmachen - stichprobenhaft erhoben. Berücksichtigt wurden hier die monatlichen Arbeitsstunden für das Fahrpersonal sowie für Mitarbeiter im Umschlag und im kaufmännischen Bereich. Auf Basis der jeweiligen Stundenumfänge wurde der künftig zu zahlende monatliche Mindestlohn nach Mindestlohngesetz für die genannten Beschäftigtengruppen berechnet. "Sehr hilfreich waren die statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit, die sie speziell für unsere Untersuchung zusammengestellt hat", betont Lohre. "Aus den 402 Kreisen in Deutschland haben wir anhand der gelieferten Kennzahlen die Regionen identifizieren können, in denen statistisch am häufigsten Vergütungen unter dem Mindestlohn bezahlt werden." Für diese Regionen wurde die jeweilige Vergütung gewichtet und in eine Durchschnittsvergütung für die betrachteten Berufsgruppen überführt. Berücksichtigung fand dabei auch die Anzahl der beschäftigten Fahrer, Regionen mit wenigen Fahrern sind also auch nur mit einem geringeren Anteil an der Durchschnittsvergütung beteiligt. Im nächsten Schritt stellte das Steinbeis-Beratungszentrum den ermittelten Mindestlohn dem durchschnittlichen Arbeitnehmerbruttolohn in den betroffenen Regionen gegenüber. Hoher administrativer Aufwand Hart trifft die Speditionen auch der eingangs genannte organisatorische und administrative Mehraufwand durch das Mindestlohngesetz. Das zeigt eine qualitative Befragung der Firmen, die Wissenschaftler Lohre parallel durchgeführt hat. So rechnen gut zwei Drittel der Befragten mit weiteren Belastungen durch zusätzliche Aufzeichnungspflichten. So müssen Bereitschaftsund Pausenzeiten genau definiert werden. Wartezeiten beim Empfänger lassen sich kaum noch tolerieren, die Disposition wird aufwendiger. Um dies wiederum leisten zu können, sei in den Betrieben nun eine konsequente Zeiterfassung und eine straffere Organisation erforderlich, um Überstunden und Stundenlohn im Blick zu halten. Damit nicht genug: Der neue Mindestlohn weckt offenbar in den Firmen auch Begehrlichkeiten bei den Mitarbeitern höherer Gehaltsklassen. So sind laut Studie weitere Effekte durch die erforderlichen Anpassungen in der Vergütungsstruktur zu erwarten. Lohre: "Schon jetzt besser vergütete Mitarbeiter werden sicher den relativen Abstand gewahrt sehen wollen und auch höhere Vergütungsansprüche entwickeln." Die Serie Das Mindestlohngesetz richtig umsetzen - VR 4: Warum es den Stückgutmarkt besonders triffte- VR 5: Welche Vertragsklauseln als Absicherung helfen- VR 6: Wie sich der Wettbewerb mit Osteuropa ändert

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