Mehr Kooperation, bitte!

Durch die fehlenden Berufskraftfahrer und den damit einhergehenden Laderaummangel rückt das Thema Transport für viele Handelsunternehmen stärker in den Fokus", stellt Thomas Kempcke, Leiter Logistik des Forschungsinstituts EHI Retail Institute in Köln, fest (siehe Kasten Seite 22). Die Engpässe in diesen Bereichen werden von den Handelsunternehmen laut Kempcke derzeit sogar als eines der schwerwiegendsten Probleme in der Handelslogistik gesehen. So konnten im Weihnachtsgeschäft vor zwei Jahren 6,3 Prozent der auszuliefernden Ware aufgrund des Fahrer- und Laderaummangels nicht rechtzeitig in den Verkaufsstellen ausgeliefert werden, nennt Kempcke ein konkretes Beispiel. Transport hat derzeit oberste Priorität "Mittlerweile ist der Fahrermangel so groß und bei bestimmten Verladern so massiv, dass sich einige Firmen Lkw-Kapazitäten blocken und diese bezahlen, ohne zu wissen, ob sie dafür auch wirklich Ladung haben", bestätigt Jens-Thomas Skuderis, Leiter Distributionslogistik von Kaufland in Neckarsulm (siehe Kasten Seite 20). Dies verschärfe die bestehenden Engpässe aber nur. Wirklich lösen lassen sich die Probleme laut dem Handelslogistiker lediglich durch eines: gezielte Kooperationen. Entweder auf Lieferanten- oder auch auf Handelsseite. Skuderis: "Alle, die keine eigenen Fuhrpark-Kapazitäten haben, müssen da ein Stück mehr mit anderen kooperieren - Stichwort Collaboration." "Kaufland ist kein Einzelfall. Auch in vielen anderen Handelsunternehmen steht das Thema Transport aktuell ganz oben auf der Agenda - unabhängig davon, ob sie über einen eigenen Fuhrpark verfügen oder nicht", betont Kempcke. Maßgebliche Treiber für diese neue Entwicklung seien aber nicht nur der besagte Fahrer- und Laderaummangel, sondern auch die steigenden gesetzlichen Auflagen in puncto Klimaschutz und CO2-Reduktion - Stichwort drohende Fahrverbote in den Innenstädten, erklärt der Logistikexperte. Und natürlich treibe auch die Digitalisierung die Entwicklung neuer Transportkonzepte an. Grund genug für das EHI Retail Transport zum Thema "Transport in der Handelslogistik", eine gemeinsame Studie mit der VerkehrsRundschau durchzuführen und Logistikentscheider aus dem Handel zu den aktuellen und künftigen Entwicklungen zu befragen. Die Ergebnisse der Studie liegen jetzt vor und werden auf dem Handelslogistikkongress am 26. März 2019 in Köln erstmals vorgestellt. Insgesamt 200 Logistikverantwortliche aus dem Handel wurden für die Untersuchung angeschrieben. An der Befragung nahmen insgesamt 32 Handelsunternehmen teil, davon drei Viertel aus Deutschland und der Rest je zur Hälfte aus der Schweiz und aus Österreich. Der Gesamtumsatz der Teilnehmer aus Deutschland belief sich 2017 auf 41 Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz in besagtem Jahr von etwa neun Prozent. Der Vergleichswert für die Teilnehmer aus Österreich beträgt gut 18 Milliarden Euro, was einem Anteil am gesamten dortigen Einzelhandelsumsatz von 26 Prozent entspricht, während der Umsatzanteil der teilnehmenden Händler aus der Schweiz mit 41 Milliarden Schweizer Franken 45 Prozent des gesamten inländischen Umsatzes erreicht. Über die Hälfte (56 Prozent) der befragten Händler sind im Einzelhandel vertreten, 41 Prozent auch im Großhandel. Fast 60 Prozent der Teilnehmer vertreiben Produkte online, während 9 Prozent auch im klassischen Versandhandel tätig sind. Bei den Sortimentsbereichen, in denen die befragten Händler vertreten sind, dominieren Bekleidung/Textilien/Schuhe mit 50 Prozent sowie Drogeriewaren und Lebensmittel mit 47 beziehungsweise 44 Prozent. Als sonstige Sortimentsbereiche wurden beispielsweise Bürobedarf oder Kameras und Fotozubehör genannt. Zum Einstieg in die Studie wurden die Logistikverantwortlichen befragt, welche aktuellen Einflussfaktoren den Bereich Transport im Handel derzeit wie stark beeinflussen. Jedes Kriterium sollte dabei mit einem Wert zwischen 0 ("so gut wie kein Einfluss") und 4 ("großer Einfluss") versehen werden. Dabei zeigt sich: Alles, was sich unmittelbar auf die Kosten auswirkt, wird als relativ schwerwiegend erachtet. Dazu gehören an erster Stelle die Themen Tarife der Logistikdienste und Laderaummangel (beide 2,6), unmittelbar dahinter folgen Fahrermangel, demografischer Wandel sowie die Ausweitung der Lkw-Maut (alle 2,5). Im Mittelfeld landen besonders Trends, die das Thema Nachhaltigkeit betreffen. Der aktuelle Zustand der Verkehrsinfrastruktur (2,3) wird sogar für noch etwas wichtiger erachtet als das zunehmende Verkehrsaufkommen mit einem Durchschnittswert von 2,2. Transportkennzahlen im Handel Ein wichtiger Bestandteil der Studie war die Abfrage von Transportkennzahlen. So wurden erstmals Eckdaten zum Beispiel zur Struktur des Eigenfuhrparks im Handel erhoben - differenziert nach Fahrzeugtypen, -alter und -herstellern. Demnach besteht ein Handelsfuhrpark in der EHI-Studie im Schnitt aus 116 Fahrzeugen, überwiegend von einem oder zwei Herstellern. Davon befinden sich knapp 60 Prozent im Eigentum des Händlers. Weitere interessante Transportkennzahl in diesem Kontext: mit diesen Lkw liefert der Handel im Schnitt pro Tour an 3,9 Verkaufsstellen aus. Pro Tour müssen inklusive Rückweg durchschnittlich 262 Kilometer zurückgelegt werden. Dabei beträgt der tatsächliche Auslastungsgrad beim maximal möglichen Ladevolumen im Schnitt 87 Prozent. Der Handel schätzt zudem, dass bis 2025 der Anteil an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben in seinem Fuhrpark auf 17 Prozent im Schnitt steigen wird. Auch die Transportkosten im handelseigenen Fuhrpark wurden für die Studie dezidiert abgefragt und liegen damit erstmals vor. So entfällt bei den Transportkosten, um einige wenige Zahlen zu nennen, der größte Anteil mit 55 Prozent auf die Personalkosten. Zweitwichtigster Kostentreiber waren im Zeitraum der Studienerhebung die Dieselkosten mit einem Anteil von 16 Prozent, wobei dieser Wert wegen der Dieselpreise stark schwankt. Zur Reduzierung dieser Kosten setzt der Handel in erster Linie aber nicht auf externe Transportpartner, sondern auf Tourenplanungssysteme. Nachhaltigkeit im Transport Der Umstieg auf alternative Antriebstechnologien gehört im Handel derzeit zu den häufigsten Diskussionsthemen. Das zeigt die vorliegende Studie. Hintergrund ist die Unsicherheit vieler Betriebe, ob und in welchen Regionen aufgrund der Feinstaubbelastung demnächst mit Durchfahrverboten zu rechnen ist. Wobei die befragten Handelslogistik-Entscheider davon ausgehen, dass sie zumindest ihren eigenen Fuhrpark durch Aussortierung der Gebrauchtfahrzeuge umwelttechnisch auf den neuesten Stand bringen. Zudem geben 43 Prozent der Händler laut Studie ihren externen Dienstleistern generell oder teilweise Emissionsklassen für die im Fuhrpark eingesetzten Fahrzeuge vor. Mit steigender Tendenz. So planen weitere zehn Prozent der befragten Logistikentscheider im Handel ebenfalls solche Vorgabe. Wermutstropfen aus Sicht der Transportbetriebe: Bei der Umstellung auf emissionsärmere Fahrzeuge leistet der Handel seinen eingesetzten Dienstleistern nur in Ausnahmefällen finanzielle Unterstützung. Vier von fünf Händlern machen das laut Studie nicht und haben dies auch künftig nicht vor zu tun. Immerhin: 20 Prozent der Händler bieten nach eigenen Angaben hier den Dienstleistern generell oder fallweise finanzielle Unterstützung an. Alternative Antriebe sind also gewollt. Andererseits fehlt es noch an einer flächendeckenden Infrastruktur für Elektrofahrzeuge, obwohl die Zahl der elektrischen Ladestationen stetig zunimmt. Die Zahl der elektrischen Ladestationen steigt zwar an, Wasserstofftankstellen gibt es aber bisher nur ganz wenige. Weiteres Hemmnis sind nach Ansicht der befragen Logistikentscheider im Handel die noch immer hohen Anschaffungskosten und noch begrenzten Reichweiten dieser Fahrzeuge. Wobei laut einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg aus dem Jahr 2018 bis 2026 jeder fünfte mittelschwere und jeder zehnte schwere Lkw in Deutschland mit einem alternativen Antrieb unterwegs sein wird. Dies würde auch in etwa der Einschätzung der vom EHI befragten Handelsbetriebe entsprechen. Wobei der Handel bis 2025 im Wasserstoffantrieb das größte Wachstumspotenzial sieht. Steuerung der Beschaffungslogistik Erstaunlichste Erkenntnis aus der Studie ist, dass das seit Jahren heiß diskutierte Thema "Steuerung der Beschaffungslogistik durch den Handel" immer noch nicht in großem Maße durchgeführt wird. Das heißt, die gebündelte Abholung der bestellten Ware bei den Lieferanten durch den Handel selbst erfolgt erstaunlich selten. Lediglich 18 Prozent der gesamten Ware in der Beschaffungslogistik werden laut Studie von den Handelslogistikern selbst gesteuert. Der Löwenanteil (82 Prozent) liegt nach wie vor in der Steuerungshoheit der Lieferanten, die für die Durchführung der Transporte in der Regel Transport- und Speditionsbetriebe einsetzen. Erstaunlich auch: Nur 1,4 Prozent der beschafften Ware wird volumenbezogen mit eigenen Fahrzeugen des Händlers transportiert. In den weitaus meisten Fällen werden demnach für diese Aufgabe Logistikdienstleister eingesetzt. Pro Beschaffungstransport holen sie dafür die Waren bei durchschnittlich 1,3 Lieferanten ab. Gleichwohl birgt die Steuerung der Beschaffungslogistik durch den Handel aus Sicht der befragten Handelslogistiker Vorteile. Als größten Vorteil nannten sie die Kosteneinsparung durch Bündelungseffekte. Das ergab sich aus dem Punktesystem von 4 (größter Vorteil) absteigend bis 1 (geringster Vorteil), über das die Teilnehmer (siehe Seite 25) die genannten Argumente ihrer Bedeutung nach für die Beschaffungslogistik in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen hatten. Mit einigem Abstand dahinter wurden als Vorteile "die Entlastung der Wareneingangsrampe" und "zuverlässigere Warenversorgung" genannt. Sonstige Vorteile erläuterten die befragten Handelsfirmen nicht genauer. Ob und wie stark der Handel bis zum Jahr 2025 die Steuerungshoheit in der Beschaffungslogistik in eigene Hand bekommen will, ist umstritten. Hier sind die Händler in der Studie eher geteilter Meinung. Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent geht zwar davon aus, das sich der Anteil erhöhen wird. Die übrigen 48 Prozent gaben aber dazu keine Einschätzung ab oder gingen von einem gleich bleibenden Anteil aus. Fazit der Studie Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind: Der Transportbereich im Handel wird auch künftig einer der wichtigsten Hebel für Kostenoptimierungen in der Logistik sein. Zudem werden die Themen Fahrermangel, Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Fuhrparkbetreiber im Handel weiterhin beschäftigen. Der "War for Talents" um qualifizierte Berufskraftfahrer wird sich laut Einschätzung der Befragten wohl verschärfen. Denn auch der Handel wird mit attraktiven Jobangeboten Fahrer an sich binden wollen. Gleichzeitig gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. So sind die befragten Handelslogistiker interessiert, innovative Technologien einzusetzen. Diese müssten indes zu wirtschaftlich akzeptablen Konditionen zur Verfügung stehen, heißt es. Abgesehen davon wird das Thema "Kooperationen im Transport" auch laut den befragten Logistikentscheidern im Handel ein wichtiges Thema. Vor allem, um die Auslastung der Fahrzeuge weiter zu optimieren. Auf der Beschaffungsseite stellt sich zudem weiterhin die Frage, ob eine Beschaffungslogistik durch den Handel auch im Interesse der Lieferanten ist und welche Marktmacht der einzelne Handelsbetrieb hat, um diese Vorgehensweise durchzusetzen. Auch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Händlern in der Distribution ist laut Studie für den Handel eine interessante Option. Allerdings setzt dies kompatible Distributionssysteme auf beiden Seiten voraus sowie die Bereitschaft zum unternehmensübergreifenden Datenaustausch. Ansonsten sind sich die Logistikentscheider im Handel sicher, dass ihnen die Zusammenarbeit mit Transport- und Logistikdienstleistern "die höchstmögliche Flexibilität" bietet, vor allem, wenn es um Sortimente mit hohen saisonalen Absatzschwankungen geht. Auch die Belieferung der Verbraucher bis an die Haustür im Rahmen des E-Commerce sollte, stellt die Untersuchung fest, weiterhin vornehmlich mit KEP-Dienstleistern als Spezialisten auf diesem Gebiet erfolgen. Alternative Formen der Auslieferung, zum Beispiel unterirdisch oder in der Luft, werden laut den befragten Logistikentscheidern noch längere Zeit benötigen. Bisher stehe nicht fest, welche der Distributions-Ideen sich in Zukunft durchsetzen oder als Flop erweisen werden. Fest steht für die Logistiker im Handel nur: Selbst wenn Fahrzeuge technisch schon in wenigen Jahren komplett autonom fahren können, werden diese noch lange Zeit von einem Fahrer begleitet werden müssen, der rechtlich die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Übergabe der Ware trägt. Die Studie Transport in der HandelslogistikDie Studie"Transport in der Handelslogistik" des EHI Retail Institutes, Köln, und der VerkehrsRundschau hat die Ist-Situation rund um das Thema Transport im Handel abgefragt. Damit liegen zum ersten Mal Erkenntnisse über die Fuhrparkgröße und -struktur im Handel sowie wichtige Transportkennzahlen vor. Die Ergebnisse der Studie werden am 26. März 2019 auf dem Handelslogistikkongress in Köln präsentiert. Die Studie wird Ende März 2019 erscheinen; ISBN: 978-3-87257-510-4. Bezugsadresse über EHI unter www.ehi.org/de/themen/studien. eh Statement Kooperation wird in der Logistikkette immer wichtiger!Das Thema "Collaboration" (Kooperation) zwischen Handel, Industrie und Transport gewinnt für alle Beteiligten in der Logistik eine immer größere Bedeutung. Denn Verkehrsdichte, Staus, Personalprobleme, Laderaummangel und gesetzliche Vorgaben führen dazu, dass in Zukunft die Beteiligten in der Transportkette verstärkt Kooperationen eingehen müssen. Lösungsansätze können sein:- Wie ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu erreichen?- In welchen Bereichen gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Partnern?- In welchen Bereichen ergänzen sich die Partner?- Ergibt sich durch eine kooperative Zusammenarbeit eine höhere Qualität, zufriedene Mitarbeiter?- Wie wirkt sich die Collaboration auf Abläufe in den Unternehmen sowie Abhol- und Lieferzeiten aus?- Welche gemeinsamen Veranstaltungen und Schulungen lassen sich realisieren, um in den beteiligten Partnerunternehmen das Thema Collaboration zu leben?.. Wie können sich schlussendlich die Partner dank solcher Collaboration von ihren Mitbewerbern erfolgreich unterscheiden?Kurz: Wer diesen Weg geht, hat den flexiblen Lösungsansatz für die Zukunft und wird dadurch Erfolg haben. Ein Verband wie der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) kann dabei durch sein Netzwerk eine wichtige Rolle übernehmen.Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) vertritt die Interessen von rund 1200 Unternehmen aller Größenordnungen aus Industrie und Handel in puncto Transport und Logistik. Mehr unter: www.bwvl.deRalf Nieß, Leiter Logistik Häffner und Mitglied des BWVL-Vorstandes

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