Mann für Bytes & Beton

BWVLÜber mangelnde Präsenz in den Medien konnte sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im ersten Jahr seiner Amtszeit sicher nicht beklagen. Weil kaum ein Tag verging, an dem nicht eine neue Wendung bei der PKW-Maut für Schlagzeilen gesorgt hätte, gehört das Gesicht des CSU-Politikers zu den Bekannteren in der Ministerriege der Großen Koalition in Berlin. PKW-Maut als unglückliches Erbe Dabei ist die Einführung einer Infrastrukturabgabe für PKW nicht einmal sein Lieblingsprojekt. Der ehemalige CSU-Generalsekretär hat die "Ausländermaut" als undankbare Mission aus dem Koalitionsvertrag geerbt. War es doch CSU-Chef Horst Seehofer, der das umstrittene Projekt auf Biegen und Brechen durchgesetzt hat - gegen die Bedenken der Kanzlerin. "Ein Dobrindt scheitert nicht", versprach der streitbare bayerische Ministerpräsident kurz nach Bekanntgabe der Postenverteilung im Kabinett der schwarz-roten Regierungskoalition und es ist diese Last, die wie ein Mühlstein das erste Jahr der Amtsführung seines Ministers in Berlin prägt. Viel Kritik musste der Mautminister schon vor Vorstellung seines Konzepts einstecken - nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen, insbesondere aus den grenznahen Bundesländern, die Einbußen durch die Verteuerung des kleinen Grenzverkehrs fürchteten und lautstark mahnten. Dass der viel Gescholtene dann Ende Oktober doch noch einen Gesetzentwurf für die Infrastrukturabgabe vorgelegt hat, der diesen Bedenken Rechnung trägt und nur Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit der Infrastrukturabgabe belegt, nötigt politischen Beobachtern zumindest Respekt ab. "Bei der PKW-Maut, aber nicht nur da, hat Alexander Dobrindt unter den gegebenen Umständen, dem guten Image seines Vorgängers und der Erblast des Wahlversprechens bisher eigentlich einen guten Job gemacht", urteilt Professor Frank Bayer, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg unter anderem Verkehrspolitik lehrt. "Er muss ein politisches Wahlversprechen umsetzen - mit all den Restriktionen. Eine gigantische Aufgabe", findet Bayer. "Vor diesem Hintergrund hat er als Minister geschickt agiert und strategisch die EU-Kommission frühzeitig eingebunden." Beobachter loben Stehvermögen Diese Hartnäckigkeit lobt auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, Karlheinz Schmidt: "Er hat allen Unkenrufen zum Trotz etwas auf den Weg gebracht, von dem viele gesagt haben, es sei unmöglich." Die zuweilen wortkarge Zielstrebigkeit des Ministers sorgt für Anerkennung: "Dobrindt beweist trotz aller Schelte als Politiker durchaus Standfestigkeit - er wird das durchziehen", glaubt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Dass Dobrindt bei der Umsetzung der PKW-Maut solche Klimmzüge vollführen muss, sei der EU-Gesetzgebung geschuldet, fügt Labrot entlastend hinzu. Nach ziemlich genau einem Jahr im Amt, Dobrindt wurde am 17. Dezember 2013 als Verkehrsminister vereidigt, ist der Mann aus Bayern in seiner neuen Rolle endgültig angekommen. Dass die Beurteilung des Ministers in der Transport- und Logistikbranche überraschend positiv ausfällt, dürfte seiner politischen Agenda geschuldet sein, die sich auch jenseits der PKW-Maut gar nicht so schlecht ausnimmt: - Wenn auch mit einigen Schönheitsfehlern, so ist mit der zweiten und dritten Änderung zum Bundesfernstraßenmautgesetz der Fahrplan bei der LKW-Maut in ein Gesetz gegossen, inklusive der Ausdehnung der Maut auf weitere Bundesstraßen und der Ausdehnung auf LKW ab 7,5 Tonnen im kommenden Jahr. - Die drängende Frage nach der Zukunft der Mautbetreibergesellschaft Toll Collect hat der Minister mit seiner umstrittenen Entscheidung der Vertragsverlängerung bis 2018 zumindest vorläufig beantwortet. - Der Minister verspricht einen "Investitionshochlauf" bis 2018 um 4,8 Milliarden Euro im Verkehrsetat mit einer schrittweisen Erhöhung der Mittel für Straßen und Brücken. So soll das Fünf-Milliarden-Euro-Paket aus dem Koalitionsvertrag für zusätzliche Verkehrsmaßnahmen in der nächsten Wahlperiode fortgesetzt werden. Zudem will der Minister die Nutzerfinanzierung über die Ausweitung der LKW-Maut und Einführung der Infrastrukturabgabe für PKW ausbauen. Drittens sollten mehr private Investitionen in Verkehrsprojekte fließen. "Es wird eine neue Generation öffentlich-rechtlicher Partnerschaften geben", kündigte Dobrindt an. - Die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen der Schieneninfrastruktur wurde mit einer neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) auf neue Beine gestellt, die der Bahn deutlich mehr Mittel zur Verfügung stellt, um marode Brücken zu sanieren. - Der Verkehrsausschuss hat im November eine neue Struktur der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) beschlossen. Vorgesehen ist, die bestehenden 39 WSV-Ämter zu insgesamt 18 Revieren zusammenzufassen. Es ist geplant, die Zahl der Beschäftigten bis 2020 durch sozial verträgliche Maßnahmen von 12.500 auf 10.000 zu reduzieren. Gleichzeitig soll die Planungskapazität der Behörde durch zusätzliche Ingenieurstellen erhöht werden. Die Branche urteilt positiv "Alexander Dobrindt hat in seinem ersten Jahr als Minister gute Arbeit geleistet. Er ist aktenkundig, gut informiert, freundlich und hört genau zu", urteilt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV), durchaus wohlwollend. Auch beim BGL hört man keine Klagen über den neuen Mann an der Spitze des Ministeriums. Ganz im Gegenteil: "Alexander Dobrindt hat als Minister einen Blick fürs Detail, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren", lobt BGL-Geschäftsführer Schmidt die Sachkenntnis des CSU-Politikers bei vielen Fachthemen. "Dobrindt will nicht nur entscheiden, er will auch verstehen", sagt Schmidt. Aus BGL-Sicht schätzt man, dass sich der Minister aus Bayern auch bei unangenehmen Themen einer Diskussion zu stellen weiß. Mit seiner Kampfansage gegen Sozialdumping im Straßengüterverkehr - zur Not auch, wenn Brüssel keine Position bezieht - hat sich der Minister die Anerkennung des BGL erworben. Es kann nicht sein, dass Fahrer zu Dumpinglöhnen wochenlang unterwegs sind und in dieser Zeit nicht nach Hause kommen. "Das hat der Minister erkannt und sich deutlich dagegen ausgesprochen", stellt Schmidt fest. Selbst mit der Ausweitung der LKW-Maut hat man sich in der Frankfurter BGL-Zentrale angefreundet: "Es ist zwar nicht jeder Wunsch in Erfüllung gegangen, besonders die Einteilung der Achsklassen ab Oktober 2015 ist aus unserer Sicht problematisch, aber insgesamt können wir damit leben", sagt Schmidt. "Es ist für uns wichtig, dass der Minister sich durchgesetzt hat und keine unterschiedlichen Mautsätze auf Bundesstraßen und Autobahnen erhoben werden. Er ist mit dieser Entscheidung unserer Position entgegengekommen", betont Schmidt. Ganz anders als Ramsauer "Die Branche war verwöhnt von dem ungewöhnlich hohen Engagement, das Vorgänger Ramsauer an den Tag gelegt hat", gibt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des BWVL, zu. Nach einem Jahr im Amt habe Alexander Dobrindt mittlerweile "als Minister das erwartete Maß" erreicht. "Alexander Dobrindt hat ein halbes Jahr gebraucht, um sich thematisch einzuarbeiten, und es dauerte eine Zeit lang, bis er mit der Logistikbranche warm wurde", gibt Labrot seinen Eindruck wieder. Wie viele andere Branchenvertreter würde er sich noch mehr Präsenz des Ministers bei wichtigen Branchenveranstaltungen wünschen. Der Vorwurf, Dobrindt zeige sich als Verkehrsminister zu selten bei wichtigen Veranstaltungen, war besonders in der ersten Zeit seiner Amtsführung immer wieder deutlich zu vernehmen. "Der Minister ist ein Politikprofi und hat sich Zeit genommen, sich selbst zu orientieren", relativiert Karlheinz Schmidt, der ein Jahr nach Amtsantritt bilanziert: "Wir arbeiten mit Alexander Dobrindt und seinem Stab genauso gut zusammen wie mit dem Vorgänger." Schließlich war es ausgerechnet ein Parlamentarischer Abend der Binnenschiffer, den Dobrindt im März dieses Jahres für den ersten größeren öffentlichen Auftritt vor den versammelten Branchenvertretern nutzte. "Wir sind nach seinem Amtsantritt relativ schnell mit dem Minister ins persönliche Gespräch gekommen", freut sich Jens Schwanen, Geschäftsführer Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). "Das wurde im Verband und bei den Mitgliedern sehr positiv aufgenommen. Das Gleiche gilt für seine Zusage, die Modernisierung des Schulschiffes in Duisburg zu unterstützen", sagt Schwanen, der die Wertschätzung für seine Belange mit Lob honoriert: "Es gibt nach dem ersten Amtsjahr von Minister Dobrindt nichts auszusetzen an der Zusammenarbeit mit ihm und seinen Mitarbeitern auf Fachebene", resümiert Schwanen. Das Digitale gehört zum Verkehr Dass der Minister sich in den ersten Monaten mehr um digitale Autobahnen gekümmert hat als um marode Bundesfernstraßen, mag dem neuen Zuschnitt seines Ressorts geschuldet sein. Die Abteilung Bau ist weggefallen, dafür muss sich der neue Bundesverkehrsminister zusätzlich um die digitale Infrastruktur kümmern. Dass dem Minister die Eröffnung der Cebit in Hannover wichtiger war als ein Parlamentarischer Abend in Berlin, mag rückblickend verständlich sein. Immerhin musste Dobrindt in seinem Haus zunächst eine komplett neue Abteilung "Digitale Gesellschaft" aufbauen. Dass Bytes und Beton nicht zusammenpassen, glauben übrigens nur wenige: "Zur Verkehrsinfrastruktur gehört auch die digitale Infrastruktur", ist Labrot überzeugt. Im Kern sieht er den neuen Zuschnitt des Ressorts positiv. "Die digitale Infrastruktur ist mindestens so nahe an den Verkehrsthemen wie das Ressort Bau", ist auch Karlheinz Schmidt überzeugt. "Im Verkehrssektor wird künftig sehr vieles digital zu lösen sein - Stichwort Car-to-Car-Kommunikation und intelligente Verkehrssteuerung. Keine moderne Disposition kommt heute ohne digitale Technologien aus." Mautpläne bleiben Stückwerk Kritik muss sich der Minister vor allem für die willkürlichen Mautpläne der Regierung gefallen lassen: "Leider fehlt bei der Maut ein schlüssiges Gesamtkonzept", kritisiert der BWVL. Es sei unglücklich, dass die schrittweise Erweiterung zunächst auf weitere 1100 Kilometer vierstreifiger Bundesstraßen, dann auf LKW ab 7,5 Tonnen in zwei Einzelschritten erfolge. Für die Bemautung von Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen wiederum gebe es derzeit nur einen Prüfauftrag. "Es gibt kein durchdachtes Mautkonzept in Deutschland - letztlich bleiben die Gebührensysteme Stückwerk", bemängelt Politik-Professor Bayer. So sei nicht erklärbar, warum für Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen keine Maut erhoben werden soll. "Das Mautsystem setzt das Nutzerprinzip nicht konsequent um und steht wissenschaftlich auf dünnen Beinen." So wird Dobrindt in Brüssel wahrgenommen Parlamentarier schießen sich auf deutsche Mautpläne ein Selten wurde es so deutlich wie bei der PKW-Maut. Kein Verkehrsminister macht Gesetze ohne den Segen der EU-Kommission. In Brüssel hat Alexander Dobrindt in seinem ersten Amtsjahr als Verkehrsminister keine neuen Freundschaften geschlossen. Im Verkehrsministerrat glänzte der deutsche Ressortchef überwiegend durch Abwesenheit. Die meisten seiner Partner sind genervt von dem krampfhaften Bemühen, Ausländer auf den deutschen Autobahnen zur Kasse zu bitten und die deutschen Autofahrer zu schonen. Der damals noch amtierende Verkehrskommissar Siim Kallas hatte Dobrindt zwar Ende Oktober bescheinigt, er gebe sich Mühe, die Bedenken der Kommission auszuräumen. Seine Nachfolgerin Violeta Bulc ließ aber nur Tage später durchblicken, dass Dobrindt dieses Ziel noch nicht erreicht habe. Man werde sich das deutsche Gesetz genau ansehen, versicherte sie im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments vergangene Woche. Dort sitzen die meisten Kritiker Dobrindts. Zweifel an der deutschen Maut haben sie nicht nur mit Blick auf das Diskriminierungsverbot, sondern auch beim Datenschutz. Die liberale Europaabgeordnete Gesine Meißner räumt ein, dass Dobrindt seine Mautpläne nachgebessert habe, zweifelt jedoch, ob seine bayerischen Parteifreunde daran noch viel Freude haben. Auch dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer, ist Dobrindt vor allem durch seine verkehrspolitische Eindimensionalität aufgefallen. Bei anderen Themen als der Maut habe man in Brüssel nichts von dem CSU-Politiker gehört. Die Sozialdemokraten, in Berlin durch den Koalitionsvertrag in der Pflicht, spotten in Brüssel freimütig über Dobrindts"konzeptlose Geisterfahrt". tw Das Urteil der Verkehrspolitiker Herbert Behrens, Fraktion Die Linke, Mitglied des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur"Es war sehr angenehm, als der Verkehrsminister im vergangenen Jahr die Ausschussmitglieder zum Essen einlud. Er versprach eine kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Parlamentariern. Doch mit seinen Projekten Ausländer-Maut und Breitbandausbau ist Herr Dobrindt ziemlich unter Druck geraten. Der Kontakt zu Oppositionspolitikern ist da nicht prioritär.Gleichwohl ist er im persönlichen Umgang zugewandt und aufmerksam. Vielleicht kann ich ihn in dieser Atmosphäre ja noch von meinen Ideen überzeugen." jökKirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion"SPD und Union können nach einem Jahr eine positive Bilanz ziehen. Kernprojekte unseres Koalitionsvertrages sind auf den Weg gebracht wie zum Beispiel mehr Geld für die Infrastruktur, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn für Erhaltungsmaßnahmen oder die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV).Hier rechne ich Minister Dobrindt hoch an, dass er sich von der schwarz-gelben Vorgängerregierung klar distanziert und die Belegschaft der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in die Reform einbezogen hat." jökStephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen"Dobrindt hat aus einem Floh einen Elefanten gemacht: Die PKW-Maut lähmt sein Haus, drängende Themen bleiben liegen. Verkehrspolitik macht dagegen Frau Hendricks, indem sie den Ausbau des Bahngüterverkehrs und öffentlichen Verkehrs in das Aktionsprogramm Klimaschutz aufgenommen hat. Statt Prioritäten bei der Infrastruktur zu setzen, bedient er die Wünsche der Provinzfürsten. Nahtlos hat er die Spartenstich-Politik fortgesetzt, als er vor allem für neue Ortsumgehungen grünes Licht gab. Bei der E-Mobilität bleiben seine Aktivitäten auf die Anschaffung eines I3-Dienstwagens beschränkt." jökUlrich Lange (CSU), verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion"Die LuFV II und die WSV-Reform sind beschlossen, wir haben eine anwachsende Investitionsperspektive bis nach 2018, einschließlich des 5-Milliarden-Euro-Programms und der Ausweitung der LKW-Maut. Die wichtigsten Gesetze sind auf den Weg gebracht, darunter die Infrastrukturabgabe, das Elektromobilitätsgesetz und die Neuordnung der Eisenbahnzulassung. Also eine echte Erfolgsbilanz. Bundesminister Dobrindt treffe ich regelmäßig. Besonders in Erinnerung bleibt die Eröffnung der Ortsumfahrung Wallerstein mit ihm bei strömendem Regen." jök