Lohnendes Geschäft mit dem Müll anderer

Eine Nische zu finden, in der man nicht nur überleben, sondern von der man auch leben kann: Das fällt so manchem Transportunternehmer schwer. Vor allem als kleinerer Anbieter, dessen Möglichkeiten - nicht nur die finanziellen - begrenzt sind. Gerald Diegel hat es geschafft: den Wandel vom reinen Fuhrunternehmen hin zum Entsorgungsdienstleister. Wobei, es ging in der Geschichte der Diegel Transport nicht immer nur bergauf. Das hört sich nach einem Teil des Erfolgsgeheimnisses des gelernten Speditionskaufmanns an, ist in Wahrheit jedoch alles andere als geheim, nur gelingt es nicht jedem: mal "Nein" zu einem Geschäft zu sagen und damit auch Kapazitäten abzubauen. In den Anfangsjahren des Unternehmens ging es jedoch bergauf, wenn auch langsam. 1950 hat Karl Diegel das Unternehmen gegründet. Sein Sohn Gerald ist 1976 in den Betrieb eingetreten. 1985 hat er sich selbstständig gemacht und ein Entsorgungsunternehmen gegründet. "Nicht, weil ich mich nicht mit meinem Vater verstanden habe, sondern das hatte ausschließlich steuerrechtliche Gründe", sagt Diegel. Die Wende als Wendepunkt Der Zeitpunkt war genau richtig, denn 1989 kam die deutsche Einheit. "Die Wende war für uns wie Weihnachten", erinnert sich Diegel. Vorher war das hessische Nentershausen, Standort des Unternehmens, Zonenrandgebiet. "Für uns hat sich bis dahin doch keiner interessiert", so der Unternehmer. Doch plötzlich, mit dem Fall der Mauer, lag der Ort - 36 Kilometer von Bad Hersfeld entfernt - mitten in Deutschland. Zudem gab es in den neuen Ländern enormen Transportbedarf in der Bau- und Entsorgungsbranche. Diegel hat nicht lange gezögert und gleich 1990 in Eisenach eine Niederlassung gegründet. 1994 fusionierten dann die Unternehmen des Vaters und des Sohnes und Gerald Diegel übernahm die Geschäftsführung. Die gestiegene Nachfrage sorgte in Diegels Unternehmen für einen Schub. "Bis 1997 hatten wir über 50 Mitarbeiter und bis zu 36 Fahrzeuge: von Kippern über Betonmischer bis hin zu Absetzfahrzeugen", sagt Diegel. "Eine spannende Zeit", erinnert sich auch sein Sohn Marco, der 1993 in das Unternehmen eingetreten ist. Diegel verkleinert den Fuhrpark Und heute? Zählt das Unternehmen 20 Mitarbeiter und befinden sich noch zwölf Fahrzeuge im Fuhrpark. Wem jetzt der Satz "vom Aufstieg und Fall eines Unternehmens" in den Sinn kommt, der liegt falsch. "Wir haben uns den Markt genau angesehen: Es wurde weniger gebaut, die Nachfrage nahm ab und es haben sich immer mehr Mitbewerber in Eisenach angesiedelt. Für uns wurde es zunehmend enger", sagt Gerald Diegel. Also hat Diegel das getan, was so vielen Unternehmern schwerfällt: Er hat nach und nach den Fuhrpark und Personal abgebaut, gleichzeitig aber das Unternehmen neu ausgerichtet und sich stärker dem Thema Entsorgung gewidmet. Bereits 1997 wurde dem Unternehmen erstmals das Zertifikat über die Anerkennung als Entsorgungsfachbetrieb gemäß dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz durch die Entsorgungsfachgemeinschaft Regionaler Wirtschaftsverkehr (EGRW) verliehen. Damit war Diegel einer der Vorreiter. "Da habe ich von meiner Mitarbeit im Verband profitiert", sagt er. Diegel hat sich im Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) engagiert. Bei der Gründung der EGRW 1996 war er dabei. "Mich hat das Thema Entsorgung interessiert und ich habe da für unseren Betrieb eine Chance gesehen", sagt Diegel. Zwar ist der Lkw-Fuhrpark im Vergleich zu den 90er-Jahren geschrumpft. Dafür gehören jetzt 700 Abroll- und Absetzkipper sowie ein Recyclinghof zu dem Unternehmen. Dort wird Abfall gesammelt, sortiert und zu den Verwertungsanlagen transportiert. "Der Recyclinghof ist das Herz der Firma und ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir uns hier in der Umgebung von vielen Mitbewerbern abheben", sagt Marco Diegel. Wettbewerb sind die Diegels aber natürlich auch im Entsorgungsmarkt ausgesetzt. Diesem stellen sich Vater und Sohn. "In der Entsorgung sind sie nur stark vor Ort, ansonsten lassen sie das Geld auf der Straße liegen", sagt Diegel senior. Denn jeder Kunde muss im Prinzip zweimal angefahren werden - bei der Containergestellung und -abholung. Bedeutet also einmal leer hin und einmal leer zurück. Je länger die Distanzen, desto stärker schlagen die Kosten für den Transport zu Buche. Zwei, drei größere, potenzielle Mitbewerber gibt es in der Region. Als Vorteil sieht Diegel an, dass er treue Kunden hat - nicht ohne Grund. "Wir haben uns 2010 sofort mit dem elektronischen Nachweisverfahren für Abfälle befasst und Schulungen angeboten, während andere Unternehmer gesagt haben: 'Das tun wir uns nicht an"', nennt Marco Diegel ein Beispiel. Noch heute entsorgen einige dieser Kunden über Diegel ihre Abfälle. "Zu unserer Kundschaft gehören auch Hotelketten, Kliniken oder Seniorenheime", wirft Gerald Diegel ein. Solche Betriebe gelten als Prestigekunden eher größerer Entsorger. Vielleicht spielt dabei auch eine Rolle, dass Gerald Diegel so scheinbar einfache, äußere Merkmale wichtig sind: "Wir achten darauf, dass die Fahrzeuge und Container in einem guten Zustand und sauber sind. Denn es gibt kaum eine bessere Werbung als einen sauberen Container." Pluspunkt ist die eigene Werkstatt Ein Vorteil ist die eigene Werkstatt. Hier werden Container hergerichtet und Fahrzeuge repariert. Dafür muss Diegel keine Serviceunternehmen beanspruchen und sich nach deren Terminen richten. Bei 700 Abroll- und Absetzkippern gibt es dauernd etwas zu reparieren. Diegel bieten den Werkstattservice auch Fremdfirmen an. Hört sich so an, als ob Diegel alles richtig gemacht hätte und jetzt alles rund liefe. Doch dem ist nicht so. Es ist derzeit jedoch weniger die Konkurrenz, die dem Unternehmen größeren Kummer bereitet. Auch nicht die niedrigen Rohstoffpreise, weshalb Diegel weniger Geld für seine Abfälle kassiert. Wirkliche Sorgen bereitet dem Unternehmen der Gesetzgeber. So gibt es bei den Kommunen die Tendenz dazu, die Entsorgung von Hausmüll wieder in kommunale Hände zu legen (siehe VR 8/2016, Seite 31). Daher hat das Regierungspräsidium Kassel eine Untersagungsverfügung gegen die Entsorgung des Privatmülls auf dem Recyclinghof von Diegel erlassen. Dagegen hat Diegel ein Verfahren eingeleitet. Denn mittlerweile entsorgen viele Privatleute ihren Müll bei Diegels, weil es in der Nähe keinen kommunalen Recyclinghof mehr gibt. Daher ist dieser Abfall eine wichtige Einnahmequelle, auch wenn der gewerbliche Abfall überwiegt. "Wir haben das Glück, dass die Bürgermeister aus den umliegenden Kommunen uns unterstützen. Sonst müssten die Bürger den Müll bis zu 20 Kilometer weit transportieren, was sie ihnen nicht zumuten wollen", sagt Gerald Diegel. Nicht auszuschließen, dass dann die wilde Deponierung zunehmen würde - das wäre sicher nicht im Sinne der Kommunen. Ungemach droht aus einer weiteren Ecke: vom neuen Wertstoffgesetz und der darauf aufbauenden Gewerbeabfallverordnung. Viele Regelungen sind zwar noch unklar, der Trend geht jedoch eindeutig dahin, dass dem Abfall mehr Wertstoffe entzogen werden sollen. Damit würde eine höhere Sortierquote einhergehen. "Für uns würde das bedeuten, dass wir wahrscheinlich eine Sortieranlage aufstellen müssten", sagt Diegel. Er hat sich schon mal erkundigt, was das kosten könnte: 3,5 Millionen Euro. Für ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 2,7 Millionen Euro viel Geld. Kampf mit der Rekommunalisierung "Mir machen solche Szenarien Sorge", sagt Marco Diegel. Er ist als Nachfolger im Unternehmen fest eingeplant. Seit 1993, nach Abschluss seiner Lehre als Kfz-Mechaniker und einer kurzen Gesellenzeit, ist er im elterlichen Unternehmen tätig und hat später seinen Meister gemacht. Er ist in alle Unternehmensabläufe integriert und trifft die Entscheidungen, wenn es um Investitionen geht. Diese Knüppel, die seitens des Gesetzgebers den privaten Entsorgern zwischen die Beine geworfen werden, ärgern den Unternehmensnachfolger sichtlich. Doch deshalb verschwendet Diegel keinen Gedanken daran, aufzugeben, "denn ich bin ja schon seit 20 Jahren dabei und mir gefällt das Geschäft, trotz aller bürokratischen Herausforderungen". Aber der mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz verbundene Trend zur Rekommunalisierung, der beunruhigt ihn schon. "Da frage ich mich, ob wir den Betrieb so noch fortführen können." Dann würde möglicherweise wieder eine Umstrukturierung anstehen. Doch damit kennen er und sein Vater sich ja bestens aus und haben bewiesen, dass sie es können. Unternehmen Diegel Transport GmbH Sitz des Unternehmens: Nentershausen (Landkreis Bad Hersfeld)Zweigbetrieb: EisenachJahresumsatz: 2,7 Millionen EuroLeistungen:- Transport von Schüttgütern jeglicher Art- Containerdienst- Müll- und Abfallentsorgung- eigener Recyclinghof für gewerbliche und private Abfälle- EntsorgungsfachbetriebZahl der Mitarbeiter: 20Zahl der Fahrzeuge: 12, davon 9 ständig im Einsatz, der Rest für Winterdienst und ähnliche ZweckeAbroll-, Absetzkipper: 700Homepage: www.diegel-transport.de