Logistikhub Dubai – Wunsch

Logistikhub Dubai – Wunsch und Wirklichkeit Der Aufstieg des arabischen Emirats Dubai zum Logistikstandort der Superlative scheint unaufhaltsam. Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise werden daran langfristig nichts ändern. Den größten von Menschenhand geschaffenen Seehafen der Welt haben sie schon. Am größten Flughafen der Welt bauen sie gerade. Die Ölscheichs von Dubai wollen aus ihrem Emirat eine multimodale Logistikdrehscheibe der Superlative machen. Dafür investieren sie Milliarden von Petrodollar in die Infrastruktur. Doch die ehrgeizigen Projekte scheinen in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ins Stocken geraten zu sein. Unlängst gingen Meldungen durch die Presse, dass Dubai hoch verschuldet sei. Einem Bericht der „Welt“ zufolge musste das Nachbar-Emirat Abu Dhabi, das über den Großteil der Ölreserven der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verfügt, im Februar gar einen Notfonds von zehn Milliarden Dollar bereitstellen, damit Dubai seinen Verpflichtungen nachkommen konnte. „Sowohl die negativen als auch die positiven Meldungen über Dubai sind übertrieben“, gibt ein Kenner des Emirats Entwarnung. Natürlich sei auch Dubai von der Krise im Immobiliensektor getroffen, aber der Al Maktoum International Airport, der einmal der größte Flughafen der Welt sein solle, werde ja weitergebaut. Laut den ursprünglichen Plänen sollte der Megaflughafen, der im Endausbau über 16 Cargo-Terminals mit einer Jahres-Kapazität von zwölf Millionen Tonnen verfügen soll, allerdings längst in Betrieb sein. Neuer Eröffnungstermin ist im Juni 2010, wie seine Hoheit Scheich Ahmed bin Saaed Al Maktoum, Chairman der Dubai Aviation City Corporation, ankündigte. Der Al Maktoum International Airport ist Herzstück des Infrastruktur-Projekts „Dubai World Central“ (DWC), das auch die „Dubai Logistics City“ und die „Aviation City“ umfasst. Dubai solle, so Scheich Ahmed, ein „beispielloses weltweites Geschäfts-, Handels- und Transport-Hub“ werden. Auf für LKW reservierten Autobahnen sollen Frachtsendungen zwischen dem Hafen Jebel Ali und dem nur etwa zehn Kilometer entfernten Flughafen in weniger als vier Stunden umgeschlagen werden können. Magnet Freihandelszone „Trotz der internationalen Wirtschaftskrise bleibt Dubai als Logistikstandort aufgrund der geostrategischen Lage und hervorragenden logistischen Infrastruktur attraktiv“, glaubt Daniela Calligaro von der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Wolle sich ein deutscher Spediteur oder Transporteur in den VAE niederlassen, sei die Wahl des Standortes inner- oder außerhalb einer Freihandelszone (FZ) sehr wichtig, erklärt Calligaro (siehe Interview Seite 30). Bei einer Firmengründung in einer FZ wie der Jebel-Ali-Freihandelszone in Dubai braucht man keinen einheimischen Sponsor oder Partner. Außerdem bietet eine Freihandelszone erhebliche Zoll-Vorteile. „Das Geschäftsmodell der FZ, welches das sonst in den VAE vorherrschende Prinzip der lokalen Beteiligung an Geschäftstätigkeiten ausländischer Unternehmen umgeht, hat zur rasanten Entwicklung der VAE und insbesondere Dubais als internationalem Logistikhub wesentlich beige-tragen“, sagt Calligaro. Alternativen in der Nachbarschaft Laut der Expertin existieren mittlerweile in allen sieben Emiraten Freihandelszonen. Und gemessen an dem für die Gründung einer Kapitalgesellschaft erforderlichen Stammkapital gibt es billigere Alternativen zu Dubai. In den meisten Freihandelszonen in Dubai beträgt das erforderliche Kapital eine Million AED (rund 200.000 Euro). Im nördlichen Emirat Ras Al Khaimah – zum Beispiel in der RAK Free Trade Zone – werden nur 100.000 AED verlangt. Die Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer hilft deutschen Unternehmen auch bei der Firmengründung in einer Freihandelszone und übernimmt die Behördengänge. DHL, Kühne + Nagel, Panalpina, DB Schenker und Co. – die großen, weltweit agierenden Logistikdienstleister haben Dubai längst als Standort für sich entdeckt. DB Schenker zum Beispiel bietet über Schenker LLC mit circa 140 Beschäftigten in Dubai seine Dienste an. „Dubai ist eine der größten Logistikdrehscheiben der Welt, wobei aufgrund der geografischen Lage gut fünf Milliarden Menschen in einem Flugradius von acht Stunden zu erreichen sind“, erklärt Detlef Trefzger, der als Vorstand Kontraktlogistik/Supply Chain Management der Schenker AG auch für die Region Near Middle East/Afrika verantwortlich zeichnet. „Neben dem Service DB Schenker Skybridge (intermodales Luft- und Seefrachtangebot, Anm. der Red.) liegt ein Fokus auf der schnellen Versendung von Flugzeugteilen sowie auf der Betreuung von Messen und Ausstellungen.“ Kontraktlogistik und Supply-Chain-Lösungen würden, so Trefzger, ebenfalls angeboten. Zu den Kunden von DB Schenker zählen Großunternehmen, Mittelständler und Nischenanbieter aller Branchen und Märkte, die Dubai als Drehscheibe zur Distribution im Nahen Osten und Afrika nutzen. Gesunkene Mietpreise für Immobilien „Es gibt derzeit ein Überangebot an Hallen in Dubai, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Free Zones“, sagt Stefan Behrendt, Managing Director des in Dubai ansässigen Logistik-Immobilienentwicklers Giolog, über den Markt. Die leer stehenden Hallen könnten aber, da die Qualitätsstandards weit unter den europäischen lägen, „nur bedingt“ genutzt werden. Und die Preise pro Quadratmeter seien seit Herbst 2008 um 30 Prozent gefallen. „Häufig entsprechen die Objekte nicht den Anforderungen von deutschen Logistikern“, bestätigt Achim Bassa von Koschany + Zimmer Architekten, Dubai. „Wenn sich der Bauherr für einen Neubau entscheidet, können wir zusammen mit ihm die Immobilie nach seinen Vorstellungen entwickeln und umsetzen.“ Im Wüstenland Dubai, in dem 50 Grad Celsius im Sommer keine Seltenheit sind und auch Stürme jede Menge Sand aufwirbeln können, brauchen Logistikimmobilien eine dichte Fassade und ein dichtes Dach und müssen besonders gut gedämmt sein, geben die Experten Achim Bassa und Stefan Behrendt als Rat. Logistik unter Extrembedingungen Für einen mittelständischen Logistikdienstleister würde sich der Standort Dubai lohnen, „allerdings kundenbezogen, bei einem entsprechenden Auftrag“, verrät Roland A. Leutner, Geschäftsführer der LSG GmbH, Unterschleißheim. Seiner Meinung nach holen Dubais Wettbewerber in der Region – wie Bahrain, Katar, Abu Dhabi oder Saudi-Arabien – in Sachen Logistikinfrastruktur „enorm auf“. „Dubai wird nach wie vor eine große Rolle als Logistikplattform spielen“, aber in fünf bis zehn Jahren werde es vermehrt Konkurrenz in Dubais Nachbarschaft geben, sagt Leutner, der sich im Rahmen der LOGISTIK inside-Leserreise (siehe Kasten rechts) vor Ort ein eigenes Bild machte. „Dubai hat eine glänzende Zukunft vor sich“, zeigt sich Mahmut Gazi Bilikozen, Verantwortlicher für die Lagertechnik-Messe Materials Handling Middle East in Dubai, optimistisch. „Die Rezession lehrte uns alle unbezahlbare Lektionen. Dubai rappelt sich dank seiner strategischen Lage und breit gefächerten Wirtschaft aber schnell auf.“ ❙❚■ Matthias Pieringer So sieht eine aufstrebende Wirtschaftsmetropole aus – doch das Geld wird auch hier derzeit knapp Logistik-Drehscheibe am Golf Dubai ist der bekannteste Teil der im Südosten des Persisch-Arabischen Golfs gelegenen Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Die weiteren sechs Bundesstaaten heißen Abu Dhabi, Sharjah, Ajmãn, Umm al Qaiwain, Ras Al Khaima und Fujaira. Insgesamt leben in den VAE circa fünf Millionen Menschen. pi Vereinigte Arabische emirate und Dubai Dubai World Central Hafen Jebel Ali 40 km Dubai City 10 km Emirat der Superlative „Dubai – das muss man selbst gesehen haben“, sagte einer der Teilnehmer zum Abschluss der Leserreise nach Dubai, die Mitte des Jahres vom mittlerweile in die VerkehrsRundschau integrierten Fachmagazin LOGISTIK inside veranstaltet wurde. Die 26 Mitreisenden konnten sich aus erster Hand über die Chancen im Emirat am Arabischen Golf informieren. Und diese Chancen sind vielfältig: Da die Ölvorkommen Dubais nicht ewig reichen werden, hat sich der Wüsten-Staat entschlossen, drei weitere Geschäftssäulen für die Zukunft auszubauen – neben dem Finanz- und Bankwesen sowie dem Tourismus spielt die Logistik eine entscheidende Rolle. In den vergangenen Jahren haben die Scheichs die Infrastruktur des Emirats mit Milliarden-Investitionen ausgebaut, davon konnten sich die Reiseteilnehmer vor Ort überzeugen. Sie besichtigten den Hafen Jebel Ali, den größten künstlichen Seehafen der Erde und informierten sich über die Ansiedlungsmöglichkeiten für deutsche Firmen in der Jebel-Ali-Freihandelszone. Auf dem Programm standen darüber hinaus der Besuch der Lagertechnik-Messe Materials Handling Middle East, ein Info-Termin im größten DHL-Lager Dubais und eine Stippvisite bei dem Frachtflieger Emirates Sky Cargo. Das Sightseeing kam ebenfalls nicht zu kurz: Ob eine Wüstensafari im allradgetriebenen Jeep, Ausflüge zum Hotel Burj al Arab, dem segelförmigen Wahrzeichen Dubais, oder Besuche der riesigen Shopping-Malls. pi @Internethinweis: Eine Bildergalerie finden Leser im Internet unter www.verkehrsrundschau.de; Stichwort: Leserreise Dubai Besuch der Jebel-Ali-Freihandelszone von Dubai – Informationen zu Ansiedlungsmöglichkeiten Leserreise nach Dubai „Vorsicht bei der Auswahl von Geschäftspartnern “ Daniela Calligaro von der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK) über den Logistikstandort Dubai: Was Spediteure, die in Dubai ins Geschäft kommen wollen, beachten sollten. Angenommen, ein deutscher Unternehmer möchte sich in Dubai niederlassen: Welchen Fehler sollte er vermeiden? Daniela Calligaro: Bei einer Niederlassung in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist die Wahl des Standortes – Freihandelszone oder außerhalb einer Freihandelszone – sehr wichtig. Worin liegen die Unterschiede? Bei einer Firmengründung in einer Freihandelszone ist kein lokaler Sponsor oder Partner von-nöten. Außerdem fallen in den Freihandelszonen beim Warenimport aus dem Ausland und Re-Export in Drittländer keine Einfuhrzölle an. Diese Vorteile sind für ausländische Unternehmen, die eine Niederlassung vor Ort gründen möchten sehr attraktiv, insbesondere für Firmen der Logistikbranche. Dort angesiedelte ausländische Gesellschaften müssen allerdings darauf achten, dass sie zum Export in die Vereinigten Arabischen Emirate entweder einen Handelsvertreter, eine Vertriebsgesellschaft oder einen Endabnehmer benötigen, der über eine entsprechende Einfuhrgenehmigung verfügt. Auch eine Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ist nicht ohne weiteres möglich. Welche Niederlassungs-Alternative wird Ihrer Erfahrung nach bevorzugt? Ob die Niederlassung inner- oder außerhalb der Freihandelszone günstiger ist, hängt von der Strategie des Unternehmens ab und beides schließt sich nicht gegenseitig aus. In der Praxis findet man häufig das Modell der „Doppelniederlassung“, wobei die Niederlassung in der Freihandelszone als „Middle East Regional Office“ beziehungsweise als Distributionszentrum dient, wohingegen der Markt der Emirate über eine Präsenz auf emiratischem Territorium – meist in Zusammenarbeit mit einem Kooperations- beziehungsweise Vertriebspartner – abgedeckt wird. Gibt es auch „ungeschriebene Gesetze“ in Dubai? Da sowohl die rechtlichen als auch die kulturellen Rahmenbedingungen im Vergleich zu Deutschland sehr unterschiedlich sind, sollte man sich umfassend beraten lassen und sorgfältig vorbereiten, wenn Geschäftstätigkeiten in der Region geplant sind. Insbesondere bei der Auswahl von Geschäftspartnern beziehungsweise so genannten „Sponsoren“ sollte man vorsichtig agieren. Auch bei Verträgen empfiehlt es sich, einen Experten mit Kenntnis der Gepflogenheiten vor Ort einzubeziehen. pi Interview Daniela Calligaro