Berlin. Namhafte Vertreter der Logistikbranche warnen die deutsche Politik vor einem Infarkt der Verkehrsinfrastruktur. In einem Brief des Deutschen Verkehrsforums (DVF) an die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages (der VerkehrsRundschau liegt der Brieftext vor) beklagen Branchengrößen wie Lufthansa-Chef Christoph Franz, Bahn-Chef Rüdiger Grube oder Daimler-Vorstand Andreas Renschler (alle Präsidiumsmitglieder des DVF) den zunehmenden Verfall der Verkehrsinfrastruktur und warnen „nicht wertvolle Standortvorteil zu verspielen“.
Konkret heißt es im Brief: „Die deutsche Verkehrswirtschaft verfolgt mit wachsender Sorge, wie Deutschland sein wertvolles Gut ,Mobilität‘ und sein hoch entwickeltes Verkehrssystem aufs Spiel setzt. Damit läuft unser Land Gefahr, eine der Grundvoraussetzungen für Lebensqualität, Wohlstand, Beschäftigung und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.“
Einhundert Handlungsempfehlungen
Gleichzeitig stellt das Deutsche Verkehrsforum am heutigen Dienstag in Berlin der Öffentlichkeit die „Politischen Handlungsempfehlungen 2013plus“ vor (siehe Download). Die Interessenvertretung verkehrspolitisch interessierter Unternehmen formuliert in dem Papier genau einhundert konkrete Wünsche und Forderungen zu wichtigen verkehrspolitischen Entscheidungsfeldern, die sich teilweise auch in dem Brief an die Verkehrspolitiker wiederfinden.
„Unsere Handlungsempfehlungen sollen Verkehrspolitikern aller Parteien dazu dienen, die Chancen der nächsten Legislatur zu nutzen“, sagte DVF-Präsidiumsvorsitzender Klaus-Peter Müller, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Frankfurter Commerzbank ist. „Wir zeigen auf, welche Reformen nötig sind aber auch welche Maßnahmen abgewendet werden müssen. Das Deutsche Verkehrsforum erwartet politische Unterstützung unserer Branche insbesondere durch mehr Investitionen in Infrastruktur, nachhaltige Förderung neuer Technologien und einen Ordnungsrahmen für fairen Wettbewerb.“
Erdgas weiter fördern
Ein wichtiges Thema in dem 35-seitigen DVF-Papier: der Klima- und Umweltschutz. Hier präsentiert das Deutsche Verkehrsforum eine Reihe von konkreten Vorstellungen. So zum Beispiel die Forderung, die Ermäßigung der Energiesteuer auf Erdgas über das Jahr 2018, in dem sie ausläuft, auszudehnen. „Bei der Einführung von alternativen Antrieben kommt dem Gas eine wichtige Rolle zu“, sagt DVF-Geschäftsführer Thomas Hailer. Deshalb solle der Staat diese Technologien durch ein klares Zeichen langfristig weiter fördern.
Rund fünf Milliarden mehr für den Verkehrshaushalt
Neben Vorschlägen im Bereich Umwelt präsentierte das Deutsche Verkehrsforum aber vor allem klare Vorstellungen zum Thema Ausbau und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Die Kernforderung dabei: Der Verkehrshaushalt des Bundes solle von heute zehn bis elf Milliarden auf 15 Milliarden Euro über Jahre verlässlich erhöht werden. Doch woher der Staat das zusätzliche Geld nehmen soll, schreibt das Deutsche Verkehrsforum nicht.
Frage der Finanzierung bleibt offen
Derzeit stark diskutierte Punkte wie Mautausweitung oder PKW-Maut kommen in den Handlungsempfehlungen nicht vor. „Die Wirtschaft kann dem Bundesfinanzminister nicht vorschreiben, wie er Investitionen finanzieren soll“, formuliert Geschäftsführer Thomas Hailer und ergänzt, dass das Deutsche Verkehrsforum kein Vertrauen in das Instrument der Nutzerfinanzierung habe. Denn in den vergangenen Jahren habe der Bundesfinanzminister durch Maut, Luftverkehrssteuer und Bahndividende rund sechs Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich eingenommen, die aber nicht dem Verkehrsetat zugutegekommen seien. „Der Etat des Verkehrsministers ist nicht um diese Summe gestiegen“, beklagt Hailer. Die Mehreinnahmen der vergangenen Jahre gehörten aber eigentlich dem Verkehr.
Mehr Effizienz und ÖPP
Außerdem verweist das Deutsche Verkehrsforum auf Einsparmöglichkeiten, die zur Finanzierung dienen könnten: „Wenn Infrastrukturprojekte effizienter durchgeführt werden, dann kosten sie auch nicht so viel Geld“, sagt Hailer. Dazu gehöre beispielsweise, Projekte von Anfang bis Ende durchzufinanzieren und sich nicht von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr zu hangeln sowie eine Bundesländer-übergreifende Planung und Realisierung von Ausbauprojekten. „Außerdem können durch Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) zusätzliche Finanzmittel gewonnen und diese schnell und effizient verbaut werden“, sagt Hailer. (ak)
„Politische Handelungsempfehlungen 2013plus“ des Deutschen Verkehrsforums (kostenloser PDF-Download)
Zum Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs der VerkehrsRundschau, Andre Kranke
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