Dortmund. Die Brücken im Fernstraßennetz von Nordrhein-Westfalen (NRW) sind zum Teil marode und überaltert. Einige sind aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage, Schwertransporte aufzunehmen. Das sagte Jörg Reißing, Referent in der Abteilung Straßeninfrastruktur und Straßenverkehr im Verkehrsministerium des Landes NRW, am Dienstag auf dem Branchenforum Stahl in Dortmund. Die Veranstaltung wird gemeinsam ausgerichtet vom Verband Verkehrswirtschaft und Logistik (VVWL) Nordrhein-Westfalen und dem Logistikcluster NRW.
Vor allem Brücken, die vor 1985 errichtet wurden, sind nach Aussage von Reißing sanierungsbedürftig. Damals hat man Brücken nach der so genannten Brückenklasse 60 gebaut, die für weitaus weniger Verkehr geplant wurden, so Reißing. Man sei damals davon ausgegangen, dass die LKW fast ausschließlich auf der rechten Spur unterwegs seien. Heute sei die Belastung jedoch deutlich höher und sei es nicht ungewöhnlich, dass zwei LKW nebeneinander fahren.
50 von 100 nachgerechneten Brücken müssen neu gebaut werden
Als Konsequenz müssen in NRW 375 Brücken im Bundesfernstraßenbereich auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden. „Über 100 sind mittlerweile nachgerechnet worden. Das Ergebnis: Mindestens 50 sind neu zu bauen“, sagte Reißing. Eine kleine Entwarnung konnte Reißing immerhin geben. Denn da derzeit die Brücken untersucht werden, von denen man glaubt, sie sind am stärksten belastet, geht Reißing davon aus, dass „wir uns jetzt auf der Bugwelle befinden“ und zumindest die Zahl der Sperrungen nicht mehr so stark ansteigen werde wie in der Vergangenheit.
Wie stark das Transportgewerbe unter der Sperrung der Autobahnbrücke in Leverkusen gelitten hat, schilderte Stephan Windgätter, Geschäftsführer der Spedition Windgätter und Sohn und Vorsitzender des Fachausschusses Stahl im VVWL. Der VVWL hatte eine Umfrage unter seine Mitgliedern gemacht. Demnach waren 44 Prozent der Unternehmen von der Sperrung der Brücke betroffen. Die damit verbundenen Umwege führten zu einem zusätzlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 39 Minuten.
Trotz der Probleme mit den Brücken forderte Hans-Joachim Welsch als Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Wirtschaftsvereinigung Stahl die Erhöhung der zulässigen Gewichte für LKW von 40 auf 44 Tonnen. Die Argumentation von Welsch, der zugleich Geschäftsführer der SHS Logistics GmbH, eine Tochter der Stahl-Holding-Saar (SHS), ist: So könnten auch zwei Stahlcoils mit jeweils 14 Tonnen Gewicht in einem LKW untergebracht werden, was inklusive des Eigengewichts des Fahrzeugs die 40 Tonnen leicht überschreiten würde. „Mit der Anhebung auf 44 Tonnen könnten in der Stahlindustrie über 100.000 LKW-Fahrten pro Jahr eingespart werden“, sagte Welsch.
Anhebung auf 44 Tonnen politisch nicht durchsetzbar
Hermann Grewer, erster Vorsitzender des VVWL und Ehrenpräsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), machte Welsch hingegen keinerlei Hoffnungen, dass sich diese Forderung durchsetzen lässt. Zwar stehe auch der BGL hinter der Forderung nach einer moderaten Anhebung der Gewichte auf 44 Tonnen. Aber: „Die Erfüllung der Forderung ist aus meiner Sicht in den kommenden Jahren völlig illusorisch“, sagte Grewer. Er begründete dies mit dem schlechten Zustand der Infrastruktur. „Derzeit gelten 30 bis 40 Prozent der Brücken als sanierungsbedürftig. Die müssen zuerst mal saniert werden, bevor wir überhaupt in die Diskussion über eine Gewichtserhöhung mit der Politik einsteigen können.“ Denn eine Erhöhung der Gesamtgewichte auf 44 Tonnen würde zu einer höheren Brückenlast führen. „Das wird derzeit kein Politiker mitmachen“, sagte Grewer. (cd)