Logistik von Offshore-Windparks

Logistik von Offshore-Windparks Warten auf die nächste Welle Die Installation von Windanlagen auf hoher See ist für Hafenlogistiker ein Wachstumsmarkt. Allerdings sind die Eintrittsbarrieren für die Logistik von Offshore-Windparks hoch – und es gibt bereits einen intensiven Wettbewerb. Sauber, sicher, effizient: Die Offshore-Windenergie galt jahrelang als der Star unter den erneuerbaren Energieträgern. Doch hohe Errichtungs- und Anlaufkosten sowie Gefeilsche um die Förderung haben zur Verunsicherung bei Herstellern und Investoren gesorgt. Die Folge: Vor der Bundestagswahl und während der Koalitionsverhandlungen hielten sich die Investoren spürbar zurück – und warteten auf Signale aus Berlin. Die liegen inzwischen vor – und sind zwiespältig. Einerseits kündigte Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien an. Andererseits versprachen CDU und SPD, das sogenannte Stauchungsmodell zur Förderung der Offshore-Windenergie um zwei Jahre bis 2019 zu verlängern. Das Stauchungsmodell ermöglicht es den Betreibern der Windparks, über acht Jahre eine Vergütung von 19 Cent pro Kilowattstunde zu kassieren statt 15 Cent über 12 Jahre. Die höhere Anfangsförderung soll die Finanzierung durch Banken erleichtern. Logistiker enttäuscht von der Politik Auch die Ausbauziele stehen inzwischen fest. 6,5 Gigawatt (GW) soll die Kapazität der Offshore-Windparks im Jahr 2020 betragen, 15 Gigawatt im Jahr 2030 – das entspricht dem Bau von zwei Windparks im Jahr. Zum Vergleich: 2013 haben nach Angaben der Stiftung Offshore in Deutschland 116 Offshore-Windenergieanlagen 520,3 Megawatt Strom geliefert. Sieben Offshore-Windparks mit einer Kapazität von fast 2000 Megawatt befinden sich im Bau. Die im Offshore-Geschäft aktiven Logistiker reagierten überwiegend enttäuscht auf die Ziele der Großen Koalition. „Das ist weniger, als wir alle erwartet haben“, sagt Hans-Peter Zint, Geschäftsführer der Rhenus-Tochter Cuxport GmbH. Ähnlich sieht man es auf der anderen Seite der Elbe. „Das ist kein Rückenwind“, sagt Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, einem Hafen, der kräftig im Bereich Offshore investieren will. Beide räumen allerdings ein, dass die 6,5 GW bis 2020 realistisch seien. Viel mehr Windparks seien mit den derzeitigen Kapazitäten bis 2020 kaum zu schaffen. Dagegen ist das Ziel bis 2030 den Hafenlogistikern zu unambitioniert. Andreas Wellbrock, Vorstandsmitglied der BLG Logistics Group, macht eher die kurzfristige Perspektive Sorgen: „Es fehlt die nächste Welle an Aufträgen. Viele Projekte liegen entscheidungsreif in der Schublade, aber die finale Investitionsentscheidung steht noch aus“, erläutert der BLG-Manager. Die Seehäfen sind der Dreh- und Angelpunkt in der Logistikkette der Offshore-Windanlagen. In ihnen werden Komponenten für die gigantischen Windräder angeliefert, gelagert, konsolidiert und auf Installationsschiffe verladen. „Neben dem Umschlag sind die Häfen wichtige Standorte für die Vormontage“, sagt Bernd Eilitz von Siemens Wind Power, mit mehr als 12.000 installierten Windturbinen einer der weltweit führenden Produzenten. Siemens produziert im dänischen Brande die Hauptkomponenten: Maschinenhäuser und Rotoren. Bevorzugter Hafen ist das dänische Esbjerg. Dort werden beispielsweise die Türme vor dem Verladen aufs Schiff montiert und die Rotornaben an den Maschinenhäusern angebracht. Montageschritte, die sich an Land ausführen lassen, sind generell unproblematischer und kostengünstiger als auf hoher See. Bei so viel Wertschöpfung kein Wunder, dass sich viele Häfen als Offshore-Standorte positionieren. Immerhin 23 deutsche Häfen an Nord- und Ostsee hoffen, am Boom teilzuhaben: neun in Schleswig-Holstein, neun in Niedersachsen, vier in Mecklenburg-Vorpommern sowie Bremerhaven. Kleinere Häfen versuchen sich dabei eher als Servicehäfen, beispielsweise für Wartungsarbeiten, zu etablieren. Die meiste Wertschöpfung schaffen jedoch Installations- beziehungsweise Basishäfen. Die Anforderungen an sie sind allerdings hoch. Die Hafenzufahrt muss breit genug sein für Installationsschiffe (mehr als 42 Meter), auch der Tiefgang für die Schwergutschiffe ist zu berücksichtigen. Der Hafenboden sollte geeignet für den Einsatz von Jackups sein – das sind Stützen, mit denen das Installationsschiff bei der Be- und Entladung stabilisiert wird. Die Verfügbarkeit von Schwerlastkränen ist ebenso Pflicht wie das Vorhandensein eines Schwerlastkais. Cuxhaven und Bremerhaven werben beispielsweise mit einer Tragfähigkeit von 90 Tonnen pro Quadratmeter. Entsprechend ausgelegt müssen auch die Lagerflächen für die Großkomponenten sein und die Verbindung zwischen Flächen und Hafen. Freie Lager- und Industrieflächen sind ebenfalls unerlässlich. Logistikkostenanteil bis zu 25 Prozent Aufgrund der hohen Kosten für Spezial-equipment sind die Logistikkosten für einen Offshore-Windpark enorm hoch. Nach Angaben der BLG Logistics Group beträgt die Gesamtinvestition für einen Offshore-Windpark mit 80 Anlagen 1,6 Milliarden Euro. Daran haben die Logistikkosten einen Anteil von etwa 25 Prozent. Siemens setzt die Kosten für Installation und Logistik deutlich niedriger an – bei etwas mehr als 15 Prozent der Gesamtkosten. Fachleute sind sich einig, dass diese Kosten im Wettbewerb der Energieträger deutlich zu hoch sind. Eine Studie der Prognos AG und der Fichtner Gruppe aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass die Kosten für Strom aus Offshore-Windenergie in den nächsten zehn Jahren um bis zu 40 Prozent gesenkt werden können. Allein die Verbesserung der Installationslogistik durch größere, schnellere Schiffe und die Anpassung der Prozessabläufe in der Installation könnten für eine Einsparung um 3,6 bis 5,0 Prozentpunkte sorgen. Die Verbesserung der Betriebs- und Wartungslogistik beziffert die Studie mit 5,4 bis 7,8 Prozentpunkten. „Standardisieren statt improvisieren“, nennt BLG-Vorstand Andreas Wellbrock ein Mittel zur Kostensenkung. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn die Offshore-Logistik unterscheidet sich fundamental von anderen Branchenlogistiken. Durch die hohen Investitionssummen steht jeder Prozessschritt unter strenger Aufsicht von Supervisors – Ingenieuren, die durch die Investoren oder sogar deren Banken beauftragt werden. Um Risiken zu vermeiden, so Wellbrock, kommen die hohen Sicherheitsstandards der Öl- und Gasindustrie zum Tragen. Um in diesem Umfeld möglichst durchgängige Logistiklösungen anbieten zu können, leistet sich die BLG ein eigenes Engineering, das logistische und technische Verbesserungen liefert – beispielsweise ein verschweißungsfreies Sicherungssystem für Tripoden (bis zu 900 Tonnen schwere Fußstücke für Offshore-Windanlagen) für den Seetransport. Zu den deutschen Häfen mit der größten Erfahrung im Umschlag von Komponenten für Windkraftanlagen zählt Cuxhaven. Die Verantwortlichen erkannten früh die Chancen durch Offshore und investierten entsprechend. Allein die öffentliche Hand steckte 200 Millionen Euro in den Ausbau- und die Infra- und Suprastruktur. Mit der Firma Ambau, die Turmsegmente, Transition Pieces und Monopiles herstellt, sorgt zudem ein ortsansässiges Unternehmen für lokales Ladungsaufkommen. Neues Projekt für Cuxport Das frühzeitige Investment zahlt sich für den Terminalbetreiber Cuxport und Cuxhaven aus, wie Cuxport-Geschäftsführer Hans-Peter Zint belegen kann. Nachdem Cuxhaven bereits als Basishafen für die Windparks Bard Offshore 1 und Meerwind Süd/Ost aktiv war, werden die Anlagen aktuell für das gerade gestartete EON-Projekt Amrumbank West genutzt. Vor zwei Wochen legte das Installationsschiff „MPI Discovery“ erstmals in Cuxhaven an. Von hier soll das Schiff jetzt immer wieder zum Baufeld des Windparks auslaufen, der 37 Kilometer vor Helgoland gelegen ist. Insgesamt 80 Monopiles mit bis zu 670 Tonnen Einzelgewicht und 80 vertikal aufgerichtete Transition Pieces werden von Cuxhaven aus für dieses Projekt verschifft. Wie Zint einräumt, ist jeder Auftrag hart umkämpft – nicht nur zwischen den deutschen Häfen. Neben dem dänischen Es-bjerg mischen auch niederländische und belgische Häfen um jeden Auftrag mit – oft mit Erfolg, da Dänemark führend in der Produktion von Maschinenhäusern und Rotoren ist und sich in nahezu allen Nord- und Ostseeanrainerstaaten Produzenten von Fundamenten etabliert haben. „Angesichts der neuen – deutlich reduzierten – Zielsetzung der Politik müssen wir uns fragen, ob wir in Deutschland für die Offshore-Windenergie noch weitere Hafenkapazitäten schaffen müssen oder bereits ziemlich gut aufgestellt sind“, sagt Zint. Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, hat sich diese Frage auch gestellt – und sich für einen Ausbau entschieden. „Nur wenn man Angebote macht, kommt auch die Nachfrage“, sagt er. Derzeit laufen in dem Elbehafen die Planungen für einen Multipurposeterminal, der sich für den Umschlag von Offshore-Komponenten eignet. Bis 2018 könnte die Anlage fertig sein. Schnabel ist nicht der Meinung, dass die Karten im Offshore-Geschäft bereits verteilt sind. „Asiatische Hersteller wollen Siemens und Repower das Geschäft in der Nordsee nicht allein überlassen und suchen Standorte für Produktion und Umschlag“, sagt Schnabel. ❙❚■ Björn Helmke, Korrespondent in Hamburg Komplexe Logistik bei der Montage So entsteht eine Offshore-Windanlage Die Montage von Windanlagen beginnt mit dem Einrammen der Fundamente durch ein Spezialschiff. Im zweiten Schritt setzt ein Installationsschiff die Transition Pieces (Zwischenstücke) auf die Fundamente – auf sie werden dann die Türme aufgesetzt. Parallel dazu läuft die Parkverkabelung unter Wasser, die jede einzelne Windkraftanlage mit der Umspannplattform verbindet. Wenn die Türme stehen, setzt ein Installationsschiff die Maschinenhäuser auf. Die Rotornaben sind dann bereits an den Maschinenhäusern montiert – diese Vormontage geschieht normalerweise im Hafen. Anschließend werden die bis zu 75 Meter langen Rotorblätter mit der Nabe verbunden. Es gibt jedoch auch Projekte, in denen die Hafenfläche die Vormontage und das Installationsschiff den Transport kompletter Rotoren erlauben. In diesem Fall werden zunächst die Maschinenhäuser auf die Türme gesetzt. Danach hievt der Kran den Rotor an die Gondel. Die Installationsschiffe sind in der Regel sogenannte Jackup-Vessels, die sich mit vier bis sechs ausfahrbaren Stützen auf dem Meeresboden abstützen. So lassen sich die Kranarbeiten unabhängig vom Wellengang vornehmen. Sämtliche Anschlüsse innerhalb der Türme und Maschinenhäuser montieren dann Technikerteams, die an die Windturbinen gebracht werden, wenn das Installationsschiff bereits die nächsten Windturbinen errichtet. hel Interview Komponenten werden immer größer Poul Martin Wael, Leiter Offshore Projekte bei Siemens Wind Power, will die Logistikkosten für Windparks weiter senken. Ist die Logistikkette von der Fabrik bis zum Offshore-Windpark bereits optimiert? Poul Martin Wael: Es wird immer logistische Herausforderungen geben, allein schon durch die Tatsache, dass unsere Komponenten immer größer werden. Unsere Offshore-Windturbinen hatten in den letzten Jahren eine Nennleistung von 3,6 Megawatt, die Rotoren einen Durchmesser von 120 Meter. Derzeit installieren wir 6-Megawatt-Turbinen und Rotorblätter mit 154 Meter Durchmesser. Immer wenn wir etwas Neues entwickeln, erfordert das auch Neuentwicklungen in der Transportbranche. Fahrzeuge, Kräne, Schiffe – alles muss an die größeren Komponenten angepasst werden. Reicht das Straßennetz noch für den Transport solcher Abmessungen von den Fabriken in die Häfen aus? Für die gegenwärtigen Anforderungen – 6-Megawatt Maschinenhäuser mit rund 200 Tonnen Gewicht und 75 Meter langen Rotorblättern – ist der Straßentransport eine gangbare Option. Für die Zukunft ist voraussehbar, dass die Komponenten schlicht und einfach zu groß werden, um sie auf der Straße zu transportieren. Bei den Rotorblättern haben wir mit 75 Metern möglicherweise bereits die Grenzen dessen erreicht, was wir noch über die Straße transportieren können. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Logistikkosten zu senken? Unsere gesamte Branche steckt im Prozess der Industrialisierung. Zusammengefasst kann man sagen, dass leichtere Komponenten, Standardisierung und die Fertigung in größeren Serien mit dazu passenden Logistikkonzepten die Schlüssel zur Kostenreduzierung sind. In diesem Zusammenhang darf die Logistik nicht isoliert betrachtet werden. Eine Studie der Stiftung Windenergie aus dem Sommer 2013 hat ermittelt, dass über einen Zeitraum von zehn Jahren die Kosten der Offshore-Windenergie um rund 40 Prozent auf ungefähr zehn Cent pro Kilostunde gesenkt werden können. Das deckt sich mit den Erkenntnissen von Siemens. Aber dafür bedarf es stabiler Rahmenbedingungen, die dann zu einer stabilen Projektsituation und einer gleichmäßigen Auslastung für die beteiligten Unternehmen führen. Reicht die Hafenkapazität an der Nordsee aus, um die geplante Zahl der Windparks zu realisieren? Es gibt eine ganze Anzahl geeigneter Häfen. Allerdings rechnen wir damit, dass die Nachfrage in naher Zukunft ansteigen wird. Wir haben eine Reihe geeigneter Häfen in ganz Europa identifiziert, mit deren Hilfe wir den kommenden Offshore-Boom in Europa strategisch bewältigen können. Das Konzept unserer neuen 6-Megawatt-Anlage ist es, den Anteil der Arbeit zu reduzieren, die offshore geleistet werden muss. Wir wollen aber auch Arbeit, die bisher in den Häfen geleistet werden muss, in die Fabriken zurückverlagern. Ein einfacheres Design reduziert deshalb die Komplexität der Arbeiten an den Kais. Weniger Arbeiten offshore und in den Häfen bedeutet eine Reduzierung der Kosten. hel 23 deutsche Seehäfen an Nord- und Ostsee bieten Logistik für Offshore-Windanlagen an Trotz des Booms ist bereits die Rede von Überkapazitäten in den Häfen

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