LKW-Wege in die Zukunft

Wenn sich in diesen Tagen die Fachwelt auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover trifft, wird sie sich einen vollständigen Überblick über den gesamten Nutzfahrzeugmarkt verschaffen können. Schwere und leichte LKW, Anhänger und Aufbauten, Teile und Zubehör: Der gesamte Anbieterbereich ist vertreten. Es ist eine Schau des technischen Fortschritts, bei der gezeigt wird, wo Verbesserungen in Effizienz und Sicherheit erzielt wurden, wo und wie Leistung gesteigert und Kosten gesenkt werden können, aber auch wie sich die Branche die Zukunft vorstellt. Es ist damit auch eine Leistungsschau des Straßengüterverkehrs. LKW in erster Linie nur "Melkkuh" Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Straßengüterverkehrs ist und bleibt überragend. Fast 75 Prozent des Transports aller Waren in Europa und 90 Prozent des gesamten Güterwertes werden per LKW durchgeführt, wie bei Eurostat nachzulesen ist. Über sechs Millionen Arbeitsplätze in Europa hängen direkt vom LKW ab, wie die Internationale Straßentransport-Union (IRU) ermittelte. Die breite Öffentlichkeit lehnt den LKW indes ab und Politiker schätzen den LKW in erster Linie nur als "Melkkuh": Durch Kraftstoff- und Kraftfahrzeugsteuer, Maut und andere Straßenbenutzungsgebühren zahlen LKW in Europa jährlich über 100 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen - weit mehr, als für LKW-bezogene Infrastrukturprojekte ausgegeben wird. Ansonsten wird der LKW von vielen Verkehrspolitikern kritischer gesehen, als dies bei anderen, vermeintlich umweltfreundlicheren Verkehrsträgern der Fall ist. Dabei sind die technischen Fortschritte und Effizienzsteigerungen im Nutzfahrzeugbereich enorm. Dank neuer Technologien konnten die Schadstoffemissionen des LKW seit 1990 um bis zu 98 Prozent reduziert werden. Die neuen Euro-6-LKW emittieren nur noch drei Prozent der Schadstoffe, die LKW zu Beginn der Neunziger-Jahre ausgestoßen hatten. Seit 1970 ist der Kraftstoffverbrauch um über ein Drittel gesunken. Entsprechendes gilt für die CO2-Emissionen. Und die Industrie arbeitet an weiteren Reduktionen. Im Nahbereich wird der Anteil von Fahrzeugen mit Gas- und Elektroantrieben stetig ansteigen. Zudem wurde die Fahrzeugsicherheit fortwährend optimiert; immer mehr technische Fahrerunterstützung hält serienmäßig Einzug in den LKW. Trotz - mit 20 Prozent - deutlich gestiegenen LKW-Kilometern ging die Zahl der Verkehrsopfer von LKW-Unfällen seit 2000 um gut 25 Prozent zurück. Berufskraftfahrer werden, anders als andere Verkehrsteilnehmer, kontinuierlich geschult. Und die Entwicklung selbstfahrender LKW ist weit fortgeschritten. Die Politik muss baldmöglichst auch die gesetzlichen Rahmendaten setzen, damit diese "Future Trucks" zum Einsatz kommen. Schlussendlich machen 25 moderne LKW nicht mehr Lärm als einer, der 1980 gebaut wurde. Dies kann kein anderer Landverkehrsträger von sich behaupten. Kooperation statt Konfrontation Binnenschiffsmotoren sind technisch teilweise auf dem Stand von "vorgestern" und emittieren in erheblichem Maße Schadstoffe auf den Binnenwasserstraßen, die teilweise mitten durch die Umweltzonen größerer Städte, etwa entlang der Rheinschiene, führen. Und wer an einer von Güterzügen genutzten Strecke wohnt, weiß, dass der Lärm bei jeder Zugdurchfahrt heute zumeist noch genauso groß ist wie vor 30 Jahren: Nur kommen heute viel mehr Züge als früher. Wer weiteren Verlagerungen der Verkehrsströme von der Straße auf die Schiene das Wort redet, sollte einmal mit den Gleisanwohnern diskutieren. Diese können von den umweltfreundlichen LKW nur träumen. Schließlich, auch das darf nicht verkannt werden, ist auch bei praktisch jedem Eisenbahn- oder Binnenschifftransport der LKW unverzichtbarer Partner für die erste und die letzte Meile. Nutzfahrzeuge verknüpfen das Wirtschaftsleben und sind daher unverzichtbar für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Politik muss dem Rechnung tragen und stärker in Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur investieren, ohne dabei an den Abgabenstellschrauben zu drehen, denn der LKW zahlt seine Wegekosten bereits. Möglichkeiten digitaler Vernetzung und Steuerung müssen dabei ebenso genutzt werden wie neue Fahrzeugkonzepte, etwa der Einsatz von umweltfreundlichen und infrastruktur-entlastenden Lang-LKW. Politiker auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen die überkommenen Vorstellungen einer Verkehrspolitik hinter sich lassen, die Verlagerungen der Güterströme erzwingen will und die Verkehrsträger als Gegner positioniert. Der Verkehrsmarkt setzt längst nicht mehr auf Konfrontation, sondern auf sinnvolle Kooperation und Vernetzung; zur Bewältigung des prognostizierten Güteraufkommens müssen alle Verkehrsträger beitragen. Dabei wird die Flexibilität des LKW immer gefragt sein. Das moderne Nutzfahrzeug weist die Wege in die Zukunft. Gesetzgeber ist gefordert Das "Roboterauto" kommt. Um die neuen technischen Möglichkeiten nutzen zu können, müssen baldmöglichst politische Entscheidungen zum "ob und wie" getroffen werden, etwa zur Schaffung separater Fahrspuren. Selbstfahrende Kraftfahrzeuge benötigen aber auch neue rechtliche Rahmenbedingungen. Hier sind Politik und Gesetzgeber gefordert.