"Insgesamt ist unser Start gelungen"

Herr Lange, vor einem Jahr ist der Bundestag neu gewählt worden und Sie wurden der neue verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Nach 24 Jahren unter meinem Vorgänger Dirk Fischer habe ich mich in diese Funktion gut eingearbeitet. Wir haben einiges auf den Weg gebracht, unter anderem den Umbau der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. Getroffen hat uns allerdings das Wegekostengutachten, denn wir müssen von deutlich geringeren Mauteinnahmen ausgehen. Insgesamt ist unser Start gelungen. Aber die Einnahmeausfälle gleicht doch der Bundesfinanzminister aus, der sich gerade über steigende Steuereinnahmen freuen kann. Wolfgang Schäuble wird die Mindereinnahmen zu einem wesentlichen Teil ausgleichen. Das heißt, die zusätzlichen Einnahmen, die durch die Mautausdehnung auf weitere Bundesstraßen sowie die Absenkung der Mautpflichtgrenze auf 7,5 Tonnen und die Anlastung der Luftverschmutzungskosten erzielt werden, kompensieren nur einen Teil der Mindereinnahmen. Nach vorläufigen Schätzungen fehlen bis 2017 etwa 1,1 Milliarden Euro. 700 Millionen Euro dürfte die Mautausdehnung einspielen, blieben rund 400 Millionen Euro, die durch den Haushalt ausgeglichen werden müssen. Nur so und durch die fünf Zusatzmilliarden aus dem Koalitionsvertrag können wir den Investitionshochlauf auf knapp 12 Milliarden Euro im Jahr 2017 schaffen. Einen geringeren Mittelansatz dürfen wir uns angesichts des Zustands der Verkehrsinfrastruktur nicht leisten. Dem Finanzminister wird der Erhalt der Verkehrsinfrastruktur einiges wert sein. Dauerstreitthema der Unionsparteien ist die PKW-Maut. Der CDU-Finanzminister hat neben dem federführenden CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt eigene Überlegungen angestellt. Die Unterfinanzierung der Infrastruktur ist mehrfach festgestellt worden, zuletzt durch die Bodewig-Kommission, die eine Lücke in Höhe von rund sieben Milliarden Euro jährlich festgestellt hat. Die rechtliche Zulässigkeit der Maut-Eckwerte des Verkehrsministers ist umstritten. Hand aufs Herz: Wann kommt die PKW-Maut auch für deutsche Autofahrer? Das steht nicht auf der Tagesordnung. Im Übrigen hat noch niemand ein Alternativkonzept zu den Eckwerten von Minister Dobrindt vorgelegt. Das sollten die Kritiker einmal bedenken. Jetzt beginnt die Detaildiskussion. Noch in diesem Jahr wird der Gesetzentwurf vorgelegt. Vorher wird der Bundestagsverkehrsausschuss in einer öffentlichen Anhörung über die PKW-Maut beraten. Am 8. Oktober wird sich der Verkehrsausschuss erstmals mit dem Thema befassen. Über Details werden wir uns im Gesetzgebungsverfahren unterhalten. Die verzweifelte Suche nach einem politisch durchsetzbaren und rechtlich zulässigen Mautkonzept zeigt doch, dass die zusätzlichen fünf Milliarden Euro für diese Wahlperiode in keiner Weise ausreichen, um den Erhalt der Infrastruktur zu gewährleisten. Die fünf Milliarden sind grundsätzlich ein Erfolg. Natürlich werden zusätzliche Mittel benötigt. Wenn sich aufgrund von zusätzlichen Steuereinnahmen Spielräume ergeben, sollten sie der Verkehrsinfrastruktur zugutekommen. Die frühere Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat einmal formuliert "Bildung statt Beton", um Forderungen des Verkehrsministeriums abzuwehren. Mit solch einer apodiktischen Aussage kann man sich ja jegliche Diskussion sparen. Ganz klar: Bildung und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur gehören zusammen, um unsere Lebensqualität zu erhalten. Schließlich geht auch die aktuelle Verkehrsprognose von einem steigenden Güterverkehr aus. In Sachen LKW-Maut ist in der Koalitionsvereinbarung ein Fahrplan festgelegt worden, der die Ausdehnung der Abgabe auf Bundesstraßen und eine Einbeziehung der LKW ab 7,5 Tonnen vorsieht. Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht oder wird weiter an der Mautschraube gedreht? Wir haben diesen Fahrplan in Kenntnis des Wegekostengutachtens verabredet. Er gilt bis 2017. Außerdem hat Minister Dobrindt angekündigt, die LKW-Maut ab Mitte 2018 auf alle Bundesstraßen auszuweiten. Wir wissen, dass dies Zeit braucht und nicht über Nacht geht. Was sagen Sie zur Kritik des Güterkraftverkehrsgewerbes an den Mauterhöhungen? Zunächst muss man feststellen: Die Mautsätze werden abgesenkt. Das wurde einhellig begrüßt. Wir sind mit den Verbänden im Gespräch, was die Einzelheiten der Kompensationsmaßnahmen angeht. Natürlich nehmen wir die Kritik ernst und suchen gemeinsam nach Lösungen. Das Konzept der großen Koalition mit einer PKW-Maut bis 3,5 Tonnen sowie einer LKW-Maut für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen lässt eine Mautlücke zwischen beiden Gewichtsgrenzen entstehen. Mit welcher Begründung? Nach derzeitigem Stand ist dies zutreffend. Der Koalitionsvertrag regelt diese Frage nicht. Ein stringenter Umgang mit diesem Problem ist eine Aufgabe für die Zukunft. CDU/CSU- und SPD-Fraktion haben kürzlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine gemeinsame Position zu dem kontrovers diskutierten Thema Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) finden soll. Worum geht es genau? Beide Fraktionen sind sich einig, dass die Verkehrsinfrastruktur unterfinanziert ist. Die Union steht ÖPP-Projekten als weitere Form der Beschaffung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Offensichtlich gibt es unterschiedliche Berechnungsmethoden bezüglich der Effizienz von ÖPP. Der Bundesrechnungshof (BRH) ist der Ansicht, ÖPP-Projekte verursachten in der Regel höhere Kosten als eine staatliche Finanzierung. Das Bundesverkehrsministerium ist gegenteiliger Ansicht. Wir werden uns mit den unterschiedlichen Positionen zu den Fragen der Wirtschaftlichkeit auseinandersetzen. Welche Position vertreten Sie? Man muss die volkswirtschaftliche Bedeutung von ÖPP sehen und fragen, welche Chancen hat ein Projekt, das der Staat kurzfristig nicht finanzieren kann. Wir werden den BRH, das Bundesverkehrsministerium, die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) einladen, um uns ein Bild zu machen. Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine hochrangige Expertengruppe berufen, die unter anderem klären soll, ob eine ÖPP-Finanzierung für Versicherungen interessant sein kann. Ich begrüße diese Initiative, die die Position der Union unterstützt. Damit gewinnt die Diskussion über ÖPP an Fahrt. Wir benötigen höhere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und private Mittel sind ausreichend vorhanden. Einvernehmen zwischen CDU/CSU und SPD auch beim Streitthema Lang-LKW? Wir gehen aufeinander zu, es wird einen Kompromiss geben. Gerade ist der Feldversuch auf 120 zusätzliche Abschnitte und damit auf insgesamt 10.150 Kilometer ausgeweitet worden. Man muss bedenken, zwei Lang-LKW können bei geeigneten Gütern bis zu drei herkömmliche Lastwagen ersetzen. Das spart Sprit und entlastet Straße und Umwelt. Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Der Bundesverkehrsminister hat ein Brückensanierungsprogramm aufgelegt. Reichen die Mittel? Der Zustand der Brücken ist ein sensibles Thema. Etwa 25.000 Brücken im Bereich der Bahn haben ein Durchschnittsalter von 55 Jahren, etwa 1400 Brücken gelten als dringend sanierungsbedürftig. Derzeit verhandelt das Bundesverkehrsministerium mit der Deutschen Bahn über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Da wird es um die verstärkte Brückensanierung gehen. Mit einem Sonderprogramm werden wir bis 2017 rund 400 Millionen Euro zusätzlich in die Sanierung von Straßenbrücken investieren. Noch mal die Frage: Reichen die Mittel? In den vergangenen Jahren wurden die Brückensanierungsmittel kontinuierlich erhöht. Für den Erhalt der Brücken müssen wir wahrscheinlich noch mehr Geld ausgeben. Die DB will im Rahmen der LuFV eine Aufstockung der Mittel über 2,5 Milliarden Euro jährlich erreichen. Derzeit hat das Unternehmen aufgrund von Umschichtungen real 2,75 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Haushaltsplan 2015 ist der Betrag bereits mit 3,05 Milliarden Euro veranschlagt. In der Finanzplanung steigt der Investitionsbetrag um eine Milliarde auf dann 5,2 Milliarden Euro. Stichwort Bundesverkehrswegeplan. Dobrindts Amtsvorgänger Peter Ramsauer hat die Länder stets vor überzogenen Anmeldungen von Verkehrsprojekten gewarnt und argumentiert, der BVWP dürfe nicht länger ein unrealistischer Wunschkatalog sein. Ihr Heimatland Bayern hat diesen Appell offensichtlich überhört. Das sehe ich etwas anders. Nur ein Projekt, das angemeldet wird, wird auch geprüft. Was nicht angemeldet wird, hat hingegen keine Chance. In wirtschaftsstarken Regionen - etwa in Süddeutschland oder im Großraum Hamburg - wird der BVWP von besonderer Bedeutung sein, da sich die Verkehre dort rasch entwickeln. Man denke nur an die Wachstumsprognosen im Güterverkehr. Und ich werde weiter ein Anwalt von Ortsumgehungen bleiben dort, wo viel Schwerlastverkehr unterwegs ist. Der BVWP ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunft der Mobilität in Deutschland. Eine Herausforderung stellt sicherlich auch das Luftverkehrskonzept dar, an dem das Bundesverkehrsministerium arbeitet. Die Diskussionen mit den Ländern müssen wir führen, ganz klar. Mir ist wichtig, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort gestärkt wird, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Nachtflugverbote wären kontraproduktiv. Standorte wie Köln/Bonn, Frankfurt/Main, Leipzig sind wichtig, um nur einige zu nennen. Brauchen wir auch die vielen Mini-Flughäfen wie etwa Zweibrücken, Magdeburg-Cochstedt oder Altenburg-Nobitz in Thüringen, der auf seiner Netzseite einmal um Spenden für den Erhalt des Flughafens gebettelt hat? (lacht) Also Sie werden mir jetzt kein Wort zu einzelnen Standorten entlocken. Die Europäische Kommission achtet darauf, dass diese ungeachtet regionaler Interessen nach einer gewissen Anlaufzeit wirtschaftlich arbeiten müssen. Diese Position teile ich. Aber, die Kompetenzen des Bundes sind beschränkt. Immerhin erhebt der Bund die Luftverkehrsteuer mit jährlichen Einnahmen von cirka einer Milliarde Euro. Wir haben der Branche diese Steuer aufgebürdet. Als Fachpolitiker sehe ich diese Steuer extrem kritisch. Sie gehört abgeschafft, wenn es denn sein muss, auch schrittweise. Zu Beginn unseres Gesprächs haben Sie die WSV-Reform auf der Habenseite Ihrer knapp einjährigen Bilanz erwähnt ... Zu Recht, denn es ist gelungen, dass alle 39 Ämter erhalten bleiben und in 18 neu strukturierten Ämtern aufgehen, die aber mehrere Dienstsitze behalten. Die Ämter betreuen in ihren Reviergebieten die anfallenden Aufgaben mit ihrer regionalen Kompetenz, die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt wird von Bonn aus alle wesentlichen Steuerungsaufgaben zentral wahrnehmen. Für Investitionen in die Wasserstraßen stehen nun 350 Millionen Euro aus den vereinbarten fünf Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Auch deshalb muss kein Personal reduziert werden. Ein klarer Erfolg. Verkehrspolitiker gelten gemeinhin als Pragmatiker, die Meinungsverschiedenheiten intern klären. Wie ist das Klima unter den Verkehrspolitikern der großen Koalition? Ausgesprochen positiv, etwa mit meiner SPD-Kollegin Kirsten Lühmann, aber auch mit dem Ausschussvorsitzenden Martin Burkert, der wie ich aus Bayern stammt. Haben die beiden Bayern schon mal Schafkopf miteinander gespielt? Wir können beide gut spielen, hatten aber noch keine Gelegenheit dazu. Und wie ist Ihr Verhältnis zu den Fachpolitikern der Opposition? Mit der Kollegin Valerie Wilms vom Bündnis 90/Die Grünen tausche ich mich regelmäßig aus. Da gibt es noch die größere Oppositionsfraktion, die Linke ... Die Linkspartei ist für mich kein Gesprächspartner. Vita Ulrich Lange (CSU) Ulrich Lange wurde 1969 in Meran/Südtirol geboren und fand schon bald seine Heimat in Bayern. In Nördlingen machte er das Abitur, dem sich das Jurastudium in Regensburg mit beiden Examina anschloss. Als Fachanwalt für Arbeits- und Familienrecht ab 1996 war Lange längst in der CSU politisch verankert; Stadtrat in Nördlingen, Kreistag Donau-Ries und schließlich ab 2009 Mitglied des Bundestages. Bereits nach einer Wahlperiode wurde der verheiratete Vater von zwei Kindern zum verkehrspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion gewählt. Das ist eher ungewöhnlich, da das Ministerium gleichfalls von der CSU geführt wird. Auf seiner Netzseite heißt es: "Meine Maxime ist ein offener und respektvoller Umgang mit meinen Mitmenschen. Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und die Verbindlichkeit in Wort und Tat sind dabei meine Grundprinzipien für meine Politik, meinen Beruf, mein gesellschaftliches Engagement und mein Leben. Meine tägliche Arbeit ist nur durch die Unterstützung meiner Familie möglich." jök

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