Straßburg. Das EU-Parlament hat sich am Mittwoch auf schärfere Grenzwerte für den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 bei Lastwagen geeinigt, die sie nun mit dem EU-Rat verhandeln will. Die Position der Mehrheit im Plenum, dass die Emissionen bei neuen Lkw um mindestens 35 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2019 sinken sollen, führen in der Politik und bei den betroffenen Automobilherstellern zu sehr unterschiedlichen Reaktionen.
Lob von den Grünen und der SPD
Der grüne Europaabgeordnete Bas Eickhout, der maßgeblich an dem Parlamentskompromiss mitgewirkt hatte, lobte das Ergebnis. „Das Europäische Parlament nimmt die Produzenten von Lastwagen und neuen schweren Nutzfahrzeugen in die Verantwortung für ein sauberes Klima“, erklärte er. „Die Zeiten müssen vorbei sein, als sich die Autobauer zurücklehnen und im Glauben an den Markt Investitionen in Zukunftstechnologie verschlafen konnten.“
Auch von der SPD kam Zustimmung. „Die LKW-Emissionen sind durch den zunehmenden Warenverkehr in den letzten Jahren gestiegen“, erklärte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. „Wir müssen nun die Trendumkehr schaffen.“ Zwar seien die Fahrzeuge in den vergangenen Jahren etwas effizienter geworden. Doch viele bereits vorhandene Technologien zum Spritsparen würden noch nicht eingesetzt. Die geplanten neuen Regeln würden solche Innovationen fördern.
Scharfe Kritik durch Acea und VDA
Alarmiert zeigte sich hingegen der europäische Autoherstellerverband Acea. Das vom Parlament geforderte Zwischenziel einer CO2-Reduzierung um 20 Prozent bis 2025 würde die Hersteller zwingen, Fahrzeuge, die bereits in der Entwicklung seien, jetzt noch mit neuen Techniken auszurüsten, teilte Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert mit. Die kurze Frist passe schlicht nicht zu den langen Entwicklungszyklen bei Lkw.
Auch Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), übte scharfe Kritik: „Die vom Parlament beschlossenen Vorschläge sind technologisch und wirtschaftlich in der anvisierten Zeit nicht umsetzbar“, erklärte er. Die hohen Strafandrohungen von 5000 Euro für jedes überschrittene Gramm CO2 könnten Hersteller sogar in ihrer Existenz bedrohen. Auch seien manche alternative Antriebe bei Lkw nicht sinnvoll einsetzbar. Der VDA hält etwa Batterieantrieb für Fernverkehrs-Lkw mit tonnenschweren Akkus und langen Ladezeiten auf absehbare Zeit nicht für marktfähig.
Hersteller wollen niedrigere CO2-Ziele
Die europäischen Nutzfahrzeughersteller schlagen daher ein CO2-Minderungsziel von 7 Prozent bis 2025 und 16 Prozent bis 2030 vor. Damit würde um 50 Prozent mehr pro Jahr reduziert als bisher. Auch ein solches Ziel wäre daher äußerst anspruchsvoll, aber zumindest realistisch.
Dem Protest schloss sich auch der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke an. Er bezeichnete die Debatte um die CO2-Grenzwerte als „unsachlich und ideologisch“, sie bedrohe Arbeitsplätze und habe nur wenig mit wirklichem Klimaschutz zu tun. „Ein LKW, der 2025 produziert und verkauft wird, ist bereits jetzt in der Entwicklung“, erklärte er. „Ein überambitioniertes Ziel von 20 Prozent überfordert die Ingenieure und wird technisch nicht möglich sein.“
Mittelstandsverband warnt vor Folgen für Betriebe
Mittelstandspräsident Mario Ohoven bezeichneten die geplanten CO2-Grenzwerte für Lkw als „ein Stück aus dem Brüsseler Bürokratenstadel“. „Diese Ziele können nur durch Brennstoffzellen-Lkw, Oberleitungs-Lkw oder batterieelektrische Lkw erreicht werden. Allerdings weiß heute noch niemand, welche alternativen Antriebe sich in welchem Maße durchsetzen werden. Derzeit stehen sie dem Markt nicht zur Verfügung.“
Die Festlegung des künftig erlaubten CO2-Ausstoßes ohne marktreife Alternativen zum Verbrennungsmotor sei nicht nur „unsinnig“, sie bedrohe die wirtschaftliche Existenz vieler mittelständisch geprägter Branchen. „Die Politik sollte vielmehr auf marktwirtschaftliche Preissignale setzen und die Markteinführung alternativer Antriebe durch den Aufbau einer entsprechenden Lade- und Tankinfrastruktur unterstützen“, so Ohoven. (dpa/ag)(dpa/ag)