Wiesbaden. Im juristischen Streit um reine Luft in hessischen Städten hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden einen Gang hochgeschaltet. Es hat dem Umweltministerium von Hessen ein Zwangsgeld von jeweils 10 000 Euro angedroht, wenn es die Luftreinhaltepläne für Wiesbaden und Darmstadt nicht so ändert, dass der seit 2010 geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid so schnell wie möglich eingehalten wird. Gegen die Beschlüsse können noch Rechtsmittel eingelegt werden, wie eine Gerichtssprecherin am Mittwoch in Wiesbaden sagte. Erst wenn die Entscheidung rechtskräftig sei, beginne die Frist, innerhalb der das Ministerium einen nachgebesserten Plan für die Einhaltung der Grenzwerte bei Stickoxiden vorlegen müsse.
Der Zeitraum beläuft sich für Wiesbaden auf neun Monate und für Darmstadt auf zwölf Monate. Das Stickstoffdioxid NO2 wird in den Städten vor allem vom Autoverkehr – besonders von Dieselfahrzeugen – verursacht. Mit dem Beschluss vom Mittwoch gab das Verwaltungsgericht Wiesbaden der Deutschen Umwelthilfe (DUH) recht, das die Zwangsvollstreckungsmaßnahme wegen der Grenzwertüberschreitungen beantragt hatte. Rechtskräftige Urteile liegen laut DUH auch für Limburg und Offenbach vor, für Frankfurt hatte die Organisation Ende vergangenen Jahres Klage eingereicht.
Andere Gerichte könnten ähnlich entscheiden
Die Richter erwarten der DUH zufolge Maßnahmen, die gewährleisten, dass eine vollständige Grenzwerteinhaltung spätestens in zwei bis drei Jahren gewährleistet ist. Die bisherigen Planungen des Ministeriums sahen dies demnach erst weit nach dem Jahr 2020 vor. „Das Gericht leitet einen grundlegenden Wandel in der Verkehrspolitik ein“, erklärte Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertrat. Er geht davon aus, dass andere Gerichte dem Beschluss folgen werden. Vor wenigen Wochen hatte die DUH gegen mehrere für die Luftreinhalteplanung zuständige Bundesländer geklagt.
Betroffen sind die Städte Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Stuttgart. Darüber hinaus hatte die DUH Anträge auf Androhung eines Zwangsgeldes nicht nur in Wiesbaden und Darmstadt, sondern auch in München und Reutlingen gestellt. Auch dort liegen rechtskräftige Urteile vor, die nicht umgesetzt werden. „Die Zwangsvollstreckungsbeschlüsse für München und Reutlingen erwarten wir in Kürze“, sagte Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer am Mittwoch.
Verkehrsbeschränkungen sind unausweichlich
Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) kündigte an, das Land wolle die Luftreinhaltepläne überarbeiten. Ein generelles Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge sei nicht vorstellbar. Gegenüber „Focus Online“ teilte das Umweltdezernat der Stadt Wiesbaden aber mit, dass man beim hessischen Umweltministerium bereits ein Durchfahrverbot für Lkw im gesamten Stadtgebiet beantragt habe. Der innerstädtische Lieferverkehr wäre demnach davon ausgenommen. Allerdings solle mit dem Verbot unterbunden werden, dass schwere Nutzfahrzeuge auf der Durchreise von der Autobahn abfahren, um den Weg über das Stadtgebiet abzukürzen.
„Ob ein solches Fahrverbot dann auch auf Pkw ausgedehnt würde, muss das Ministerium entscheiden“, erklärte das Umweltdezernat gegenüber „Focus Online“. Die DUH kann sich darüber hinaus die Einführung einer Citymaut in Städten mit überhöhten Stickoxidwerten vorstellen sowie eine neue Umweltplakette zur Kennzeichnung von Fahrzeugen mit im Realbetrieb niedrigen Abgaswerten. Diskutiert werden solche Konzepte mancherorts bereits: Baden-Württembergs Umweltminister Winfried Hermann (Grüne) will in Stuttgart etwa bis 2019 eine blaue Umweltplakette für Dieselfahrzeuge einführen, die mindestens die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Wer diese nicht hat, darf nicht in die Innenstadt fahren. (ag/dpa)