Berlin. Eine Initiative des Bundesrates zur besseren Förderung der Seeschifffahrt durch steuerliche Maßnahmen ist von den meisten Sachverständigen begrüßt worden. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag warnten Ökonomen allerdings davor, die Subventionen auszuweiten, deren Volumen nach Angaben von Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Universität Köln von 15 auf 45 Millionen Euro pro Jahr steigen würde.
Lohnsteuer einbehalten
Grundlage der Anhörung war ein Gesetzentwurf des Bundesrates, der die maritime Wirtschaft durch Steuererleichterungen stärken soll. Wie es in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt (18/6679) heißt, bedürfe es zur Sicherung des seemännischen Know-hows für die maritime Wirtschaft in Deutschland verstärkter Anstrengungen. Dazu soll der Lohnsteuereinbehalt von jetzt 40 auf 100 Prozent erhöht werden.
Bisher dürfen Arbeitgeber von Seeleuten auf Schiffen mit deutscher Flagge 40 Prozent der entstandenen Lohnsteuer einbehalten, wenn die Besatzungsmitglieder in einem mehr als 183 Tage dauernden zusammenhängenden Heuerverhältnis stehen. Dies sei zu wenig, um weitere Ausflaggungen zu verhindern, argumentiert der Bundesrat und fordert die Erhöhung auf 100 Prozent. Der Gesetzgeber müsse handeln, um den Wettbewerbsnachteil der deutschen Flagge im Vergleich zu anderen europäischen Flaggen zu reduzieren und die Beschäftigung unter deutscher Flagge zu fördern, argumentieren die Bundesländer.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) begrüßte die Maßnahme als „wichtige Maßnahme zur Sicherung der Beschäftigung einheimischer Seeleute unter der Zukunftsfähigkeit der deutschen Flagge". Unzufrieden zeigte sich der Verband aber mit der 183-Tage-Regelung. Damit sei es nicht möglich, zu planen, ob der Reeder den Lohnsteuereinbehalt tatsächlich bekomme oder nicht. Dies bestätigte Holger Jäde (Berufsbildungsstätte Seeschifffahrt). Die Seeleute seien heute nicht mehr so lange auf den Schiffen. Wenn die 183-Tage-Regelung bleibe, bringe der Gesetzentwurf keine Verbesserung. Die Regelung „passt nicht mehr ins moderne System“.
Auch Peter Geitmann von Verdi begrüßte die bessere Förderung der Seeschifffahrt und sprach sich dafür aus, die 183-Tage-Regelung aufzuheben. Dann würden Einsatzplanungen einfacher werden und bürokratischer Aufwand werde verringert. Er sprach sich dafür aus, dass der Lohnsteuereinbehalt auf Seeleute aus der Europäischen Gemeinschaft beschränkt werde. Für Seeleute aus Drittstaaten solle die Regelung nicht gelten: „Damit werden die erwünschten Kostenvorteile für Seeleute aus der Gemeinschaft gegenüber Drittstaatenseeleuten konterkariert.“
Wem nutzt semännisches Know-how?
Thöme warnte aber vor einer „Rettungsbeihilfe für eine Industrie, die international nicht mehr wettbewerbsfähig ist". Außerdem gebe es keine überprüfbare Definition von seemännischem Know-how und woran man dessen Existenz und Nutzen für die maritime Wirtschaft erkennen und ursachengerecht nachvollziehen könne. Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel erklärte, die vorgeschlagene Regelung möge zwar mit europäischen Richtlinien konform gehen, „doch den Sinn und den Geist des Binnenmarktes verfehlt sie“. Dass die deutsche Seeschifffahrt schwierige Zeiten erlebe, sei nicht von der Hand zu weisen. Doch es sei kaum Aufgabe des Staates, auf die Malaise in einzelnen Branchen zu reagieren, warnte Boysen-Hogrefe. Claus Brandt (PricewaterhouseCoopers AG) sagte dagegen, der Gesetzgeber möchte ein Zeichen setzen, dass das Know-how erhalten und weiter Seeschifffahrt betrieben werde. (ks)