Kosten im Nahverkehr niedrig halten

Am Ende waren die millionenschweren Verbindlichkeiten doch zu hoch. Wohl noch im April wird die Göttinger Spedition Hermann Weber endgültig schließen, ein Investor für den Stückgutspezialisten, der im November 2017 Insolvenz anmeldete, konnte bis Ende März nicht gefunden werden. Die meisten der vormals 40 Mitarbeiter sind bereits entlassen, für den verkehrsgünstig unweit der A 7 gelegenen Standort werden Nachnutzer gesucht. Das 1895 gegründete Unternehmen, das zuletzt der erfahrene Bremer Spediteur Simon Reimer geleitet hatte, sieht sich als Opfer des wachsenden Kosten- und Wettbewerbsdrucks. Mit Stückgutverkehren im Nahbereich können "wegen der immer schwierigeren Rahmenbedingungen" kaum noch auskömmliche Margen erzielt werden, heißt es bei dem langjährigen 24Plus- und ILN-Partner. Warnzeichen für die Branche Weitere Stückgut-Speditionen, die kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen sollen, konnten bislang ein Insolvenzverfahren vermeiden. Trotzdem werten Marktkenner das Aus für das Göttinger Unternehmen als Warnzeichen. Wenn Stückgutspeditionen ihre steigenden Kosten nicht in den Griff bekommen oder mit nicht marktgerechten Preisen arbeiten, könnten sie trotz weiterhin wachsender Sendungsvolumina und Umsätze in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, lauten immer wiederkehrende Warnungen. Die Unternehmen müssten also sowohl Kosteneinsparungen als auch Preiserhöhungen prüfen, rät Peter Baumann, Geschäftsführer der Stückgutkooperation 24Plus. Immerhin: "Das Markumfeld für weitere Preisaufschläge ist unverändert günstig", urteilt Baumann. "Viele Kunden sind bereit, für pünktliche Zustellungen und transparente Services mehr zu zahlen", stellt der Geschäftsführer fest. Vor allem große Speditions- und Logistikunternehmen konnten in den vergangenen Monaten ihre Kunden von unvermeidlichen Preiserhöhungen überzeugen, heißt es im Markt, manche haben sogar bis zu 15 Prozent mehr ausgehandelt. "Allerdings muss für jeden Kunden eine besondere Argumentation entwickelt werden", betont Helmut Treffer, Geschäftsführer Transporte von Andreas Schmid Logistik in Gersthofen. "Mancher Gesprächspartner schlägt von sich aus alternativ auch den Verzicht auf besondere Services vor." Maut -Ausweitung trifft Nahverkehr Trotz der oft erfolgreichen Preiserhöhungen blicken viele Speditionen weiterhin mit Sorgen auf ihre Stückgutverkehre, vor allem auf ihren Nahverkehr. Denn gerade dort sind die Kosten im vergangenen Jahr in vielen Unternehmen und Verbünden um mehr als zehn Prozent gestiegen. Größte Kostentreiber sind die steigenden Treibstoff- und Personalkosten. So schlagen im Nahverkehr bei einer Stückgutsendung die Personalausgaben mit mehr als 50 Prozent und Treibstoffausgaben mit fast elf Prozent zu Buche, urteilt der Kostenindex 2016/7 des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). Außerdem sind in vielen Betrieben die Beschaffungskosten für Europaletten sprunghaft gestiegen - wegen der stark wachsenden Sendungsvolumina sind die standardisierten Ladeeinheiten knapp geworden (siehe auch Seite 38). Auch die Ausgaben für Lkw-Ersatzteile und Werkstätten sind an vielen Standorten in die Höhe geschossen, gerade im Nahverkehr, weil hier der Verschleiß besonders groß sei, heißt es im DSLV-Kostenindex. Und ein Ende des Kostenanstiegs ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, gerade die Personalkosten dürften aufgrund des Fahrermangels weiter in die Höhe schießen, fürchten Stückgutspediteure. Die Fahrernot wird vielerorts inzwischen so groß, dass den Kooperationen die Suche nach erfahrenen Subunternehmern immer schwerer fällt. Mit der Folge, dass so manches Mitgliedsunternehmen von CargoLine und VTL bereits wieder über den Aufbau eines eigenen Fuhrparks nachdenkt oder sogar bereits wieder damit begonnen hat. Das kostet ebenfalls Geld. Gar nicht zu reden von der anstehenden Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen: Wenn am 1. Juli 2018 die Lkw-Maut-Abgabe auf allen Bundesstraßen erhoben wird, dürften sich dadurch vor allem die Kosten für Nahverkehre deutlich erhöhen. Um wie viel Prozent genau, können Spediteure noch nicht beziffern, weil die Höhe der künftigen Mautsätze infolge der langwierigen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl im September 2017 weiterhin nicht feststeht. "Hier ist eine schnelle Entscheidung der Politik überfällig", spricht Treffer der Branche aus der Seele. Stopp-Reihenfolge kann Kosten sparen Da sich die neue Bundesregierung mit diesem Beschluss aber wohl noch Zeit lassen wird, müssen Speditionsbetriebe dem wachsenden Preisdruck zweigleisig begegnen. Sprich: Wer jetzt Preiserhöhungen durchsetzen will, sollte auch Wege zur Kostenreduktion aufzeigen. Das empfiehlt auch Bernhard Rieger, Inhaber von BR Consulting in Röhrmoos bei Dachau. Mit Telematik-gestützter Tourenplanung ließen sich zum Beispiel Lkw besser auslasten, nennt der Logistikberater ein Beispiel. Das ist zwar bekannt, aber offenbar noch immer nicht gelebte Praxis. Zudem rät er Nahverkehrsbetrieben, ihre Fahrzeuggrößen den Touren anzupassen und die Touren mit höheren Stoppzahlen leistungsfähiger zu machen. Auch optimierte Stopp-Reihenfolgen könnten innerhalb einer Tour Kosten sparen helfen. Rieger weiß, wovon er spricht. In Kooperation mit dem Software-Unternehmen Kratzer Automation, Unterschleißheim, hat er ein Konzept entwickelt, dass Tourenplanung und Fuhrpark auf den Prüf-stand stellt. Rund 20 Prozent seiner Kosten kann der jeweilige Transporteur den bisherigen Erfahrungen zufolge sparen, wenn er Wegstrecken, Fahrzeiten, Ladungen und Liefertermine optimiert und gleichzeitig den Lkw-Fuhrpark von überflüssigen Fahrzeugen entlastet oder aber durch besser geeignete ersetzt. Unnötige Kosten wegen Intransparenz Vor allem bei Spediteuren, die für mehrere Kooperationen tätig, sind Rieger und Kratzer fündig geworden. "Die Gebiete der Netzwerke sind selten deckungsgleich", urteilt Rieger. "Als Konsequenz können manche Mitgliedsunternehmen ihre Lkw-Züge auf ihren Verteilerverkehren nicht voll auslasten." Vor wenigen Wochen haben beide Partner ein Projekt für ein nordbayerisches Branchenunternehmen mit rund 170 Mitarbeitern abgeschlossen. Der Dienstleister, der Mitglied in zwei Kooperationen ist, muss demnach für Zustell- und Abholtouren deutlich mehr Fahrzeuge einsetzen als eigentlich notwendig. "Als Folge eines intransparenten Fuhrparkmanagements ist die Disposition diesem Problem bislang nicht auf die Spur gekommen", urteilt Rieger. Abgesehen davon haben er und Kratzer die Erfahrung gemacht, dass in vielen Fuhrparks bis zu 30 Prozent der Lkw zu geringe Gewichtsklassen oder das falsche Equipment haben. Mit größeren Fahrzeugen, die mehr Ladungen aufnehmen und zusätzliche Stopps einlegen können, sinken die Kosten fast immer. Diese Entwicklung beobachtet Baumann auch bei den 24plus-Partnern. "Der Trend geht klar zu Fahrzeugen mit einem höheren Gesamtgewicht ab 7,5 Tonnen", sagt der Geschäftsführer von 24Plus. Da infolge der drohenden Fahrverbote der Kommunen derzeit fast ausschließlich Euro 5-und Euro 6-Lkws nachgefragt werden, können die Unternehmen allenfalls mit spritsparenden Modellen Kosten reduzieren. Bei der Fahrzeugbeschaffung selbst scheinen nennenswerte Preisreduzierungen bis zu zehn Prozent allenfalls möglich, wenn Kooperationen den Einkauf ihrer Mitgliedsunternehmen bündeln. Mit einer solchen Aktion ist zuletzt die Ladungskooperation Elvis im vergangenen Jahr aufgefallen. Bei der Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten sind einzelne Speditionen auch in der Disposition fündig geworden (siehe Kasten Seite 24). Mit Software-Tools kann diese weitgehend automatisiert werden und mit weniger Mitarbeitern auskommen. Allerdings ist noch unklar, wie viele Kosten solche Lösungen tatsächlich reduzieren können. Fest steht nur: Für die Akquisition von Frachtführern und Fahrern muss fast jede Spedition in diesem Jahr ganz sicher höhere Etats einplanen. Und nach dem witterungsbedingt flauen Februar- und März-Geschäft stellen sich viele Unternehmen auf saisonale Spitzen im Frühjahr ein, was die Preise weiter in die Höhe treiben dürfte. Kostentreiber Endkunden-Zustellung Weitere Zusatzkosten verursachen die wachsenden B2C-Verkehre, die Zustellung an Endkunden. Denn unterm Strich müssen für diese immer kleinere Sendungen auf immer mehr Stopps ausgeliefert werden. Und diese Entwicklung macht vor allem den Nahverkehr teurer. Gar nicht zu reden von den Zusatzkosten, die entstehen, weil viele Endkunden bei der Erstzustellung nicht zu Hause sind und deshalb mehrmals angefahren werden müssen. Um 20 bis 25 Prozent sind aus diesem Grund, den Berechnungen der IDS-Stückgutkooperation zufolge, Zustellungen an Endkunden teurer als klassische B2B-Transporte. "Die Zusteller müssen längere Anfahrtswege kalkulieren, weil Endkunden nicht dicht beieinander in einem Gewerbegebiet leben", begründet dies IDS-Geschäftsführer Michael Bargl. "Außerdem haben viele Kunden nur eine Sendung geordert, was einen deutlich höheren Avisierungsaufwand verursacht." Die Kooperation will seit Kurzem mit besonderen Vergütungen für die Saisonspitzen und für Endkundenverkehre dem weiterhin kontinuierlich wachsenden Laderaummangel entgegenwirken. Ob dies aber wirklich hilft, bleibt abzuwarten. "Das vorhandene Marktpotenzial kann nicht beliebig gesteigert werden", schließt Peter Baumann von 24plus damit auch ein baldiges Abklingen des gegenwärtigen Mengenbooms nicht aus. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Gustke fährt mit selbst ausgebildeten Fahrern am besten Wer im Nahverkehr Kosten sparen will, sollte im Moment nicht beim Personal den Rotstift ansetzen. Denn qualifizierte Lkw-Fahrer und Frachtführer sind rar und haben eine gute Verhandlungsposition. Unternehmer Stephan Gustke wählt deshalb einen anderen Weg."Ich setze im Nahverkehr am liebsten Fahrer ein, die in unserem Unternehmen ausgebildet worden sind", sagt der Geschäftsführer der Spedition Heinrich Gustke in Rostock. Gegenwärtig beschäftigt er 13 angehende Berufskraftfahrer, die später alle ausschließlich im Nahverkehr fahren werden."Mit der Zusage eines geregelten Feierabends konnte ich die Jugendlichen für diesen Beruf begeistern", betont Gustke.An der hauseigenen Akademie werden die Nachwuchsfahrer nicht nur im Umgang mit Lenkrad und Fahrzeugtechnik eingewiesen. Auch Logistikthemen und betriebliches Gesundheitsmanagement stehen auf dem Stundenplan. Die angehenden Fahrer können außerdem den Gabelstaplerführerschein machen.An besonders engagierte Auszubildende vergibt das Speditionsunternehmen zuweilen Gutscheine für ein Fitness-Studio. Das motiviert nicht nur die Mitarbeiter, sondern hält sie auch fit und gesund. bot Praxislösung Automatisierte Disposition senkt bei Quehenberger die Kosten Mit moderner IT können für viele Prozesse Kosten reduziert werden, auch in der Disposition. Die österreichische Spedition Augustin Quehenberger Group führt deshalb derzeit in ihren Niederlassungen das neue Tool LBase ein, das die Innsbrucker IT-Firma InfPro entwickelt hat und das innerösterreichische Stückguttouren automatisch disponiert. Die Software teilt jede Ladung einem Lkw abhängig von Fahrzeugtyp, Destination und Zustellrestriktionen zu, der Disponent muss die vorgeschlagene Lösung lediglich auf Plausibilität prüfen und gegebenenfalls optimieren.Von einer "einschneidenden Erfahrung für jeden Mitarbeiter" spricht Produktmanager Thomas Kogler."Viele Disponenten sind bislang immer ihren Erfahrungen gefolgt."Jetzt müssen sie mit der Software den Anforderungen der Kunden noch stärker als bisher Rechnung tragen." Allerdings erfasst LBase nicht jede Information. Wenn Wetter, Staus, Straßenbauarbeiten oder auch Wünsche des Fahrers veränderte Entladesequenzen erfordern, greift der Disponent weiter ein.Über die bislang erzielten Kosteneinsparungen schweigen sich die Österreicher aus. LBase ist jedoch ihre zweite Dispositionssoftware. Für Teil- und Komplettladungen setzt Quehenberger die Lösung Translogica ein. Die ebenfalls von InfPro entwickelte teilautomatische Software bildet Ladungen sowie freie Fahrzeuge auf Karten ab und zeigt Fahrtkosten, Leerkilometer und andere Parameter an, der Disponent entscheidet dann, welcher Fahrer beziehungsweise welches Fahrzeug dann den Zuschlag erhält. bot

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