Kooperation trifft Kartellrecht

Angesichts der Corona-Krise können derzeit Kooperationen mit Wettbewerbern für manche Unternehmen notwendig sein, um wirtschaftliche Schwierigkeiten zu überwinden. Das Bundeskartellamt macht darum für gemeinsame Aktionen unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich begrenzte Ausnahmen. Sein Präsident Andreas Mundt warnt allerdings vor Missbrauch. Im "Handelsblatt" erklärte er kürzlich: "Das Kartellrecht ist hinreichend flexibel, und wenn es gute Gründe für eine notwendige Zusammenarbeit zwischen Unternehmen gibt, dann unterstützen wir diese auch". Doch wenn Unternehmen jetzt die Notlage ausnutzen würden, zum Beispiel durch Preisabsprachen zulasten der Kunden oder indem sie ihre Marktmacht missbrauchen, würden die obersten deutschen Wettbewerbshüter das konsequent verfolgen. Bei Kartellverstößen drohen hohe Strafen (siehe Kasten). Seit Ausbruch der Epidemie hat das Bundeskartellamt laut Mundt viele Gespräche mit Unternehmen und Verbänden aus allen Branchen geführt, die Anfragen zu möglichen Kooperationen gestellt hätten. Es gehe dabei nicht nur um Zusammenarbeit in der Produktion, sondern auch bei der Lagerhaltung und Umverteilung zwischen Unternehmen, um Lieferengpässe zu vermeiden oder zu beseitigen, so das "Handelsblatt". Für den Güterverkehr gibt es schon gemeinsame Initiativen und Plattformen der Wirtschaft für besseres Kapazitätsmanagement. Während es in der Corona-Krise mitunter an Laderaum und Fahrern mangelt, stehen woanders die Lkw still, weil Aufträge fehlen. Hier wollen "gemeinsam-handeln.ehi.de" und "logistikhilft.de" vermitteln. Eine von der Politik gesteuerte Möglichkeit zum Austausch von Informationen und zur Vernetzung zwischen Unternehmen hat Bayerns Verkehrsministerium mit der Internetseite verkehr-corona.bayern.de geschaffen. Kartellrechtler gehen davon aus, dass Kooperationen dieser Art erlaubt sind, weil es inhaltlich nicht um sensible Daten geht. EU-Verfahren gibt rasch Rechtssicherheit Nicht nur bundesweit steigt der Bedarf nach Zusammenarbeit, sondern in ganz Europa. Die EU-Kommission hat deshalb vor Kurzem befristete Regeln für die mögliche Zusammenarbeit von Wettbewerbern in der Corona-Krise veröffentlicht. Sie unterstützt die Unternehmen mit schriftlichen Bescheinigungen, sogenannten Comfort Letters, zur Freistellung konkreter Kooperationsvorhaben - vor allem in Fällen, in denen noch Unklarheit besteht, ob eine solche Initiative mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Trotz des flexiblen Verfahrens für schnelle Rechtssicherheit rät die Brüsseler Behörde, die Kommunikation mit Wettbewerbern gut zu dokumentieren. Auch Transport- und Logistikunternehmen, die wichtige Dienstleistungen erbringen und zur Sicherstellung der Lieferketten kooperieren müssen, können sich auf diese EU-Leitlinien stützen. Solche gemeinschaftlichen Maßnahmen seien allerdings nur dann erlaubt, sagt Christian Ritz, Kartellrechtler bei der Kanzlei Hogan Lovells, wenn sie befristet und auf das Notwendigste beschränkt seien. "Unternehmen werden sehr genau darauf achten müssen, dass sie nicht darüber hinausschießen, was mit den Behörden abgestimmt war", mahnt Ritz. Er empfiehlt, die Vorhaben von Experten kartellrechtlich prüfen und begleiten zu lassen. Der Rechtsexperte erwartet trotz Flexibilität der Behörden, dass es spätestens nach der Pandemie zu Kartelluntersuchungen kommen wird und Kartellverstöße im Verlauf der Corona-Krise zunehmen werden. Sehr häufig geht es um Preisabsprachen Klassische Verstöße in der Transport- und Logistikbranche sind Preis- oder auch Quotenabsprachen, berichtet Christoph Peter, Geschäftsführer der Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft. Das Bundeskartellamt beschäftigt sich laut dem Fachmann intensiv mit den Auswirkungen von Algorithmen auf den Wettbewerb - vor allem bei der Preissetzung. "Setzen Unternehmen zum Beispiel über digitale Plattformen dieselbe Software ein, können sie zum gleichen Transportpreis gelangen wie ihr Wettbewerber, ohne dass sie miteinander sprechen müssen. Trotzdem ist das ein Kartellverstoß." Wettbewerbswidriges Verhalten sei zudem denkbar, wenn sich Güterverkehrsunternehmen in Absprache nicht an bestimmte Auflagen halten, die der Gesetzgeber macht. Etwa bei der Kabotage oder den Lenk- und Ruhezeiten. "Wenn sie sich abstimmen, in welcher Form sie dies preislich bei Kunden umlegen wollen, wird es aus kartellrechtlicher Sicht problematisch", sagt Peter. Er rät zu Compliance-Schulungen von Mitarbeitern sowie zur Einrichtung interner Warn- und Kontrollsysteme, um Strafen vorzubeugen. Schließlich müssten die Unternehmen selbst beurteilen, ob sie aktuell noch kartellrechtskonform agieren. "Sie tragen damit das Risiko einer Fehleinschätzung." Mehr zum Thema unter #Wirtschaftsrecht www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Güterverkehrsunternehmen dürfen grundsätzlich zusammenarbeiten, wenn es einen guten Grund dafür gibt und sie damit nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Wegen der Coronakrise gelten nun Ausnahme-Regelungen, die Kooperationen schneller und flexibler ermöglichen sollen. Dennoch ist Vorsicht geboten. Konsequenzen von Kartellrechtsverstößen Bestätigt sich der Anfangsverdacht auf einen Kartellverstoß im Laufe der Ermittlungen, kann ein Bußgeldbescheid erlassen werden. Die Geldbuße gegen die verantwortlichen Personen beträgt bis zu einer Million Euro. Die Unternehmen können mit bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes belangt werden. Die konkrete Höhe des Bußgeldes ist abhängig von der Schwere und der Dauer der Ordnungswidrigkeit. Dabei spielt auch der Anteil des Umsatzes eine Rolle, der Gegenstand des Kartells war. Zwar werden zur Ahndung der Tat und zur Abschreckung empfindliche Geldbußen verhängt, es wird jedoch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigt. Durch Kartellbußen wird also kein Unternehmen in die Insolvenz getrieben.Hinzu kommen Reputationsschäden für die Täter, die in der Folge von Ausschreibungen ausgeschlossen werden könnten, sowie teure Schadenersatzklagen der Geschädigten inklusive langjähriger Verfahren. ag

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