Konkurrenz aus Polen bleibt aus

Konkurrenz aus Polen bleibt aus Polnische Transporteure sind über den Fall des Kabotageverbots in Deutschland kaum informiert. Die Wirtschaftskrise steht zu sehr im Mittelpunkt und es gibt offenbar kaum eine ernst zu nehmende Konkurrenz für deutsche Transporteure. Seit Langem haben die deutschen Transportunternehmer ein ungutes Gefühl, wenn sie an den 1. Mai denken – fällt an diesem Tag doch das absolute Kabotageverbot für die osteuropäischen Mitbewerber etwa aus Polen, der Tschechischen Republik oder Ungarn. Als ob die Wirtschaftskrise, die hohen Spritpreise und die miese Stimmung am Markt den Unternehmern nicht schon genug auf den Magen schlagen würden. Nun sollen zusätzliche Konkurrenten nach Deutschland kommen, die mit preisgünstigen Angeboten die einheimischen Transporteure noch mehr unter Druck setzen. Doch die Deutschen können sich entspannen. Zumindest aus Polen droht kaum eine Gefahr: Ein Großteil der polnischen Kollegen zeigte sich auf Anfrage der VerkehrsRundschau gar nicht oder kaum informiert, dass sie in knapp zwei Monaten in Deutschland zusätzliche Auftragsmöglichkeiten haben. Es waren nur Einzelstimmen innerhalb der Branche zu hören, die sich gezielt auf die neue Kabotagefreiheit vorbereiten. In Polen überschattet derzeit die Wirtschaftskrise alle anderen Themen – kämpft doch gerade die Straßengüterverkehrsbranche ums nackte Überleben. Zusätzlich dürften schlichtweg Sprachprobleme zwischen Deutschland und seinem östlichen Nachbarn dafür gesorgt haben, dass diese Nachricht nicht so richtig bei den Kollegen an der Weichsel ankam. Und so einfach ist die entsprechende Vorschrift des Bundesamtes für Güterverkehr ja auch nicht zu lesen – selbst für Einheimische. Eine Einzelstimme, die zu hören war, stammte von der Pekaes-Gruppe: „Selbstverständlich werden wir die neuen Möglichkeiten nutzen, die durch den Wegfall der Kabotage entstehen“, erklärt die Sprecherin Katarzyna Nowakowska. Der Dienstleister ist mit einem jährlichen Umsatz von rund 400 Millionen Złoty (100 Millionen Euro) einer der größten Unternehmen in Polen. Mit einer Prognose, inwieweit sich das Ende des absoluten Kabotageverbotes auf ihr eigenes Geschäft auswirken wird, tat sich die Managerin schwer: „Wir wissen nicht, wie der Markt sich entwickelt“, sagt Nowakowska – eine Vorsicht, die derzeit bei allen Marktteilnehmen zu spüren ist. Inländer werden weiter bevorzugt Grundsätzlich dürften ihrer Meinung nach die einheimischen Unternehmen auch nach dem Wegfall des Verbotes weiterhin bevorzugt die Aufträge erhalten, doch gebe es auch zunehmend ausländische Kunden, die verstärkt nach dem geringsten Preis Ausschau hielten. „Das zeigt, dass viele die EU doch als einen gemeinsamen Markt betrachten.“ Und sie weist darauf hin, dass dieses Geschäft sowieso eher ein Mauerblümchen-Dasein fristet: „In den Ländern der EU, in denen die Kabotage bereits erlaubt ist, beträgt ihr Anteil am Gesamttransport derzeit nicht mehr als drei Prozent.“ Ähnlich wie Pekaes sitzt Apreo Logistics in den Startlöchern. Dabei präsentierte sich der Vorstandsvorsitzende Arkadiusz Glinka mit durchaus breiter Brust: „Wir haben Deutschland ständig beobachtet“, sagte der Manager. Sein Unternehmen, das 2008 einen jährlichen Erlös von 72 Millionen Złoty (18 Millionen Euro) erreicht hat, will im Jahr 2010 die Grenze von 100 Millionen Złoty (25 Millionen Euro) überschreiten – trotz der Krise. „Wir werden Ende April oder Anfang Mai beim westlichen Nachbarn eine Niederlassung gründen“, sagt Glinka. „Wenn das Verbot fällt, werden wir in der Lage sein, effektiv mit deutschen Firmen zu konkurrieren – und zwar nicht nur in preislicher Hinsicht, sondern auch mit der Qualität der Dienstleistungen.“ Er geht davon aus, dass mit dem Ende des Kabotageverbots auch die Anzahl der Aufträge steigt. Natürlich werde die europaweite Rezession diesen Anstieg verringern, doch könne die Krise nicht ewig dauern. „Und in dem Moment, wenn sie endet, wollen wir eine starke und stabilisierte Position am deutschen Markt haben.“ Dass Deutsche im Gegenzug nun verstärkt beim östlichen Nachbarn fahren könnten, stellt für die Polen hingegen kein Problem dar: „Wir fürchten die Konkurrenz aus Deutschland nicht“, sagt Glinka. Eine preisliche Rivalität werde es für die Polen noch lange nicht geben. Ähnlich schätzt Ziuta Miozga vom Transportunternehmen SCAN aus Szczecin (Stettin) die Lage ein. Die Managerin glaubt nicht, dass es eine allzu große Expansion deutscher Unternehmen in Richtung Polen geben wird. Es gebe keinen Grund, die Deutschen zu fürchten. „Die – gelinde gesagt – grässliche polnische Infrastruktur wird sich hier zum ersten Mal als unser Vorteil erweisen“, sagt die Managerin. Auf diesem schwierigen Terrain werde doch wohl kein Deutscher fahren wollen. ❙❚■ Sebastian Becker, Korrespondent in Polen Immer mehr polnische LKW sind auf deutschen Autobahnen unterwegs In Polen gibt es etwa 23.000 Transportunternehmen, die internationale Transporte fahren. Davon überwiegen die Kleinen, die maximal über zehn Fahrzeuge verfügen. Sie stellen rund zwei Drittel der Unternehmen. Nach Tonnenkilometern dominiert die LKW-Branche im Land den Güterverkehr: Hier decken die LKW-Unternehmen etwas weniger als 80 Prozent des gesamten Transportvolumens ab und stellen damit die Bahn oder andere Transportmittel klar in den Schatten. In Polen steht die gesamte Branche wie in anderen Ländern auch im laufenden Jahr auf dem Prüfstand: Steigende Treibstoffpreise, der starke Zloty und die fehlende Unterstützung durch die polnische Regierung um den liberalen Premier Donald Tusk dürften viele der Unternehmer in den Ruin treiben, befürchten einheimische Experten. Möglicherweise muss mehr als ein Fünftel der Firmen Insolvenz anmelden. Es sieht auch nicht danach aus, dass die Regierung sich besonders um die Transportunternehmer kümmert. Denn auch anderen Berufsgruppen wie den Ärzten oder den Bergleuten geht es schlecht. bec Kleine Unternehmen dominieren Zwei Drittel der polnischen Transportunternehmen haben maximal zehn LKW im Fuhrpark. Die Branche fürchtet eine große Pleitewelle – ein Fünftel der Frachtführer steht vor dem wirtschaftlichen Aus. Marktüberblick Kabotagefreiheit sorgt für geringere Kosten Der Vorsitzende der polnischen Speditionsvereinigung PISIL, Marek Tarczyński, erklärt im Interview, ob die Polen mit mehr Aufträgen durch den Wegfall der Kabotage rechnen. Wie bereiten sich polnische Transport-unternehmer auf den Fall des Kabotageverbots vor? Marek Tarczyński: Viele Transporteure blicken zwar skeptisch auf den Mai, wenn die so genannte kleine Kabotage verschwindet – und zwar besonders jetzt in Zeiten der Krise, wo doch gerade der Protektionismus zurückkehrt. Die Unternehmer sind aber trotzdem darauf vorbereitet. Sie verfügen über einen guten Fuhrpark, der in den vergangenen Jahren erneuert worden ist. Und sie haben nach dem EU-Beitritt Polens viel Erfahrung und Selbstbewusstsein gewonnen. Viele haben ihre Fremdsprachenkenntnisse vertieft. Eine Erweiterung der internationalen Transportdienstleistungen dürfte ein natürlicher Vorgang sein. Gehen Sie davon aus, dass sich die Anzahl der Aufträge erhöht? Die Kabotage bietet nicht nur die Möglichkeit, die Transportleistung durch den Gewinn neuer Aufträge zu erhöhen, sondern auch die Effektivität des Fuhrparks. Kabotagefahrten können das Ungleichgewicht zwischen den Export- und Import-Ladeströmen verringern. Dies dürfte die Zahl der Leerfahrten beträchtlich reduzieren. Befürchten Sie, dass auch die deutschen Firmen verstärkt in Polen fahren? Die Marktöffnung findet in beide Richtungen statt und man kann mit einem Anstieg der Aktivitäten der deutschen Transporteure auf dem polnischen Markt rechnen. Dennoch dürften die Polen sich mehr in Deutschland engagieren als andersherum – so war es in der Vergangenheit in der Praxis immer und so wird es auch jetzt sein. Der Wegfall des Kabotageverbots wird aber die Aktivität der deutschen Speditionen vergrößern, die bereits über zahlreiche Niederlassungen in Polen verfügen. Dadurch könnte sich das Kapitalengagement deutscher Unternehmen in der Straßentransportbranche in Polen verstärken. Welche gesamtwirtschaftliche Bedeutung hat für Sie der Wegfall der Kabotage? Jetzt kommt zum freien Transfer von Kapital und Waren endlich die Dienstleistungsfreiheit hinzu. Das Verbot der Kabotage war eine ungerechtfertigte protektionistische Entscheidung, die die Entwicklung der Wirtschaft eingeengt hat. Das Ende des Kabotageverbots dürfte die Transporttätigkeit verbessern und letztlich zu einer Kostensenkung führen – mit anderen Worten: Es wird die Abläufe des Transportsystems optimieren. Wirtschaftliche Effekte zu erhöhen, ist ein besseres Mittel zur Bewältigung der Wirtschaftskrise als nationale Rettungsprogramme. bec Interview Marek Tarczyński

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