Kein fairer Wettbewerb

Wie sehr beeinträchtigt der die letzten Jahre zu beobachtende Rückgang der Verkehrsleistung in der Binnenschifffahrt die Entwicklung in den Binnenhäfen? Davon sind die Binnenhäfen natürlich betroffen. Aber ich möchte auch auf die Gründe hinweisen: Die gesellschaftlich gewollte Energiewende hat dazu geführt, dass die Kohletransporte, wo die Binnenschifffahrt traditionell stark ist, sukzessive weggefallen sind. Wir in Bayern haben dieses Thema fast schon hinter uns, aber in anderen Regionen steht dieser Wandel noch bevor und betrifft die dort ansässigen Häfen. Das ist tonnagemäßig kaum aufzufangen. Aber ich halte die Beurteilung mit der Tonnage als alleinigen Maßstab auch für nicht angemessen. Wieso nicht? Weil in Binnenhäfen auch viele schwere und großvolumige Güter wie zum Beispiel Trafos umgeschlagen werden. Bei denen stehen die Wertschöpfung und die Wertigkeit der Güter im Vordergrund, ohne dass sich das in der Tonnage niederschlägt. Das heißt, die Binnenhäfen verzeichnen Wachstum? Ja, zum einen qualitativ. Zum anderen ist bei trimodalen Binnenhäfen die Binnenschifffahrt nur ein Standbein. Das andere Standbein, die Bahn, läuft bei vielen Mitgliedsunternehmen sehr gut. Die Kombinierten Verkehre nehmen zu. Die Treiber in den Binnenhäfen sind also eher die Bahnverkehre? In den letzten Jahren schon. Dort haben viele Binnenhäfen das größte Wachstum verzeichnet. Aber der Lkw kommt auch nicht zu kurz. Natürlich nicht. Ohne den Lkw geht's nicht. Im Vor- und Nachlauf wird man ihn immer brauchen. Es geht darum, Langstreckenverkehre von der Straße auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn zu verlagern. Inwiefern macht den Binnenhäfen die fehlende Pünktlichkeit zu schaffen, sowohl auf dem Wasser wie auch auf der Schiene? Es ist schon fast unser täglich Brot, das, was auf der Strecke verloren wird, durch gute Leistungen im Terminal zumindest teilweise zu kompensieren. Das führt immer wieder zu Problemen, wobei die bei der Bahn deutlich größer sind. Damit sind wir nicht zufrieden. Das gerade beschlossene Klimagesetz und damit auch das Ziel, den Güterverkehr CO2-ärmer abzuwickeln: Spielt das den Häfen auf Dauer nicht in die Karten? Das sollte man meinen. Der Ansatz, Verkehre zu verlagern, spricht dafür. Die Verkehrsverlagerung braucht aber auch effiziente Genehmigungsprozesse. Man hätte in das Klimagesetz auch aufnehmen sollen, den Infrastrukturausbau zu beschleunigen. Die langen Genehmigungs-, Planungszeiten verhindern größere Fortschritte bei der Verkehrsverlagerung. Eine Verlagerung von Langstreckenverkehren mit einer verstärkten Nutzung von Bahn und Binnenschiff kann nur mit einer leistungsfähigen Verknüpfungsinfrastruktur gelingen. Genau diese Verknüpfungsfunktion stellen Binnenhäfen sicher. Würden Sie die Wettbewerbsbedingungen zwischen den drei Verkehrsträgern als "fair" bezeichnen? Nein, definitiv nicht. Was wir im Moment erleben, ist eine massive Kannibalisierung der Binnenschifffahrt durch die Eisenbahn. Da wird die Trassenpreisreduzierung vielfach nicht dazu genutzt, Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sondern Güter von der Wasserstraße auf die Schiene zu holen. Wenn wir dann neue Trassen für Intermodalverkehre benötigen, dann haben wir die nicht, weil Erz- und Kohlezüge die Gleise blockieren. Was wir brauchen ist eine ganzheitliche, faire Arbeitsteilung der Verkehrsträger und mehr Kombination und Kooperation. In den Standorten von Bayernhafen, deren Geschäftsführer Sie sind, gibt es bereits einige Umschlagterminals. Sind die Kapazitäten ausreichend? Bei einigen sind die Kapazitätsgrenzen erreicht, deshalb erweitern wir massiv. Für Regensburg haben wir den Förderbescheid zum Ausbau der Containerterminals vorliegen. Im Frühjahr 2020 werden wir mit dem Bau beginnen und Ende 2021 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Das bedeutet dann nahezu eine Verdoppelung der Kapazität. In Nürnberg erfolgt ebenfalls eine Erhöhung der Kapazität. Wir wollen aber auch im kontinentalen Verkehr mehr Angebote machen, also beim Transport von Wechselbrücken und Trailern. So bietet Hellmann seit einigen Wochen einen Intermodalzug zwischen Regensburg und Osnabrück an. Möglich gemacht haben wir das durch eine kurzfristige Anpassung der Infrastruktur im Hafen Regensburg. Das muss der Fokus sein, auch ein Angebot für Wechselbrücken und Auflieger anzubieten, um so eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene hinzubekommen. Immer wieder ist aus Binnenhäfen zu hören, dass Flächen fehlen. Ist das zutreffend? Das ist weitestgehend zutreffend. Das liegt häufig daran, dass es die meisten Häfen schon seit Jahrzehnten gibt und sie dann an ihre Grenzen stoßen. Andererseits ist das Geschäftsmodell der meisten Binnenhäfen, die Flächen zeitlich befristet auszuschreiben, sodass immer wieder die Möglichkeit besteht, neue Unternehmen anzusiedeln. Im Hafen Köln gab es zuletzt massive Probleme bei der Ausweitung der Aktivitäten, auch, um den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Ist das ein Problem nur in Köln? Nein, keineswegs. Das ist auch Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Zerrissenheit: Wir alle wollen konsumieren und verreisen, aber die Konsequenzen daraus - mehr Verkehrsanlagen und mehr Transporte - die wollen wir nicht. Diese Debatte kennt fast jeder Binnenhafen in Deutschland. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Binnenhäfen www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Auch wenn die Binnenschifffahrt schwächelt: In den Binnenhäfen geht es aufwärts. Das haben sie auch ihrer Trimodalität zu verdanken. Schwierigkeiten bereiten vielen Binnenhäfen allerdings die fehlende Flächenverfügbarkeit und die Akzeptanz in der Bevölkerung. Da hilft ihnen auch wenig die Nähe zur Kommune oder zum Land, in dessen Besitz sich die meisten Binnenhäfen befinden. Vita Joachim Zimmermann Seit September 2018 ist Joachim Zimmermann der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB). Er trat die Nachfolge von Rainer Schäfer (Neuss Düsseldorfer Häfen) an. Hauptberuflich ist Zimmermann Geschäftsführer von Bayernhafen, einem Beteiligungsunternehmen des Freistaates Bayern. Diese Position bekleidet der 52-jährige Betriebswirt bereits seit 2005.

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