Interview: "Kaufmännisch wird Amazon keinen Spaß haben"

Wie wird sich der Markt beim Lebensmittel-E-Commerce durch den Eintritt von Amazon verändern? Amazon wird enorm viel Geld verbrennen und dennoch den Markt verändern. Die Branche ist allein durch die Absicht Amazons, sich hier zu engagieren, alarmiert. Das wird dazu führen, dass Konzepte, die bei Rewe oder Edeka bereits existieren oder in der Erprobung sind, schneller umgesetzt werden. Es wird im Ergebnis vor allem intelligentere logistische Systeme geben, die sich in der gesamten Branche etablieren werden. Langfristig werden sich jedoch die traditionellen deutschen Lebensmittelunternehmen behaupten. Bisher spielt der Onlineeinkauf bei Lebensmitteln ja nur eine sehr geringe Rolle. Wie viel Musik steckt in dem Thema wirklich? Der Online-Lebensmittelkauf spielt in Deutschland vor allem deshalb bisher kaum eine Rolle, weil wie in keiner anderen Branche die preispolitischen Spielräume extrem ausgereizt sind. Der klassische Wettbewerbsvorteil des Onlinehandels, über den Preis gegen den stationären Händler zu punkten, wird damit nur unter Inkaufnahme massiver Ergebniseinbußen zu realisieren sein. Das scheint Amazon aber nicht zu stören. Kaufmännisch wird Amazon an diesen harten Markteintrittsbarrieren keinen Spaß haben. Dies gilt insbesondere für Markenartikel. Gelingen kann dies deshalb auch bei Amazon nur über Eigenmarken. Allerdings fehlt Amazon hier einfach die Lebensmittelkompetenz. Also ein Vorteil für etablierte Lebensmitteleinzelhändler wie Rewe, Kaufland, Edeka, Aldi und Lidl? Gerade in einem sensiblen Bereich wie Lebensmittel spielt Kompetenz und Vertrauen in den Augen des Verbrauchers eine entscheidende Rolle. Hier hat Amazon noch immensen Rückstand. Hinzu kommt ein flächendeckendes Filialnetz der großen deutschen Handelsunternehmen, das in Logistikkonzepten insbesondere bei frischen Lebensmitteln eine wichtige Rolle spielt. Auch die steigende Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln kommt eher den traditionellen Lebensmittelhändlern entgegen. Zudem ist der deutsche Lebensmittelmarkt von besonderer Prägung. Konzepte, die etwa in Großbritannien oder in den USA funktionieren, lassen sich nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Das hat bereits Walmart vor zehn Jahren schmerzhaft zu spüren bekommen.