Ist die Zeit jetzt reif?

Jetzt dreht sich das Thema", erklärt der Daimler-Trucks-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Bernhard und meint damit die Elektromobilität im schweren Lkw. Zahlreiche Kunden würden anfragen und mit dem E-Truck auf Antos-Basis macht Daimler einen konkreten Vorschlag, wie ein schwerer Elektro-Lkw auszusehen hat - allerdings für den Verteilerverkehr, wo 200 Kilometer Reichweite genügen. Das ist schon mal der erste Knackpunkt. Die Reichweite holt man aus drei mittig in den Rahmen eingehängten Batteriepaketen, die den damit gleich aussteifen und den Schwerpunkt nach unten bringen. Die aus den Stadtbussen übernommene 11,5-Tonnen-Niederflurportalachse wurde für den Einsatz im Lkw modifiziert, um wenigstens 200 Millimeter Bodenfreiheit zu haben. Diese, die Akkus und die Steuertechnik samt Temperierung der Batterien wiegen aber immer noch 1,7 Tonnen mehr als die sonst verbaute Dieseltechnik. Was im Verteilerverkehr aber nicht so ins Gewicht fällt - aber trotzdem noch viel ist. Die Akkupreise bleiben der Pferdefuß Und zuletzt sind da noch die Preise für die Akkus, die immer noch so hoch sind, dass selbst Bernhard einräumen muss, dass es auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, einen Elektro-Lkw günstiger als sein Diesel-Äquivalent zu produzieren. Immerhin hat man mit dem Großserienpaket, das sich zahlreicher bewährter Baugruppen bedient, schon mal einige Probleme des Kleinserien-Lkw E-Force (siehe auch Seite 20) beseitigt. Den Serienanlauf schiebt Daimler aber vorsichtshalber auf den "Anfang des nächsten Jahrzehnts", in der Hoffnung, bis dahin noch günstigere und leistungsfähigere Akkus zu haben, die auch das Gewicht noch nach unten drücken. Alle Technologien bleiben im Rennen Natürlich plant Mercedes-Benz bis dahin auch Praxisversuche analog zu Meyer, die weitere Aufschlüsse über den täglichen Bedarf geben sollen. Und wie sieht es mit Erdgas oder der Brennstoffzelle aus? Hat man laut den Vorentwicklern Martin Zeilinger und Maik Ziegler ebenfalls auf dem Plan: Erdgas für den Econic und die Brennstoffzelle als Alternative im Fernverkehrs-Lkw. Denn dort bräuchte man laut Zeilinger nach aktuellem Stand noch 15 Tonnen schwere Akkus, um mit bis zu 40 Tonnen eine halbwegs sinnvolle Reichweite zu erzielen. Viel weiter ist Daimler beim Fuso Canter E-Cell (siehe auch Kasten), von dem bereits mehrere Praxisvorführer existieren und die sich im Alltag zur Zufriedenheit der Nutzer schlagen. Doch auch hier hadern viele Anwender noch mit den Reichweiten und vor allem dem Preis. Immerhin werden die Batterien leistungsfähiger und günstiger. Den aktuellen Stand wird Daimler auf der IAA mit einem neuen E-Canter zeigen, der bereits dritten Ausbaustufe des Stromers. Darüber hinaus denkt Daimler auch darüber nach, den Fuso Fighter im 10- bis 25-Tonnen-Segment zu elektrifizieren, in dem Fall natürlich in engem Schulterschluss mit dem europäischen Urban-E-Truck. Zusätzlich angeheizt wird das Interesse an der Elektrifizierung durch die Ankündigung diverser Start-ups und nicht zuletzt von Tesla, ebenfalls bald Elektro-Lkw zu produzieren. Ein Logistiker brachte es kürzlich sehr treffend auf den Punkt: "Es ist keine Frage, ob die Elektromobilität in Zukunft auch im Lkw eine Rolle spielen wird. Die Frage ist, wann diese Zukunft beginnt!" Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Messe IAA www.verkehrsrundschau.de/dossiers Erste Praxiserfahrungen mit dem Canter E-Cell Der Canter E-Cell bei Hermes im Praxiseinsatz: erste Ergebnisse Hermes setzt den Canter E-Cell im Raum Stuttgart ein und hat damit laut Dirk Rahn, der bei Hermes das operative Geschäft leitet, folgende Erfahrungen gemacht.- Auch in der anspruchsvollen Topografie um Stuttgart, bei der schnell mal 300 bis 350 Höhenmeter überwunden werden müssen, funktioniert der Canter E-Cell- Die Reichweite fällt mit rund 100 Kilometern zu niedrig aus - besser wären 130 bis 150 Kilometer- Hermes wünscht sich weitere Varianten und elektrifizierte 3,5-Tonner- Unabdingbar: eine flächendeckende Ladeinfrastruktur- Die variablen Kosten sind deutlich günstiger als beim Diesel, die Anschaffungs- und die Fixkosten liegen viel zu hoch gs