Stuttgart. Nach der Präsentation des elektrifizierten 26-Tonners und des Fuso Canter E-Cell, der bei Hermes im Praxisversuch läuft, haben die Daimler-Techniker Matin Zeilinger und Maik Ziegler und Hermes-Geschäftsführer Operations, Dirk Rahn, am Mittwoch in Stuttgart zu Details und Hintergründen geäußert.
Die technische Ausgangsposition des Mercedes-Benz Urban eTruck bildet ein schwerer dreiachsiger Verteiler-Lkw von Mercedes-Benz. Darüber hinaus haben die Entwickler von Daimler Trucks das Antriebskonzept neu erdacht: An die Stelle des konventionellen Antriebsstrangs tritt eine elektrisch angetriebene Hinterachse mit Elektromotoren unmittelbar neben den Radnaben. Die neue Achse wurde abgeleitet aus der E-Achse des Mercedes-Benz Citaro Hybrid Busses. Die Energieversorgung sichert ein Batteriepaket aus drei Modulen von Lithium-Ionen-Batterien. Daraus resultiert eine Reichweite von bis zu 200 Kilometer – ausreichend für eine typische Tagestour im Verteilerverkehr.
Der Mercedes-Benz Urban eTruck soll bis Anfang des kommenden Jahrzehnts in Serie gehen und danach im städtischen Verteilerverkehr lokal emissionsfrei fahren können. Dagegen präsentiert Fuso bereits die dritte Generation des rein elektrisch angetriebenen Canter auf der IAA Nutzfahrzeuge 2016 in Hannover. Der neueste Fuso Canter ist deutlich verbessert. Auch wenn der leichte Lkw laut Dirk Rahn „alle Erwartungen erfüllt“ und in den variablen Kosten vor allem wegen der Strompreise deutlich günstiger liegt als die dieselbetriebenen Äquivalente, hat er eine kleine Wunschliste.
Da wäre erstens eine höhere Reichweite von mindestens 130 bis 150 Kilometer, um bei der Tourenplanung noch unabhängiger zu sein. Weiter erleichtern würde diese auch eine großzügigere Ladeinfrastruktur, um die Fahrzeuge in Pausen oder beim Abladen zwischenladen zu können. Zudem wünscht sich Rahn weitere Varianten und 3,5-Tonnen-Verteilerfahrzeuge mit Elektroantrieb. Last but not least müssten die Anschaffungskosten dramatisch sinken, um die Gesamtkosten der elektrisch betriebenen Fahrzeuge künftig zu senken. Dabei wird Daimler die Zellen immer zukaufen. Doch das Batteriepaket, dessen Steuerung und Einbindung ins Gesamtsystem samt dem Antriebsstrang betrachtet Daimler-Techniker Matin Zeilinger als Kernkompetenz.
Batterien werden immer günstiger
Das ist auch der Grund, warum Daimler mit der Serienproduktion den schweren E-Lkw noch bis ins nächste Jahrzehnt warten möchte. Zeilinger erwartet, dass bis dahin die Batteriekosten massiv sinken, während die Leistungsfähigkeit der Zellen weiter steigen sollte. Auch mit der Nutzlast sind die Daimler-Techniker noch nicht zufrieden, da man beim aktuellen Modell noch 1,7 Tonnen über dem Diesel-Antriebsstrang liegt. Durch das höhere erlaubte Gesamtgewicht wird eine Tonne bei Zero-Emission-Fahrzeugen ausgeglichen. Geändert wurde auch die 11,5-Tonnen-Niederflur-Portalachse des Typs ZF-AVE 130 mit Radnabenelektromotoren, die umkonstruiert wurde, um 200 Millimeter mehr Bodenfreiheit zu schaffen.
Auch über die Zukunft des Batterieladens macht man sich noch Gedanken. So sei es laut Zeilinger bei höheren Laderaten von bis zu 150 Kilowatt durchaus möglich, einen Lkw binnen einer Stunde komplett zu laden. Alternativ könnten über Nacht aber auch sieben Autos mit gut 20 Kilowatt versorgt werden. Unumgänglich werde leider auch das Vorkonditionieren des Fahrzeuges sein, solange es am Netz hängt: Sprich Vorkühlen von Koffer und Kabine, respektive im Winter das Heizen der beiden. Und die Kosten? Hier macht sich Zeilinger trotz sinkender Akkupreise keine Illusion: „Die Batterie wird auch mittelfristig der wesentliche Kostentreiber der Elektrofahrzeuge sein.“ (gs/ag)