Die EU Good Distribution Practice (GDP) liegt nun endlich für die Pharmalogistik vor. Ist mit der neuen Guideline der große Wurf geworden?
Ziel der neuen Richtlinie ist es , die Qualität und Integrität von pharmazeutischen Produkten entlang der kompletten Wertschöpfungskette vom Hersteller über den Großhändler bis hin zum Kunden aufrecht zu erhalten. Das begrüße ich sehr. An manchen Stellen hätte ich mir klarere Statements gewünscht. Dazu zählen auch Aussagen über die Transporttemperatur. Nach der deutschen Übersetzung hat sich „die Transporttemperatur von Arzneimitteln während des gesamten Transports nach den Vorgaben des Herstellers auf der äußeren Umhüllung zu richten“. Die Frage ist, was unter äußerer Umhüllung verstehen ist. Ist das die Transport-Umverpackung, die Verkaufsverpackungen- oder die einzelne Medikamenten-Faltschachtel? Das englische Original ist da klarer. Hier hat sich die einzuhaltende Transporttemperatur nach den Vorgaben des Herstellers oder den Angaben auf der äußeren Verpackung („outer packaging“) zu richten. Die deutsche Übersetzung ist nicht nur an dieser Stelle fehlerhaft.
Welche Neuerung tut Transporteuren nun am meisten weh?
Für den Transport von Arzneimitteln sind künftig ausschließlich Fahrzeuge einzusetzen, die zuvor pharmagerecht qualifiziert wurden. Dies schließt eine Temperaturverteilungsstudie der Ladefläche bei extremen Sommer- wie Winterbedingungen ein. Damit wird der dokumentarische Nachweis erbracht, dass die Kühlleistung zum Beispiel in der Lage ist, eine angemessene Temperierung der Ladefläche zu erbringen, egal wie draußen die Temperaturen sind.
Welche Neuerungen stehen zudem für Pharma-Transporteure und -Spediteure an?
Diese Firmen müssen für ihr Unternehmen nun eine „verantwortliche Person“ benennen, die über eine pharmazeutische Vorbildung verfügen sollte. Außerdem werden pharmazeutische Auftraggeber nach Systemen fragen, die das Einhalten der Transporttemperatur belegen können, etwa über Telematiksysteme oder Datenlogger. Darüber hinaus kommen auf die Unternehmen wichtige Neuerungen in punkto Qualifizierung ihrer innerbetrieblichen Prozesse zu, um Risiken auszuschalten. Außerdem müssen alle Personen geschult werden, die GDP-relevante Tätigkeiten ausüben. Auslieferungsfahrer sind zwar in der GDP nicht explizit erwähnt, sie sind aber ganz klar Teil dieser Kette.
Wie lange haben die Unternehmen jetzt mit der Umsetzung Zeit?
Nach der Veröffentlichung der GDP gilt eine sechsmonatige Übergangsfrist. Die Unternehmen müssen das neue Regelwerk also bis 8. August 2013 umsetzen.
Der GDP-Entwurf lag ja seit drei Jahren vor. Wie gerüstet sind Transport- und Logistikdienstleister für die neuen Pflichten?
Es gibt einige wenige Unternehmen, die bestens darauf präpariert sind. Bei vielen anderen sehe ich, gerade was die notwendige Qualifizierung ihrer Kühl-LKW angeht, viel Nachbesserungsbedarf. Ein Unternehmer muss seinen Pharmakunden ja nun gegenüber nachweisen und dokumentieren können, ob seine Fahrzeuge unter bestimmten Bedingungen die erforderlichen Temperaturen einhalten können. Das steht für viele nun an – natürlich verbunden mit Investitionen
Die neue GDP spricht immer von „should“ und nicht von „must“. Wie verpflichtend ist das neue Regelwerk für Transporteure?
„Should“ ist die höfliche Form für „must“. In Vertragstexten steht deswegen „should“. Es ist eine Guideline auf der europäischen Ebene, es ist kein Gesetz. In der Arzneimittel-Handelsvertriebsverordnung– da war Deutschland schneller als die GDP – steht allerdings, dass die Qualitätsmanagement-Grundsätze und Verfahren der EU einzuhalten sind. Soweit zu den Rahmenbedingungen. Entscheidend sind aber die Auftraggeber von Transport- und Logistikfirmen. Sie sind seit Jahren gesetzlich zu hohen Qualitätsstandards und -prozessen verpflichtet. Entsprechend werden sie diese GDP-Anforderungen nun an ihre Transport- und Logistikdienstleister durchreichen. Wenn sich ein Dienstleister nicht für die neue GDP rüstet, bekommt er keine Aufträge mehr. So einfach ist das.
Aber gewinnt letztlich nicht der Transporteur den Auftrag, der die niedrigsten Preise bietet und sicherlich nicht die neue GDP umsetzt?
In der Pharmabranche hat die Patientensicherheit oberste Priorität. Entsprechend sensibel achten Pharmaunternehmen auf Qualität – auch beim Transport ihrer Arzneimittel. Preise und Konditionen sind wichtig. Aber die Kosten bei einem Temperaturschaden wiegen viel schwerer.
Das Interview führte VR-Redakteurin Eva Hassa
Die neue GDP ist auch Thema auf der VerkehrsRundschau Fachkonferenz "Perspektiven in der Pharmalogistik" am 16. April in Düsseldorf. Hier gibt es weitere Informationen dazu.