Hannover. Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) will nach einer Reihe schwerer Unfälle auf der A 2 mit Lastwagen die Höhe der Lkw-Maut auch von der Sicherheit der Fahrzeuge abhängig machen. Wer einen hohen Standard erfülle, zahle eine geringere Gebühr, lautet sein Vorschlag. Das soll dazu führen, dass mehr Assistenzsysteme zum Einsatz kommen. Welcher Gedanke hinter dieser Idee steckt und was Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) davon hält, erklärt er im Interview.
VerkehrsRundschau: Warum wollen Sie, dass der Bund die Mauthöhe von Lkw-Sicherheit abhängig macht?
Lies: Wir erleben immer wieder schwere Unfälle mit Lkw-Beteiligung, bei denen Menschen ums Leben kommen. Zwar sind Verkehrsunfälle, die durch Lkw verursacht werden, in der Gesamtbetrachtung die Ausnahme. Aber das Ausmaß ist oft dramatisch. Deshalb arbeiten wir in Niedersachsen mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen daran, die Situation in den Griff zu bekommen.
Zum Beispiel?
Indem wir vermehrt auf Staus hinweisen oder vor Beginn einer Baustelle ein Tempolimit von 60 Stundenkilometern für Lkw einführen, damit es weniger schwere Auffahrunfälle gibt. Das genügt aber nicht. Um die Straßen sicherer zu machen, müssen alle Lkw mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sein. Um derart ausgerüstete Fahrzeuge schneller in den Markt zu bringen, benötigen wir Anreize. Halter von Lkw, die einen hohen Sicherheitsstandard erfüllen, sollen deshalb eine geringere Maut zahlen.
Welche Assistenzsysteme meinen Sie?
Abstandswarner, Notbremssystem und Spurhalteassistent. Seit November vergangenen Jahres sind die letzteren beiden Systeme für Neufahrzeuge vorgeschrieben, nicht jedoch für den weit größeren Teil der Bestands-Lkw. Außerdem fordere ich, dass diese technischen Hilfsmittel nicht dauerhaft deaktivierbar sein dürfen. Sie müssen sich nach einer bestimmten Zeit wieder von selbst anschalten.
Wo sehen Sie derzeit Umrüstbedarf?
Für mich steht außer Frage, dass unsere Transporteure und Spediteure ihre Fuhrparks regelmäßig erneuern. Es geht darum, vor allem die Fuhrunternehmer aus anderen EU-Ländern in die Pflicht zu nehmen, den Sicherheitsstandard ihrer Fahrzeuge zu erhöhen. Durch die Lkw-Maut-Reform können wir auch ausländische Verkehrsteilnehmer dazu motivieren, auf neuere Fahrzeuge mit den genannten Assistenzsystemen umzusteigen.
Wie stellen Sie sich das Lkw-Maut-System der Zukunft vor?
Die Höhe der Mautgebühr pro Kilometer ist bislang gestaffelt nach der Anzahl der Achsen des Fahrzeugs und nach der Emissionskategorie des Lkw. Ich stelle mir eine Kombination aus diesen Einflussfaktoren und dem Sicherheitsaspekt vor. Über die genaue Ausgestaltung muss sich das Bundesverkehrsministerium zu gegebener Zeit Gedanken machen. Für die Fuhrunternehmen würde dies jedenfalls bedeuten, dass die Mehrkosten für die Umstellung von denen getragen werden, die ohne die neuesten Fahrerassistenzsysteme in Deutschland unterwegs sind.
Wie geht es weiter, nachdem Sie Ihren Vorschlag in Berlin eingereicht haben?
Der Bundesverkehrsminister hat mir gesagt, dass er prüfen lässt, inwiefern man den Lkw-Herstellern eine Abschaltfunktion bei den Fahrerassistenzsystemen gesetzlich verbieten kann. Skeptisch sieht er allerdings noch eine Reform der Lkw-Maut auf Basis der Sicherheitsstandards der Fahrzeuge.
Um dieses Thema voranzutreiben, möchte ich über die Verkehrsminister der Bundesländer im Bundesrat weiter Druck machen. Dazu muss ich meine Ressort-Kollegen von der Idee überzeugen. Wichtig wird auch sein, die deutsche Güterverkehrsbranche auf diesem Weg mitzunehmen. Wie gesagt, richtet sich der Vorschlag nicht gegen unsere Spediteure und Transporteure. Am Ende müssen auch sie ein Interesse daran haben, dass weniger ihrer Fahrer verunglücken und die Lkw-Schäden abnehmen.
Wann könnte die Reform Realität werden?
Das wird einige Zeit dauern. Mit allen Debatten, die noch zu führen sind, kann dieses neue System nur mittelfristig greifen. (ag)