Die Luftfrachtbranche bangt, dass es ab 25. März 2013 aufgrund der höheren Sicherheits-Anforderungen zu langen Wartezeiten auf Flughäfen kommt. Ist die Sorge berechtigt?
Artur Zerr: Ausschließen kann ich dieses Szenario nicht. Aber das LBA wird alles dafür tun, damit wir dieses Szenario vermeiden. Wir haben zu diesem Thema im Februar 2012 rund 40.000 Unternehmen angeschrieben. Auf Basis der Angaben dieser Unternehmen gehen wir davon aus, dass sich mindestens 3.500 Firmen zum Bekannten Versender zertifizieren lassen. Wie viele darüber hinaus einen Antrag stellen werden, wissen wir nicht. Außerdem kennen wir weder die gesamte Luftfracht-Tonnage noch die Höhe der Tonnage jedes einzelnen Versenders ab März 2013. Mir ist nicht bekannt, ob eine andere Institution über diese Zahlen verfügt. Eine Prognose zu etwaigen Wartezeiten ist deshalb derzeit nicht möglich.
Wie viele Unternehmen sind schon als „Bekannter Versender“ zertifiziert und von wie vielen liegt dem LBA der Antrag vor?
370 Unternehmungen sind bereits als Bekannte Versender zugelassen; weitere 152 Anträge befinden sich im konkreten Zulassungsverfahren und in 156 weiteren Fällen bedarf es noch der Nachbesserung der eingereichten Antragsunterlagen durch die antragstellenden Unternehmen. Insgesamt liegen dem LBA derzeit 4.105 Interessenbekundungen/Anträge vor. Das LBA kann diese Anträge jedoch nur bearbeiten, wenn sie vollständig, d. h. mit einem Sicherheitsprogramm und den weiteren vorgeschriebenen Unterlagen eingereicht werden. Vorher kann das LBA nicht mit dem Zulassungsverfahren, insbesondere mit der Vor-Ort-Prüfung, beginnen. Insofern liegt es in der Hand der antragstellenden Unternehmen dem LBA die notwendigen Unterlagen einzureichen und die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zu schaffen.
Angesichts einer Gesamtzahl von 65.000 Unternehmen, die regelmäßig Luftfracht versenden, sind das erschreckend niedrige Zahlen. Was tut das LBA, damit die Anträge in diesem Jahr schneller bearbeitet werden? Wird Ihre Bundesbehörde personell aufstocken oder Anträge schneller durchwinken?
Jedes Unternehmen, dass bei uns frühzeitig einen prüffähigen Antrag auf Zulassung einreicht, kann mit einer fristgerechten abschließenden Bearbeitung und Zulassung rechnen. Das LBA hat für die personelle Aufstockung der Abteilung Luftsicherheit weitere 125 Dienstposten vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zugesprochen bekommen. Diese zusätzlichen personellen Ressourcen sind insbesondere auch für den Bereich der Zulassung der Bekannten Versender vorgesehen. Der Personalbestand im Referat Bekannte Versender wird kontinuierlich aufgestockt. Die Zulassungsverfahren für Bekannte Versender richten sich in erster Linie nach rechtlichen Vorgaben der EU, so dass ein „schnelleres Durchwinken von Anträgen“ weder aus diesen Gründen noch aufgrund der beim LBA vorherrschenden Qualitätsstandards bei Zulassungsverfahren im Rahmen der sicheren Lieferkette möglich ist.
Für welche Art von Unternehmen ist der Bekannte Versender eigentlich ein Muss und für welche ein Kann? Was ist zum Beispiel mit Firmen, die nur ab und zu Luftfrachtsendungen haben, sollten sich diese auch zertifizieren lassen?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Diese Frage muss jedes Unternehmen für sich selbst klären und beantworten. Am einfachsten geht dies Mittels eines Kostenvergleichs, indem man die Kosten des Zulassungsverfahrens den zusätzlichen Kosten gegenüber stellt, die bei Kontrollen der eigenen Luftfracht durch einen Reglementierten Beauftragten anfallen würden. Neben diesem monetären Aspekt spielt aber vor allem die Art der Luftfracht eine Rolle. So lassen sich bestimmte Produkte gar nicht röntgen, zum Beispiel aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Größe. Hier ist die Zertifizierung ein absolutes Muss. Weniger dringlich ist diese, wenn ein Unternehmen sein Produkte „unfrei“ versendet. Dann zahlt der Empfänger die Frachtkosten und damit auch die Luftfracht-Kontrollgebühren. Aber auch in den zuletzt genannten Fällen spielen weitere Aspekte, wie Kundenservice, etc., eine Rolle.
Mit welchem Zeit- und Kosten-Aufwand muss ein Unternehmen rechnen, wenn es die Zulassung zum Bekannten Versender anstrebt?
Der finanzielle Aufwand kann nicht genau beziffert werden, da er von vielen Faktoren abhängt. Die Gebühren, die das LBA nach Inkrafttreten der Gebührenverordnung im Rahmen des Zulassungsverfahrens erheben wird, dürften zwischen 5.000 und 15.000 Euro liegen. Weitere Kosten können für die Mitarbeiterschulung, etwaige Beratungskosten sowie Ausgaben für die Umstellung von innerbetrieblichen Prozessen anfallen. Die Erfahrungswerte des LBA für die Zulassung einer Betriebsstätte eines Unternehmens belaufen sich auf durchschnittlich fünf bis sechs Monate.
Gibt es aus Sicht des LBA einen idealen Zeitpunkt seinen Zertifizierungs-Antrag zu stellen? Wo kann man ganz sicher sein, dass dieser Antrag schnell bearbeitet wird?
Eine schnelle Bearbeitung eines Antrages auf Zulassung zum Bekannten Versender ist in den Fällen möglich, in denen die beim LBA eingereichten Unterlagen vollständig und damit prüffähig eingereicht werden. Der Antrag auf Zulassung sollte in jedem Fall so bald wie möglich gestellt werden; eine zeitgerechte Bearbeitung und Zulassung zum Bekannten Versender wird umso unsicherer je näher die Antragstellung in die Nähe des 25. März 2013 rückt; der „ideale“ Zeitpunkt ist also alsbald.
Was sind aus Ihrer Erfahrung typische Anträge im Zulassungsverfahren, über die sich die Antragssteller und das LBA immer uneins waren? Sprich: Was sind klassische Graubereiche?
Das LBA ist stets bemüht, die Antragsteller beim Zulassungsverfahren umfassend zu beraten und zu unterstützen. Dabei hat das LBA die Belange sowie die unternehmerische Prozessabläufe im Auge. Daher sind die Zulassungsverfahren bisher weitestgehend reibungslos verlaufen. In den Fällen, in denen die Rechtslage unklar ist oder die Gegebenheiten vor Ort nicht den EU-Regelungen entsprechen, leitet das LBA alle erforderlichen Schritte ein, um zeitnah eine Klärung im Sinne der Unternehmen herbeizuführen.
Als stellvertretender Referatsleiter beim LBA haben Sie tagtäglich mit Unternehmen zu tun und wissen, wo ihnen der Schuh drückt. Frage: In welchen Bereichen drückt dieser besonders?
Die größte Herausforderung ist die Information und Aufklärung der Unternehmen; teilweise herrscht auf Seite der Unternehmen noch immer eine große Verunsicherung. Insoweit kann ich nur raten, keine Angst vor dem Zulassungsverfahren zu haben. Vielen erscheint das Verfahren zu umfangreich und zu komplex. Dies kann ich so nicht bestätigen. Verunsicherung herrscht auch hinsichtlich des Umfanges der erforderlichen Umbaumaßnahmen - Stichwort Drei-Meter-Zaun. Auch diese pauschalierte Befürchtung entbehrt jeglicher Grundlage. Interessierten Unternehmen kann ich also nur die Tipps geben: Klären Sie die eigene Betriebs- und Kundenstruktur und prüfen Sie vor allem, ob der Status Bekannter Versender für Sie wirklich notwendig ist. Sollte diese Prüfung positiv ausfallen, gilt es unverzüglich einen vollständigen Antrag zur Zulassung zum Bekannten Versender beim LBA einzureichen. Am 25. März 2013 endet definitiv die Übergangsfrist und alle Sicherheitserklärungen, die sie gegenüber einem reglementierten Beauftragten abgegeben haben, verlieren ihre Gültigkeit. Alle Unternehmen, die zu diesem Zeitpunkt keine behördliche Zulassung zum Bekannten Versender haben, müssen ihre Luftfracht dann durch Reglementierte Beauftragte „sicher“ im Sinne der sicheren Lieferkette machen lassen.
Interview: Eva Hassa, Redakteurin VerkehrsRundschau