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Interview: Freier Schengen-Verkehr "nicht auf Kosten der Sicherheit"

17.05.2016 08:20 Uhr
Interview: Freier Schengen-Verkehr "nicht auf Kosten der Sicherheit"
Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann hält Grenzkontrollen für wichtig
© Foto: Picture Alliance/dpa/Peter Kneffel

Der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann gilt als großer Befürworter von Grenzkontrollen. Im Interview mit der VerkehrsRundschau schildert er seine Beweggründe.

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München. Letzte Woche kam von der EU grünes Licht: Der EU-Ministerrat hat die Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum für weitere sechs Monate gebilligt. Damit können innerhalb der EU Grenzkontrollen durchgeführt beziehungsweise fortgesetzt werden. Der bayerische Innenminister Herrmann und sein Pendant in der Bundesregierung, Thomas de Mazière, hatten sich bereits vorab auf eine Fortsetzung der Grenzkontrollen verständigt. Im Interview mit der VerkehrsRundschau erzählt Joachim Herrmann, warum er aktuell keinen Anlass für Ausgleichsmaßnahmen für Transportunternehmer sieht und warum er auf Grenzkontrollen besteht.

VerkehrsRundschau: Wird Bayern weiterhin an den Grenzen kontrollieren?
Joachim Herrmann: Bundesinnenminister Thomas de Mazière und ich haben letzte Woche eine klare Übereinkunft erreicht: Die Bundespolizei wird die Grenzkontrollen fortsetzen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Kontrollen sichtbar, verstärkt und effizient durchgeführt werden.

Was heißt das: Sichtbar und verstärkt?
Sichtbar heißt, dass an der Grenze selbst die Polizei nicht in zivil kontrollieren wird, sondern in Uniform. Und im Vergleich zu den letzten Wochen wird die Präsenz der Polizeikräfte an den Grenzen auch erhöht. 

Bedeutet höherer Präsenz auch: mehr Kontrollen, mehr und längere Staus – gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Urlaubsverkehrs?
Wir haben an den großen Grenzübergängen in Bayern – also in Kiefersfelden und am Walserberg –bereits zu den Osterferien Baumaßnahmen getroffen, so dass überall zweispurig kontrolliert werden kann und wir somit keine Verengung mehr auf nur eine Fahrspur haben. Es wird auch nicht jedes Auto kontrolliert. So hoffen wir, größere Staus vermeiden zu können.

Werden die Staus dennoch zunehmen?
Wir hoffen, dass zu normalen Zeiten durch die Baumaßnahmen der Verkehr eher entzerrt wird. Allerdings können wir natürlich nicht ausschließen, dass es mit dem zunehmenden Urlaubsverkehr auch zu längeren Staus kommt. Die gab es aber die letzten Jahre auch.

Wird auch der Güterverkehr kontrolliert?
Ja, um beispielsweise Schleusungen zu verhindern. Wobei die Beamten schon genau hinsehen werden: Ein Autotransporter wird sicher eher durchgewunken als ein Transporter, bei dem es eher möglich ist, dass sich im Laderaum Flüchtlinge befinden.

Haben Sie Verständnis, wenn Österreich jetzt am Brenner einen Grenzzaun aufbaut und den Verkehr kontrolliert?
Die Österreicher haben zunächst mal technische Vorkehrungen getroffen, damit sie kontrollieren können für den Fall, dass die Italiener die Lage nicht im Griff behalten. Sollten sich die Flüchtlingsströme deutlich verstärken, würden die Österreicher am Brenner und auch an den anderen großen Grenzübergängen kontrollieren. Diese Absicht der Österreicher unterstützen wir in Bayern nachdrücklich. Wir wünschen uns solche Kontrollen nicht, aber sehen keine andere Wahl, wenn die Zahl der Flüchtlinge zunimmt.

Die meisten Experten sind sich einig, dass im Sommer wieder vermehrt Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien kommen werden. Sind daher intensivere Grenzkontrollen in den nächsten Wochen unausweichlich?
Die Befürchtung besteht, dass die Zahl der Flüchtlinge auf der Italien-Route zunehmen wird – obwohl wir Stand Mitte Mai keine nennenswerten Flüchtlingszahlen auf dieser Route beobachten. Wenn die Zahl der Flüchtlinge zunimmt, müsste am Brenner kontrolliert werden. Klar ist aber: Wenn die Österreicher beispielsweise am Brenner eine Vollkontrolle durchführen, ist in Kiefersfelden eine weitere Kontrolle nicht mehr notwendig.

Derzeit sind am Brenner aber nur Stichprobenkontrollen geplant. Wird dann in Kiefersfelden der Verkehr nochmals überprüft?
Es wird intensive Absprachen zwischen Deutschland, Bayern und Österreich geben und dann eine Entscheidung getroffen werden.

Schon heute klappen die Umläufe der Speditionen nicht mehr, weil die Lkw stundenlang an den Grenzen warten müssen. Sind die Leitragenden der Kontrollen in Bayern die Unternehmen im Straßengüterverkehr?
Ich bin mir der Belastungen bewusst. Wir haben versucht, durch die baulichen Maßnahmen an den Grenzübergängen die Lage zu entschärfen. Angesichts der Sicherheitsvorkehrungen, die notwendig sind, um Terroranschläge wie die in Paris und Brüssel zu verhindern, müssen wir auf diese Grenzkontrollen bestehen, solang der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet ist.

Die Gewährung des freien Güterverkehrs ist also zweitrangig.
Wir wollen den freien Schengen-Verkehr – aber nicht auf Kosten der Sicherheit. Die ist nur garantiert, wenn der Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet ist. Hier sagt selbst die EU-Kommission, dass dies derzeit nicht der Fall ist.

Was sagen Sie einem Transportunternehmen, der aufgrund der Kontrollen Umsatzverluste hat, die ihn an den Rand der Existenz treiben?
Ich bin mir bewusst, dass die Kontrollen zu einer Verlängerung der Fahrtzeiten führen können. Wir wollen das alles so gering wie möglich halten. Die Kontrollen erfolgen ja auch nur in einer Richtung. Aber auch dort gibt es manchmal Staus, so dass es nicht nur an den Grenzkontrollen liegt.

Wenn die Kontrollen im Sommer intensiviert werden und dieser Zustand noch länger anhält: Muss die Politik dann über Ausgleichsmaßnahmen für Transportunternehmen nachdenken?
Dafür sehe ich momentan keinen Anlass. Es geht um notwendige Sicherheitsmaßnahmen, die im Übrigen auch andere Länder wie Griechenland, Ungarn, Dänemark oder Schweden getroffen haben. Und die Erwartung der Menschen in Deutschland und Europa ist: Sicherheit muss Vorrang haben.

Wie lange müssen die Unternehmen noch mit Sicherheitskontrollen rechnen?
Die Zielsetzung der EU ist eindeutig: Die Grenzkontrollen werden jetzt nochmals um ein halbes Jahr  verlängert bis November/Dezember. Die EU hat die Absicht, bis dahin die Sicherung der EU-Außengrenzen so zu verbessern, dass diese Grenzkontrollen danach nicht mehr notwendig sind.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes

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