Die Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg sind wahre Gippfelstürmer, wenn es um die Logistik geht. Als unmittelbare Nachbarn von Deutschland sind sie als Wettbewerber wie auch als potenzieller Standort für hiesige Unternehmen interessant. Bernard Piette ist Generalmanager des Clusters „Logistics in Wallonia”. Im Interview mit der VerkehrsRundschau präsentiert er den Logistikstandort Belgien.
VerkehrsRundschau: Herr Piette, was macht den Logistikstandort Belgien aus?
Bernard Piette: Die Häfen von Antwerpen und Brüssel fallen als wirtschaftliche Zentren des Landes sicher jedem schnell ein. Grundsätzlich gilt der Norden des Landes, also Flandern, als wirtschaftlich und damit auch logistisch stärker als der Süden. Aber beim genauen Hinsehen ist das längst nicht mehr für alle Bereiche der Fall. Auch die südliche Wallonie, für die ich sprechen kann, hat ihre Stärken. Die Zentren liegen dabei in Tournai im Westen mit der Anlehnung an den Großraum Lille in Frankreich, auf der Achse Mons-La Louvière-Charleroi und in Lüttich.
Welche Stärken hat die Wallonie?
Wir verfügen über gute Netzwerke für alle Transportträger, haben mit dem Flughafen Lüttich den größten Frachtflughafen Belgiens und mit dem Hafen von Lüttich Europas drittgrößten Binnenschiffhafen nach Duisburg und Paris. Die Wege sind kurz, alles - auch das Ausland - ist schnell zu erreichen. Letzteres gilt für Flandern natürlich auch, ebenso das Vorhandensein einer guten Infrastruktur.
Wird Logistik politisch gefördert?
Ja. Die wallonische Regierung hat zur wirtschaftlichen Förderung den so genannten Marshallplan aufgestellt, und der Sektor Gütertransport und Logistik gehört zu den sechs Sektoren, die durch ein Cluster gefördert werden. Forschung und Industrie werden in dem Cluster zusammengebracht, Innovationen dadurch gefördert. Das Cluster "Logistics in Wallonia" ist genauso staatlich gefördert, wie das flämische Logistik-Cluster "Vlaams Instituut voor de Logistiek".
Warum sollte sich ein Unternehmen für die Wallonie als Standort entscheiden?
Zusätzlich zu den bereits genannten Stärken haben wir, gerade auch im Unterschied zu Flandern, Platz zu bieten. In Flandern finden Logistikdienstleister nur noch schwer Gebäude und Flächen, um sich neu anzusiedeln oder zu vergrößern. Das ist in der Wallonie anders. Immer häufiger können wir namhafte Unternehmen dazu bewegen, sich in der Wallonie mit ihren Logistikzentren anzusiedeln. In jüngster Zeit zum Beispiel H&M, Johnson & Johnson, Skechers in Lüttich. Auch zu Deutschland sind wir eine interessante Alternative.
Welche Vorteile gibt es gegenüber Deutschland?
Wir bekommen das von chinesischen Unternehmen aus dem E-Commerce mit. Die wollen zunächst nach Deutschland mit seinem großen Markt von 80 Millionen Menschen. Aber dann werden sie oft von der deutschen Strenge in der Verwaltung abgeschreckt. Wenn die Chinesen erleben, wie streng die Deutschen bei den administrativen Angelegenheiten sind, bekommen sie Angst. Wir erscheinen ihnen flexibler als die Deutschen. Und wir können sie leicht davon überzeugen, dass der deutsche Markt auch von Belgien aus gut zu bedienen ist. Lüttich liegt 40 Kilometer von Aachen entfernt, der Lütticher Flughafen bietet viele Möglichkeiten.
Welche Nachteile gibt es in Belgien für ein Logistikunternehmen?
Das generelle Problem für die gesamte Wirtschaft in Belgien sind die hohen Arbeitnehmerkosten und die hohen Unternehmenssteuern. Auf diesen Feldern sind die Niederländer zwar nicht unbedingt besser, aber sie wissen sich besser zu verkaufen. Das ist also vor allem ein Marketingproblem. So gibt es bei den Steuern Möglichkeiten, sie zu reduzieren. Aber zunächst ist das nicht sichtbar.
Das Interview führte VerkehrsRundschau-Korrespondent Kay Wagner.
Mehr zum Thema Logistik in den Benelux-Staaten lesen Sie in der aktuellen VerkehrsRundschau 47/2016 vom 25. November 2016.