Interview

Interview Eine Lösung, die sich rechnet Welche Vorteile der Lang-LKW hat und warum sich Schnellecke für das Konzept mit Sattelauflieger plus Zentralachsanhänger entschieden hat, verraten die Schnellecke-Experten Thomas Lammer, Dieter Pieninck und Carsten Hellmich im Interview. Auf welcher Route wird der Lang-LKW eingesetzt? Thomas Lammer: Das Fahrzeug pendelt zwischen einem Zulieferer und einem Automobilwerk in Emden. Die Automobilhersteller sind ja die großen Treiber, wenn es um Optimierungen der Transportlogistik geht. So war das auch in diesem Fall, wo der Auftraggeber in den Versuch und die Fahrzeugkonzeption mit eingebunden ist. Der Verkehr besteht bereits seit vier Jahren, zeigt aber aktuell eine extreme Volumensteigerung. Was wird die Kombination gegenüber einem Standard-LKW einsparen? Thomas Lammer: Der Lang-LKW ermöglicht uns in diesem Fall, mehr zu transportieren, ohne eine zusätzliche Fahrzeugkombination einsetzen zu müssen. Letztlich resultieren daraus ökonomische wie auch ökologische Vorteile durch niedrigere CO2-Emissionen. Für uns bedeutet das – sofern das Tagesvolumen konstant ist und wir mit der dann größeren Kombination auskommen – einen reduzierten Dispositionsaufwand. Der Kunde profitiert ebenfalls, weil er bei deutlich mehr Volumen im Verhältnis nur mäßig höhere Transportkosten hat. Letztlich gewinnen also alle beim Einsatz der längeren Fahrzeugkombinationen. Warum haben Sie sich für das Konzept mit Sattelauflieger plus Zentralachsanhänger entschieden? Dieter Pieninck: Alternativ hätten wir einen Motorwagen mit Dolly und Sattelauflieger wählen können. Unsere Kalkulation ergab aber, dass ein Lang-LKW mit Dolly rund 15.000 Euro teurer ist und wir zudem 750 Kilo Nutzlast verlieren. Nicht zu vergessen fuhren wir bereits während des ersten Tests die gleiche Auslegung und das Gespann lief erfolgreich und problemlos. Schon damals haben wir festgestellt, dass die Fahrer keine Probleme mit der Bedienung hatten und dass die Kombination nach unseren Erfahrungen einfach zu handhaben ist. Zudem müssen wir auch weiter denken: Falls der Lang-LKW keine dauerhafte Betriebsgenehmigung bekommen sollte, können wir diese Kombination problemlos in ihren Einzelkomponenten betreiben. Der Sattelzug bleibt komplett erhalten und den Zentralachsanhänger kombinieren wir mit einem bereits vorhandenen 6x2-Motorwagen. Ein Dolly würde dagegen überflüssig werden. Stichwort „dauerhafte Betriebsgenehmigung“: Haben Sie keine Angst, dass es nach einem möglichen Regierungswechsel zu Rot/Grün zu einem bereits avisierten Lang-LKW-Verbot kommen könnte? Cersten Hellmich: So weit wir die Situation überblicken, freundet sich die Politik langsam mit dem Lang-LKW an – zumindest ist man daran interessiert, wie der Versuch ausgeht. Also blicken wir positiv nach vorne und rechnen mit der aktuell angesetzten Dauer des Tests. Allerdings rechnen wir auch nicht damit, dass künftig weitere Strecken ausgewiesen werden, auf denen die Lang-LKW fahren dürfen. Im Sinne der Planungssicherheit für Unternehmen ist es schon schade, wenn, wie jüngst in Schleswig-Holstein geschehen, bereits geplante Strecken wieder zurückgenommen werden. Klar bewegt ein solches Konzept wie der Lang-LKW die Gemüter und damit auch die Politik. Den Feldversuch zu kippen, halte ich allerdings für nicht sinnvoll. Letztlich darf man auch nicht vergessen, dass Niedersachsen, wo wir unseren Sitz haben, Logistikland Nummer eins ist. Sowohl der Ministerpräsident als auch unser Wirtschaftsminister sitzen im Aufsichtsrat von Volkswagen – dem zweitgrößten Automobilhersteller der Welt. Klingt so, als hätten Sie gerne noch mehr Lang-LKW. Cersten Hellmich: Tatsächlich hätten wir noch gerne mindestens eine Kombination mehr – für die wir auch schon eine Genehmigung beantragt haben. Wir hätten letztlich gerne in jeder Relation, in der ein Lang-LKW für uns Sinn macht, so ein Fahrzeug. Aber die Infrastruktur passt nicht überall und oft ist leider der Einsatz auf der ‚letzten Meile‘ verboten. Wir prüfen aber jede weitere Möglichkeit, künftig noch mehr Lang-LKW einzusetzen. Wie wurden die Fahrer ausgebildet? Dieter Pieninck: Zunächst sind vier unserer Fahrer am Versuch beteiligt. Alle haben eine eintägige Schulung beim Hersteller des Aufliegers beziehungsweise Anhängers bekommen. Die Resonanz war positiv: Schon nach kurzer Zeit haben die Fahrmanöver gut geklappt. Generell haben wir festgestellt, dass das Fahrverhalten unserer Kombination – unter anderem in Kreisverkehren – problemlos ist. Bei den Fahrern selbst handelt es sich um altgedientes Personal, das schon lange im Unternehmen ist. Wichtig war uns, dass sich die Herren als Team verstehen. Schließlich geht es ums Sammeln und Auswerten von Erfahrungen. Über welche technischen Voraussetzungen verfügt die Fahrzeugkombination? Dieter Pieninck: Es handelt sich um die jeweils modernsten Komponenten. Die Zugmaschine verfügt über ein sogenanntes Safety Package Plus mit Abstandstempomat, Spurbindungsassistent, ESP und Notbremsassistent. Trailer und Anhänger verfügen ebenfalls über eine EBS-Bremsanlage mit RSP und spezieller Luftfederung für die Regelung der Achsdrücke, unter anderem während der Kurvenfahrt. Nicht zu vergessen, verwenden wir aktuellste Reifentechnik bei der Zugmaschine wie auch bei dem Anhänger. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Lang-LKW ? Thomas Lammer: Natürlich freie Fahrt für den Lang-LKW. Wir versuchen in vielen Bereichen innovativ zu sein und probieren das passende Equipment aus. Da gehören Gas-LKW ebenso dazu wie Trailer mit Schnellöffnungssystemen. Trotz einer gewissen Experimentierfreudigkeit können aber auch wir uns keinen betriebswirtschaftlichen Nonsens erlauben. Auch wenn wir heute wissen, dass wir bei der Verwendung von CNG als Treibstoff draufzahlen, sehen wir darin eine Zukunftsfähigkeit. Wir investieren in Prototypen und wollen unseren Beitrag leisten, die Umwelt zu entlasten. Weil wir aber nicht in jedem Fall damit rechnen können, dass die Verlader unsere Bemühungen durch höhere Transporterlöse unterstützen, sind wir etwas eingeschränkt. Im Falle des Lang-LKW stellt sich die Sache anders dar: Auch wenn die Anfangsinvestitionen höher sind, rechnet sich am Ende die Kombination. Und um die Langfristigkeit geht es letztlich. Wir müssen die Zukunftsfähigkeit des Straßengüterverkehrs sichern, und das mit einem Horizont von einem bis fünf Jahren. ❙❚■ Gerd Grünig Schnellecke Logistics Automobillogistiker Die Schnellecke Group AG & Co. KG wurde 1939 in Wolfsburg gegründet und zählt heute nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Automobillogistikern. Alleingesellschafter ist Rolf Schnellecke. Kunden sind unter anderem VW, Audi, Porsche, Ford und Michelin. Das Unternehmen erwirtschaftete in 2011 mit knapp 16.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 742 Millionen Euro. Geschäftsfelder sind die KWD Automobiltechnik (Produktion von Karosserie-Einzelteilen und -baugruppen) und Schnellecke Logistics, in der das Unternehmen Aufgaben der Versorgungs- und Verpackungslogistik erbringt, sowie Schweißzusammenbauten, Modulmontagen und Transportlogistik/Spedition. Das Unternehmen ist weltweit an 40 Standorten präsent, unter anderem in Deutschland, Spanien, Portugal, Osteuropa, Nord- und Südamerika, Südafrika und Asien (Indien und China). eh DAS EXPERTENTEAM Thomas Lammer (1970 in Mannheim geboren) ist seit August 2011 Vorstand bei der Schnellecke Transport AG & Co. KG. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer für die Schnellecke Transportlogistik, die Sachsentrans Spedition und Logistik, die Cotrans Logistic sowie die Logtrans Spedition und Logistik. Zuvor trug er bei Wincanton mehrere Jahre die Verantwortung als Regionalleiter Nordrhein-Westfalen. Dieter Pieninck (1954 in Hamm geboren) trat im Oktober 1973 nach seiner Ausbildung als Kfz-Schlosser, Spezialgebiet schwere Nutzfahrzeuge, in die Firma Schnellecke ein. Nach diversen kaufmännischen und technischen Weiterbildungen übernahm er die Fuhrparkleitung und die Werkstattleitung. Zusätzlich Fuhrparkleitung der Nordcargo internationale Spedition mit Betreuung der Standorte Emden, Garbsen und Braunschweig. Cersten Hellmich (1961 geboren in Rahden) ist seit Mai 2011 Konzernbereichsleiter Kommunikation und Marketing bei der Schnellecke Group. Hellmich ist für die weltweite interne und externe Kommunikation und das Marketing des Konzerns verantwortlich. gg Sattelzug Die Technik des Lang-LKW von Schnellecke Zugmaschine: Mercedes-Benz Actros Big-space 1845 Euro 5; Volumer-Ausführung mit Bereifung 295/55 R 22.5; Aufsattelhöhe (beladen) ca. 900 mm; Safety Package Plus mit Notbremsassistent, ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm), Abstandstempomat und Spurbindungsassistent Sattelauflieger: Schmitz Cargobull S.CS 24/L – 13.62 in Mega-Ausführung; Bereifung 445/45 R 19.5, Innenhöhe (i.L.): 3000 mm: Aufbaulänge: 13.620 mm; Achsabstand: 1310 mm; Radstand: 7700 mm; Lasi-Zertifikate nach EN 12642 XL sowie Daimler 9.5; bahnverladbar; Kuppeltraverse (Unterflurbock) für Eurocombi-Betrieb; Duomatic-Kupplung; dynamische Radstandsverlagerung zur Einhaltung der Kreisfahrt; hydraulisches Hub-/Schiebedach Zentralachsanhänger: Schmitz Cargobull Z.CS 18 V; Bereifung 445/45 R 19.5, Achsabstand: 1310 mm; Radstand: 5900 mm; Innenhöhe (i.L.): 3000 mm: Aufbaulänge: 7720 mm; Kupplungshöhe: 425 mm; Ladehöhe (beladen): 975 mm; freie Deichsellänge (techn.): 1700 mm (4 x 100 mm teleskopierbar); Lasi-Zertifikate nach EN 12642 XL sowie Daimler 9.5; Hub- und Senkeinrichtung mit Auto-Reset; 4 Stützwinden; hydraulisches Hubdach; Rückfahrkamera gg „Aus dem Einsatz des Lang-LKW resultieren ökonomische und ökologische Vorteile“ Thomas Lammer, Vorstand der Schnellecke Transport AG & Co. KG „Das Fahrverhalten unserer Kombination ist problemlos“ Dieter Pieninck Fuhrparkleiter bei Schnellecke

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