Individuelle Lösungen gefragt

Als im März der coronabedingte Lockdown einsetzte, hatten viele Speditionen und Transportunternehmen ein Problem: Lkw stehen auf dem Hof, Fixkosten aber laufen weiter, darunter auch die Kfz-Versicherung. Wie in anderen Branchen auch - man denke an das Beispiel Mietstundungen im Gastgewerbe - haben sich die Versicherungen kulant gegenüber ihren gewerblichen Kunden gezeigt: So wurde eine beitragsfreie Ruheversicherung ohne amtliche Stilllegung bei der Zulassungsstelle ermöglicht. "Das war im Bereich gewerbliche Fahrzeuge ein Novum", erklärt Sina Schlosser, Prokuristin beim Versicherungsmakler Speditions-Assekuranz aus dem niedersächsischen Hollenstedt. "Im Grunde haben alle unsere Partnerversicherungen mitgezogen und ihren Flottenkunden für einige Zeit einen Deckungsschutz ohne Beitrag ermöglicht", so Schlosser. Konditionen kurzfristig anpassen Nun ist diese Soforthilfe bei den letzten Versicherern spätestens Ende Juni ausgelaufen. Versicherte profitieren allerdings wie gehabt nach Abmeldung ihrer Fahrzeuge von einer Ruheversicherung, erklärt Schlosser. "Das bedeutet, dass Lkw, die abgemeldet auf dem Hof stehen, noch für einige Monate versichert sind." Für stehende Fahrzeuge, die nicht abgemeldet werden sollen, empfiehlt sie den Deckungsschutz zu ändern oder die Selbstbeteiligung zu erhöhen, um Beiträge zu reduzieren. "Auch die Herunterstufung von Voll- auf Teilkasko kann sinnvoll sein, denn der Lkw steht ja nur auf dem Hof", sagt Schlosser. Ansonsten müssen Versicherte auf individuelle Lösungen bauen. "Wenn sich Kunden in Not melden, überlegen wir gemeinsam und ganz individuell, wie wir helfen können", betont Patricia Rehse, Kfz-Versicherungsexpertin bei der R+V Versicherung, zu der auch der Spezialversicherer Kravag gehört. Auch Versicherungsmaklerin Schlosser betont, dass die Versicherungen zuletzt sehr kulant mit den Zahlungsfristen gewesen seien. Viele Versicherer bieten demnach auch an, die Zahlungsweise ohne Mehrkosten auf vierteljährlich oder monatlich umzustellen. Sinken jetzt die Prämien? Einige Versicherer haben bereits signalisiert, privaten Pkw-Besitzern Beiträge zurückzuzahlen, sofern sie in diesem Jahr coronabedingt weniger fahren. Ist nun auch ein Cashback für Firmenkunden zu erwarten? Schließlich dürfte durch das gesunkene Transportaufkommen auch die Zahl der Schadensregulierungen zurückgegangen sein. Die Antwort lautet: ja und nein. In der Regel würden bei Flottenkunden Bonus-Malus-Zahlungen vereinbart, erklärt Schlosser. Das heißt, wenn ein Spediteur aufgrund der Krise weniger Lkw-Kilometer auf die Straße bringt und damit vermutlich auch eine geringere Schadensquote produziert, werde er individuell im nächsten Jahr weniger zahlen müssen. "In Sachen Prämienreduzierung sind die Versicherer im Nutzfahrzeugsegment aber sehr sparsam unterwegs", stellt sie fest. In der Branche seien die Schadenquoten traditionell hoch. "Ein Ausreißerjahr wie 2020 wird also vermutlich nicht dazu führen, dass die Versicherer die Beiträge dauerhaft senken", meint Schlosser. R+V-Expertin Rehse äußert sich auch zurückhaltend: Zum aktuellen Zeitpunkt sei es für eine valide Bewertung noch zu früh, lässt sie wissen. "Sollte sich durch das veränderte Nutzungsverhalten eine signifikante Veränderung der Schadenverläufe ergeben, kann sich dies auch auf die Tarifbeiträge für das Jahr 2021 auswirken", sagt Rehse. Eine geringere Schadenhäufigkeit könnte aber zum Beispiel durch höhere Ersatzteilpreise kompensiert werden, gibt sie zu bedenken. Bei der Individualtarifierung sei ohnehin der individuelle Schadenverlauf des gesamten Fuhrparks ausschlaggebend, betont Rehse. Neue Haftungsregelung und die Folgen Während es also unklar bleibt, in welche Richtung sich die Kfz-Versicherungsprämien künftig bewegen, gibt es eine Entwicklung, die allen Beteiligten mit Sicherheit viel Zeit, Nerven und auch Geld sparen wird: die Neuregelung der Haftung für Schäden aus Unfällen mit Anhängern und Gespannen, die der Bundestag am 28. Mai 2020 verabschiedet und der Bundesrat am 3. Juli 2020 durchgewunken hat. Damit wurde die bis zum Jahr 2010 geltende Rechtslage wiederhergestellt, wonach bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen grundsätzlich der Halter des Zugfahrzeugs zur Haftung für den gesamten Schaden verpflichtet ist. Seinerzeit hatte der Bundesgerichtshof geurteilt, dass bei Unfällen der Halter jedes Fahrzeugs beziehungsweise sein Versicherer den Schaden weiterer Unfallbeteiligter jeweils hälftig zu tragen habe. "Aufseiten der Kfz-Versicherer werden zeit- und verwaltungskostenintensive Regresse eingespart, die Schadenaufwendungen landen in der Regel wieder bei der Kfz-Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeugs", bewertet Rehse die nun erfolgte Rechtsanpassung. Auch Schlosser erinnert sich an einen "unfassbaren Aufwand" für die Versicherer. "Für Unternehmen, die viele Auflieger haben, war die Regelung aber vor allem eines: wahnsinnig ungerecht", so Schlosser. Die Versicherungsbeiträge für Anhänger hätten sich exponentiell erhöht, während die Prämien für Zugmaschinen gleichgeblieben seien. Kam es aber mit einem Gespann etwa zu einem Schaden in Höhe von einer Million Euro, hatte der Anhängerhalter eine halbe Million Euro in der Schadenbilanz, obwohl er mit dem Unfall an sich nichts zu tun hatte, so Schlosser. "Alle machen drei Kreuze, dass das jetzt vorbei ist", bringt es die Versicherungsmaklerin auf den Punkt. R+V-Expertin Rehse prognostiziert denn auch, dass Anhängerhalter kurz- bis mittelfristig von günstigeren Haftpflichtversicherungsprämien profitieren werden. Mehr zum Thema finden Sie unter #KfzVersicherungen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Zuletzt halfen Kfz-Versicherungen Spediteuren in Not mit beitragsfreier Ruheversicherung durch die Krise. Nach Auslaufen dieser Soforthilfe bleibt nun auf die Kulanz der Versicherer zu hoffen oder auf die Anpassung der Konditionen. Dass die Prämien wegen geringerer Schadenshäufigkeit sinken, ist nämlich nicht gesetzt.

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