In der Zwickmühle

Angesichts der Ergebnisse des Wegekostengutachtens möchten derzeit wohl nur wenige mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt tauschen. Er soll den gordischen Knoten durchschlagen, trotz sinkender Mauteinnahmen mehr Finanzmittel für die marode Infrastruktur bereitzustellen. Aber die Katze ist aus dem Sack, das Wegekostengutachten liegt auf dem Tisch. Die Realität bestätigt, was hinter vorgehaltener Hand schon seit Monaten gemunkelt wurde: Die Wegekostenrechnung für den Zeitraum 2013 bis 2017 weist für die Bundesfernstraßen deutlich niedrigere Wegekosten aus als bisher, mit der Folge, dass die LKW-Mautsätze gesenkt werden müssen. Für die laufende Legislaturperiode bedeutet das nach Schätzungen des Ministers Mindereinnahmen im Haushalt von bis zu zwei Milliarden Euro. Zum Ausgleich der Lücke sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die das Wegekostengutachten bietet, also zum Beispiel eine Differenzierung in der Maut zwischen Bundesautobahnen und Bundesstraßen und die Anlastung der externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm. Zusätzlich soll die Maut zum 1. Juli 2015 auf weitere tausend Kilometer Bundesstraßen ausgedehnt und zum 1. Oktober 2015 auch mittelschwere LKW ab 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht einbezogen werden. Die PKW-Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen folgt dann zum Januar 2016. Ab 2018 droht die LKW-Maut auf allen Bundesstraßen. Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept Die Kostenentlastung der Wirtschaft dürfte bei genauer Betrachtung also weitaus geringer ausfallen, als sie auf den ersten Blick erscheint, vor allem wird die Freude nur von relativ kurzer Dauer sein. Aus Sicht des BWVL werfen die verschiedenen Ankündigungen eine ganze Reihe von Fragen auf und schreien förmlich nach einem schlüssigen Gesamtkonzept für die Finanzierung unserer Infrastruktur, nicht nur bei der Straße, zu der alle Nutzer beitragen müssen. Dieses Gesamtkonzept muss so weit irgend möglich gerecht und wirtschaftsverträglich ausgestaltet sein. Ist es daher sinnvoll, Bundesstraßen und Autobahnen unterschiedlich zu bemauten und Bundesstraßen weit höher zu belasten? Der BWVL meint Nein. Schaut man in das Wegekostengutachten und in die Zeit nach 2018, wären Kilometersätze von rund einem Euro für Bundesstraßen keine Utopie. Das wäre das Aus für manche Standortentscheidung in der Fläche, das Aus für viele strukturschwache Gebiete in Deutschland. Dies kann gesamtwirtschaftlich und regionalpolitisch nicht gewollt sein. PKW-Maut: Auch für Inländer? Wenn (zunächst ausländische) PKW und LKW ab 7,5 Tonnen faktisch mit Maut belastet werden, was geschieht dann mit Fahrzeugen zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen? Auch diese Fahrzeugkategorie kann dann nicht ausgespart bleiben! Und last but not least: Ist es vor dem Hintergrund des Finanzbedarfs wirklich sinnvoll, nur ausländische PKW mit einer Autobahn-Vignette zu belasten? Der Finanzierungskreislauf muss natürlich so ausgestaltet sein, dass jegliche Mauteinnahmen auch zweckgebunden in die Infrastruktur zurückfließen, und zwar in das Netz, dessen Nutzer sie aufgebracht haben. Dabei darf es keine Quersubventionierung oder -finanzierung anderer Verkehrsträger, schon gar nicht anderer Haushaltspositionen, geben. Vor allem sollte das Gesamtsystem für die Wirtschaft und den Bund mittel- und langfristig Planungssicherheit und Berechenbarkeit für Preise und Investitionen geben. Stark schwankende Mautsätze aufgrund von kalkulatorischen Zinsansätzen können hier nicht zur Stabilität beitragen. Insoweit ist auch die übernächste Aufgabe des Ministers schon vorgezeichnet. Die Wegekostenrechnung muss auf eine neue Basis gestellt werden, die die tatsächlichen Ausgaben für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur zugrunde legt. Das derzeitige Gutachten läuft bis 2017, das Jahr 2018 ist also gar nicht mehr weit. Die Arbeit am Maut-Gesamtkonzept einschließlich der Entscheidung über das künftige Erhebungssystem muss dagegen schon in den nächsten Wochen und Monaten abgeschlossen werden. Der Markt braucht Klarheit, Spekulationen müssen ein Ende haben. Nachteil für ländliche Regionen Eine derart starke Differenzierung der Maut zwischen Autobahn und Bundesstraße, wie sie das Wegekostengutachten vorsieht, würde zentrumsferne Standorte in der Fläche übermäßig belasten und deren Wettbewerbsfähigkeit entscheidend schwächen. Der BWVL fordert daher eine einheitliche Maut für alle Bundesfernstraßen.