Im Lager den Durchblick behalten

Einer Umfrage des Bitkom zufolge ziehen aktuell 14 Prozent der Unternehmen mit Logistikprozessen den Einsatz von Datenbrillen oder Smart Lenses in Erwägung. Drei von vier Unternehmen glauben demnach, dass die Beschäftigten in der Logistik in zehn Jahren von Datenbrillen unterstützt werden. Ob Pick-by-Vision dann tatsächlich im Lager tonangebend sein wird, sei einmal dahingestellt. Auffällig ist jedoch, dass dieser noch junge Markt, den hierzulande nur wenige Unternehmen beackern, in den letzten Monaten nicht nur an Medien- und Messepräsenz, sondern auch in Sachen Praxiseinsatz deutlich an Fahrt gewonnen hat. "Pick-by-Vision war im vergangenen Jahr noch relativ neu, aber schon jetzt platzt der Knoten. Wir haben auf der Logimat ein großes Interesse seitens Unternehmen verzeichnet, für die Datenbrillen ein Thema sind", sagt Johanna Bellenberg von dem Entwickler Picavi. Das Unternehmen aus Herzogenrath bei Aachen bietet schlüsselfertige Pick-by-Vision-Lösungen an. Erster Einsatzort war der Kosmetikhersteller Babor. Inzwischen wird das Kommissioniersystem bei rund 30 Unternehmen eingesetzt. Dazu zählen der belgische Logistiker Weerts Supply Chain (Kontraktlogistik für Mondelez Benelux), das auf Laborbedarf spezialisierte Handelsunternehmen VWR sowie Klosterfrau in Berlin. "Pick-by-Vision läuft dort im Echtbetrieb, Picavi hat also im Gegensatz zu den Wettbewerbern den Status eines Pilotprojekts vielerorts hinter sich gelassen", betont Bellenberg. Schnelle Anbindung Picavi kann die Datenbrillen grundsätzlich an jedes Lagerverwaltungssystem (LVS) anbinden. Fertige Standardschnittstellen sind für Viastore Viadat, SAP EWM und WM sowie ProStore von Team vorhanden. Ansonsten realisieren die Aachener mit ihren Kunden sogenannte Picavi-Pure-Projekte mit Middleware-freier LVS-Anbindung, die typischerweise in fünf bis sieben Wochen umgesetzt werden. "Wenn Funktionen wie etwa Laufwegoptimierungen nicht vom LVS abgedeckt werden, kommt Picavi Smart zum Einsatz. Das erfordert mehr individuelles Projektmanagement. Aber auch das bewerkstelligen wir in durchschnittlich drei Monaten", sagt Bellenberg. Die Investition in Pickby-Vision sei nicht teurer als bei Pick-by-Voice oder Pick-by-Light und lohne sich ab dem Einsatz von fünf bis sieben Brillen. Vor der Frage, ob Pick-by-Vision im Lageralltag eine ernst zu nehmende Alternative sein könnte, stand vor nicht allzu langer Zeit auch Mediendienstleister Cinram, ganz in der Nähe von Picavi in Alsdorf ansässig. Dort werden für mehrere Majorstudios DVDs, Blu-Rays und CDs hergestellt, verpackt und ausgeliefert. 470.000 Artikel lagert Cinram, täglich werden 65.000 bis 165.000 Orderlines verarbeitet und für den Transport bereitgestellt. Viel zu tun also für die Mitarbeiter, die Pakete mit DVDs und Blu-Rays zusammenstellen. Pick-by-Vision in Eigenregie "Wir arbeiten seit über zehn Jahren mit Pick Carts, die mit Laptop und Scanner ausgerüstet sind und über die man neun Aufträge auf einmal zusammenstellen kann. Mit der Zeit wurden die Aufträge in der Home-Entertainment-Branche aber immer kleinteiliger, die Frequenz dafür größer", erklärt Michael Schweinsberg, von Cinram. Sein Unternehmen suchte ein System, das dem Picker erlaubt, wegeoptimiert durchs Lager zu laufen, anstatt mehrfach zum Wagen zurückzukehren, um auf dem PC die Liste einzusehen. "Für diese Bedürfnisse war die Datenbrille optimal geeignet", so Schweinsberg. Da Cinram Systeme von Fremdanbietern nach eigenem Bekunden zu teuer waren, wurde das Projekt Pick-by-Vision vom eigenen Unternehmensbereich Cinovation selbst in die Hand genommen. Herausgekommen ist ein Kommissioniersystem, welches das in Sachen Multiorder-Picking bewährte Pick-Cart-Prinzip mit Google Glass kombiniert. Bereits ein Drittel der Aufträge, insbesondere die kleinteiligen, werden mithilfe von Datenbrillen abgewickelt. Von rund 500 Logistikmitarbeitern nutzen zwischen 50 und 70 die Wearables. Die Vorteile von Pick-by-Vision gegenüber anderen modernen Kommissioniersystemen liegen für Schweinsberg auf der Hand: "Pick-by-Voice haben wir ausprobiert, das hat sich allerdings als suboptimal herausgestellt. Diese Art zu kommissionieren ist für die Mitarbeiter sehr ermüdend, die Konzentration lässt nach zwei bis drei Stunden rapide nach." Das bestätigt auch Bellenberg und verweist zudem auf einen weiteren Aspekt von Pick-by-Voice: "Der Mitarbeiter beginnt irgendwann, die bei diesem System zum Einsatz kommenden Prüfziffern auswendig zu lernen und unter Umständen schon vor Erreichen des Lagerplatzes den Kommissioniervorgang zu bestätigen. Dies birgt Fehleranfälligkeit." Bei Pick-by-Vision gehe die Fehlerquote dagegen gegen null." Das gewichtigste Argument für Pick-by-Vision dürfte allerdings der Faktor Zeit sein. Im Falle von Cinram besonders beeindruckend: "Im Vergleich zu den alten Pick Carts erzielen wir eine Erhöhung des Auftragsoutputs von 44 Prozent", freut sich Schweinsberg. Dies liege allerdings auch zum Teil daran, dass die Pakete bei der herkömmlichen Kommissioniermethode zeitintensiv nachkontrolliert wurden. "Dank Pick-by-Vision entfällt dieser Schritt, die Fehlerquote wurde gleichzeitig deutlich minimiert." Bis zu 40 Prozent Zeitersparnis Auch Picavis Kunden konnten dank Umstellung auf Pick-by-Vision eine beachtliche Effizienzsteigerung verzeichnen "Unser Kunde Klosterfrau berichtet von 30 Prozent Zeitersparnis gegenüber dem herkömmlichen Barcode-Scannen, bei Weerts waren es immerhin zwölf Prozent. Die Firma SSK aus Krefeld hat von Papierlisten auf Pick-by-Vision umgestellt und damit sogar eine Zeitersparnis von 40 Prozent erzielt", erklärt Bellenberg. Während Softwarespezialist Picavi seine Lösung bereits bei einer Reihe von Logistikunternehmen untergebracht hat, möchte auch Cinram die eigenen guten Erfahrungen mit Pick-by-Vision nur allzu gern mit Dritten teilen. Die auf Android basierenden Brillen werden dazu softwareseitig auf die Anforderungen und Prozesse des Kunden angepasst. Zur Kommunikation dient eine selbst entwickelte Middleware, die je nach Anforderung Multiorder-Picking in allen gewünschten Größenordnungen beherrscht. Und was kostet das Ganze? Pro Brille müsse zwischen 1500 Euro und 1700 Euro veranschlagt werden, die Kosten für die Middleware beziffert Michael Schweinsberg je nach Anpassungsaufwand für den Datenstream auf 10.000 bis 30.000 Euro. Eine Investition, die schnell wieder reingeholt werde: "Die Amortisationsszeit beträgt je nach Auftragsoutput zwischen acht und zwölf Monaten." VW hat angebissen In der Vermarktung der Datenbrillen hat Cinram mit Autobauer VW bereits einen dicken Fisch am Haken. "VW in Emden hat die Brillen drei Monate lang getestet und für gut gefunden. Auch in Wolfsburg und in Bereichen, die in der Ersatzteilversorgung aktiv sind, ist das Interesse groß. Das wird sicherlich eine erfolgreiche Zusammenarbeit", so Schweinsberg. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lager-IT www.verkehrsrundschau.de/dossiers Pick-by-Vision Kommissionieren mit Datenbrille Bei Pick-by-Vision trägt der Kommissionierer eine Datenbrille, auf deren Bildschirm er jederzeit alle relevanten Informationen im Blick hat. So werden auf dem Brillenmonitor Art und Menge der Waren für den aktuellen Pick oder Put angezeigt. In die Brille integriert ist außerdem ein optischer Barcodescanner, mit dessen Hilfe die einzelnen Schritte überprüft werden. So werden zum Beispiel Stellplatznummer und Artikel bestätigt. Ist der Auftrag abgeschlossen, erscheint der nächste im Display.Vorteile:- Schnelle Informationsaufnahme- Hohe Kommissioniergeschwindigkeit- Geringe Fehlerquote- Geringe AnlernzeitNachteile:- Empfindliche Hardware- Noch wenig Brillenmodelle zur Auswahl- Begrenzte Akku-Laufzeit- Lager muss mit WLAN vernetzt sein mh

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