IAA-Nachbericht

IAA-Nachbericht Sorge und Zuversicht Euro 6, Lang-LKW, Aerodynamik und vieles mehr. Welche Top-Themen und Trends in den Messehallen der 64. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover heiß diskutiert wurden, lesen Sie im IAA-Nachbericht. Krisenstimmung? Nein, davon war auf der 64. Internationalen Automobilausstellung für Nutzfahrzeuge (IAA NFZ) nichts zu spüren. Damit unterschied sich die diesjährige Weltleitmesse der Nutzfahrzeugindustrie deutlich von den Veranstaltungen der Jahre 2008 und 2010, die geprägt waren von den Vorzeichen beziehungsweise Nachwehen der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. In diesem Jahr war in den Augen einiger Automobilmanager sogar starkes Selbstbewusstsein zu sehen: „Es scheint nicht überall die Sonne, aber wir haben insgesamt eine solide Großwetterlage“, postulierte Daimler-Trucks-Vorstand Andreas Renschler. Der weltweite Marktführer für Nutzfahrzeuge demonstrierte in Hannover seine globale Präsenz und damit auch Daimlers Resistenz gegen Absatzkrisen in einzelnen Teilmärkten. Insgesamt werde die weltweite Nachfrage nach mittleren und schweren Trucks in den kommenden Jahren um rund die Hälfte zulegen. Basis für Renschlers Annahme: Ein erwartetes weltweites Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis 2020 um etwa 30 Prozent. Aber nicht alle Hersteller blickten in Hannover so optimistisch in die Zukunft. „In diesem Jahr weht der Wind für unsere Branche rauer“, fasste Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), die Stimmung zusammen. In den Augen der meisten Vertreter der NFZ-Branche war in Hannover wohl eher Sorge, gepaart mit einer großen Portion Zuversicht, zu lesen. Mit einer Ausnahme: Unterhielt man sich mit einem Vertreter aus den südeuropäischen Ländern, dann war das Gesicht nur noch von Entsetzen gezeichnet. Der Absatz in vielen dieser Regionen ist aufgrund der Euro-Krise regelrecht zusammengebrochen. „Der Markt in Südeuropa liegt absolut am Boden“, berichtet beispielsweise Ulrich Humbaur, Inhaber von Kögel Trailer. Die Chinesen kommen Aber Südeuropa ist nur eine von vielen Regionen des weltweiten Nutzfahrzeugmarktes. Das machte eine der wohl internationalsten aller IAA-Nutzfahrzeugmessen deutlich. Nicht zu übersehen waren auch in diesem Jahr die vielen Besucher aus China, die mit ihren Fotoapparaten die Produkte vieler Aussteller „kopierten“. Aber die Manager des weltweit größten NFZ-Marktes reisten diesmal nicht nur zum Schauen nach Hannover: Von den über 1900 Ausstellern kamen mit acht Prozent (152 Firmen) die meisten ausländischen Anbieter aus dem Reich der Mitte. Und auch sonst sorgten die Chinesen für Wirbel auf der Messe. So zeigte zum einen der Traileranbieter Burg Silvergreen zum ersten Mal seine Produkte. Hinter dem neuen Unternehmen steht der chinesische Konzern CIMC. Gebaut werden soll in Günzburg bei Ulm. Dort soll in den nächsten Wochen der Spatenstich erfolgen. Einen Letter of Intent für ein Joint Venture mit chinesischen Konzernen unterschrieben auf der IAA indes zwei bekannte deutsche Trailerhersteller. Kögel macht nun gemeinsame Sache mit Weichai (siehe Interview Seite 10) und Schmitz Cargobull mit Dongfeng. Es sollen gemeinsam Sattelauflieger produziert und verkauft werden. Ein weiteres Top-Thema der Messe: Euro 6. Alle Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen stellten ihre Euro-6-LKW vor. Nach Daimler und Scania, die schon im vergangenen Jahr neue Modelle und Fahrzeuge mit der ab 1. Januar 2014 verpflichtenden Abgasnorm auf den Markt brachten, zogen nun auch MAN, DAF, Volvo, Scania und Renault Trucks nach. Viele Messebesucher suchten dann auch nach der Antwort auf die Frage: Noch ein bewährtes Euro-5-Modell kaufen oder schon auf Euro 6 setzen? Eigene Mautklasse für Euro 6 Entscheidungshilfe zu dieser Frage wollte Peter Ramsauer (CSU) geben. Der Bundesverkehrsminister kam extra nach Hannover, um der Branche mitzuteilen, dass die LKW-Maut in Deutschland neu geregelt wird und Euro-6-Fahrzeuge eine eigene Mautklasse erhalten. „Es ist mein politischer Wille, spätestens zum 1. Oktober des Jahres 2013 eine neue Mautstruktur in Kraft treten zu lassen“, versprach er im Rahmen der Messeeröffnung den vielen anwesenden Spitzenvertretern der Transport und NFZ-Branche. Außerdem kündigte Ramsauer an, dass „ein wesentlicher Teil der höheren Investitionskosten sich über die geplante Besserstellung rechnen wird“. Konkrete Cent-Beträge wollte der Minister noch nicht nennen, da sich diese erst aus dem vom Ministerium in Auftrag gegebenen Wegekostengutachten ergeben, das im Frühjahr vorliegen soll. Ramsauer verwies in seiner Rede aber auf den vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und dem VDA vor einem knappen Jahr vorgelegten Mautkompromiss. Die beiden Verbände hatten vorgeschlagen, den Maut-Unterschied zwischen Euro 6 und Euro 5 mit vier Cent anzusetzen. Ab 2016 soll dieser Mautunterschied dann aber wieder um zwei Cent reduziert werden, um einen zu starken Wertverfall von Euro-5-Fahrzeugen zu verhindern. „Ich finde, dass der von VDA und BGL vorgelegte Kompromiss, für den ich ausgesprochen dankbar bin, eine sehr zuverlässige und wichtige Orientierung darstellt“, so Ramsauer. McAllister: Transitrecht für Lang-LKW Scharf attackiert wurden von Ramsauer in Hannover die politischen Gegner des Feldversuchs mit Lang-LKW. Er kritisierte die von SPD und Grünen geführten Bundesländern eingereichte Verfassungsklage gegen den Lang-LKW-Feldversuch. Vor allem, weil es bei der Klage weniger um die Sache an sich gehe, sondern darum, dass er als Minister den Feldversuch mittels einer Ausnahmeverordnung ohne Beteiligung des Bundesrates umgesetzt habe. Solch „juristische Kleinkrämerei“ ohne Argumente in der Substanz „stacheln mich noch mehr an, am Lang-LKW weiterzuarbeiten“. Kritik kam auch von Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU). Er verlangte ein Transitrecht für Lang-LKW. Der Ministerpräsident forderte jene Bundesländer auf, die den seit Januar laufenden Feldversuch mit Lang-LKW nicht unterstützen, die bis zu 25,25 Meter langen Fahrzeuge über die Autobahnen in ihrem Bundesland fahren zu lassen. „Mit Kleinstaaterei kommen wir hier nicht weiter“, sagte McAllister. Derzeit beteiligen sich sieben Bundesländer am Feldversuch mit Lang-LKW. Dort dürfen die Fahrzeuge auf Autobahnen und ausgewählten Bundesstraßen verkehren. In den anderen, meist SPD-geführten Bundesländern, die sich nicht am Feldversuch beteiligen, verweigern die Bundesländer den Lang-LKW die Fahrt über die Autobahn-Streckenabschnitte innerhalb ihrer Landesgrenzen. VDA-Präsident Matthias Wissmann appellierte in seiner Rede zur Messeeröffnung an die Politik, sich beim Lang-LKW-Streit zu einigen. „Durch den Lang-LKW können bis zu 30 Prozent aller Fahrten eingespart werden“, so der Chef des Verbandes der Automobilindustrie. Die ersten Erfahrungen mit dem Feldversuch in Deutschland hätten das klar bewiesen. Die Fahrzeuge seien regelmäßig im Vor- und Nachlauf zur Eisenbahn im Einsatz. „Reibungslos, solide und völlig unspektakulär. Das sollte auch diejenigen überzeugen, die bislang skeptisch waren“, so Wissmann. SPD bewegt sich bei Lang-LKW Und einen Tag nach Wissmanns Aufforderung kam sogar Bewegung in die Lang-LKW-Diskussion. Im Rahmen der VerkehrsRundschau-Veranstaltung „Feldversuch mit Lang-LKW: eine erste Zwischenbilanz“ plädierte die Bundestagsabgeordnete und SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann für einen Mittelweg zwischen Verbot und unbeschränkter Freigabe. Ihr Kompromissvorschlag: Dauerausnahmegenehmigungen für Punkt-zu-Punkt-Verkehre. Damit könnten die langen LKW da fahren, wo es sinnvoll sei und die Kommunen hätten eine Lenkungsmöglichkeit bei den Routen. Ein neue Position der SPD zum Lang-LKW, die für Überraschung sorgte in der bisher festgefahrenen politischen Auseinandersetzung. Ernüchterung bei E-Mobilität Nicht mehr so im Fokus wie auf der letzten IAA vor zwei Jahren stand bei den Präsentationen der NFZ-Hersteller in diesem Jahr das Thema Elektromobilität. Zwar war das Besucherinteresse an den Elektrofahrzeugen der Hersteller nach wie vor sehr hoch. So präsentierte Daimler beispielsweise neben dem bekannten vollelektrischen Vito nun auch erste Konzepte für einen elektrobetriebenen Sprinter. Viel Aufmerksamkeit bekam auch Volkswagen für das speziell für Post- und Kurierzustellungen entwickelte vollelektrisch angetriebene Zustellfahrzeug „ET“. Insgesamt herrschte aber eher Ernüchterung. Nicht zuletzt auch wegen der mangelnden politischen Unterstützung und auch der ungelösten technischen Probleme: Die Reichweiten der Transporter liegen nach wie vor nur zwischen 100 und 170 Kilometern, die Preise der Batterien sind immer noch viel zu hoch für eine wirtschaftliche Nutzung und noch ist nicht geklärt, woher die Energie fürs Heizen und Kühlen des Fahrzeuginnenraums kommen soll. Denn wie die angegebene Reichweite des E-Fahrzeugs sich reduziert, wenn im Winter die Heizung läuft, konnten die Transporter-Hersteller am Messestand nicht wirklich beantworten. Nur Daimler zeigte hier eine Neuheit: Im neuen E-Vito und wahrscheinlich auch beim Elektro-Sprinter wird die Heizenergie nicht elektrisch, sondern durch einen kleinen LPG-Tank bereitgestellt. Hellmann testet LNG-LKW Gas als alternative Energiequelle war insgesamt auf der IAA (wieder) ein Thema. Diesmal in der Form des LNG, Liquid Natural Gas, also unter Druck tiefgekühltes (minus 162 Grad Celsius) und verflüssigtes Erdgas. Der Logistikdienstleister Hellmann stellte auf der IAA die Ergebnisse eines vierwöchigen Praxistests mit zwei schweren Nutzfahrzeugen vor. Die Zugmaschinen von Iveco und Scania mussten sich auf drei normalen Touren unter voller Nutzlast im Alltagseinsatz bewähren und hatten dabei eine Strecke von 20.000 Kilometern zurückgelegt. Laut Hellmann sind die Fahrzeuge verglichen mit einem Euro-6-LKW in der Anschaffung etwa 25.000 bis 30.000 Euro teurer, der Einsatz rechne sich aber aufgrund des Gas-Preises und des Minderverbrauchs ab Fahrleistungen von über 120.000 Kilometern im Jahr. Aber: Problematisch ist die fehlende Tankstelleninfrastruktur für LNG. Und eine baldige Lösung des Infrastrukturproblems in Deutschland ist nicht in Sicht. Der Mineralölkonzern Shell will im kommenden Jahr LNG in den Niederlanden einführen, für Deutschland gebe es derzeit aber noch keine konkreten Pläne, so Karsten Wilbrand, Leiter Kraftstoffentwicklung von Shell auf der Messe. Dennoch hält er das Thema für einen wachsenden Markt, denn die Gasvorkommen würden noch rund 200 Jahre reichen und damit länger als Öl. Bislang wurde bei Gasantrieben vor allem über CNG gesprochen. „Aber das Thema wandelt sich gerade“, sagt Dirk Lehmbeck von Mercedes-Benz Special Trucks. Der Grund seien die mit LNG erzielbaren fernverkehrstauglichen Reichweiten. Schon vor der Messe war klar, Aerodynamik wird eines der großen Themen in Hannover. Sie ist neben der Antriebstechnologie der zweite große Hebel, den Dieselverbrauch zu senken. Vor allem drei Fahrzeuge zogen die Blicke auf sich. Ein Sattelzug, bestehend aus der Studie MAN Concept-S als Zugmaschine und dem stromlinienförmigen Aero Liner von Krone als Auflieger. Laut MAN bietet der Sattelzug das Ladevolumen eines konventionellen LKW, erreicht dabei aber einen Luftwiderstandswert auf PKW-Niveau. Dadurch ließen sich bis zu 25 Prozent Kraftstoff einsparen. Mercedes-Benz war gleich mit zwei Hinguckern am Start. Dem Aerodynamics Trailer und dem Aerodynamics Truck. Mit dem neuen Trailer spart ein Fernverkehrs-Sattelzug im Jahr laut Hersteller bei einer Laufleistung von 150.000 Kilometern rund 2000 Liter Diesel und seinem Betreiber damit fast 3000 Euro Kosten. Mit einer entsprechenden Zugmaschine seien Verbräuche von 25 Litern auf 100 Kilometer bei einem 40-Tonner möglich. Gebaut wird der von Mercedes entwickelte Trailer von Schmitz Cargobull. Aerodynamischer Solo-LKW Beim zweiten Fahrzeug handelt es sich um den Solo-LKW Mercedes-Benz Aerodynamics Truck für den Fern- und Verteilerverkehr. Er spare im Jahr durch seine um zwölf Prozent verbesserte Aerodynamik je nach Einsatz zwischen 300 und 600 Liter Diesel, so Mercedes-Benz. Das Fahrzeug ist ein Prototyp. Basis des Truck ist ein zweiachsiges Pritschenwagen-Fahrgestell mit 18 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und dem 2,30 Meter breiten Fahrerhaus des Actros Classic-Space. Knackpunkt der Fahrzeuge, besonders des Trailers, ist das sogenannte Boatstail: Spezielle Klappen, die das Fahrzeug verlängern und durch ihre Form und Position erheblich zu den aerodynamischen Verbesserungen beitragen. Mehr Länge für weniger Verbrauch Aber, sie verlängern die Auflieger über das gesetzlich erlaubte Maß – sonst würde Laderaum verloren gehen. Daher ist eine Modifizierung der Längenvorschriften nötig, die auf der IAA von allen Seiten gefordert wurde. Die EU-Kommission diskutiert derzeit eine Erweiterung der maximalen Länge um bis zu 500 Millimeter bei aerodynamischen Maßnahmen am Heck. Voraussetzung: Die Ladelänge darf nicht eingeschränkt werden, die Verlängerung muss bei stehendem Fahrzeug auf die erlaubte Maximallänge von 16,5 Meter bei Sattelzügen einklappbar sein und darf die Verwendung im Kombinierten Verkehr nicht beeinträchtigen. Weitere Highlights und Produktneuheiten der diesjährigen IAA finden Sie auf den nächsten Seiten. ❙❚■ Birgit Bauer, Serge Voigt, André Gieße, Andre Kranke Gesprächsthemen auf der 64. IAA Nutzfahrzeuge waren neben dem Iveco Stralis Hi-Way (l. o.), der als Truck of the Year 2013 ausgezeichnet wurde, und dem neuen DAF XF mit Euro-6-Motor (M.) die aerodynamisch optimierten Fahrzeugkombinationen von MAN und Krone sowie Mercedes-Benz Höhepunkte der 64. IAA Nutzfahrzeuge IAA-Nachbericht Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (M.) stellte der Branche in Hannover eine neue Mautklasse für Euro-6-Fahrzeuge in Aussicht und appellierte für weniger Kleinstaaterei beim Lang-LKW-Feldversuch. Dieselbe Meinung vertrat auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (r. u.) IAA-Nachbericht Rund 1900 Aussteller aus 46 Ländern zeigten ihre Produkte auf dem Messegelände. Anders als vor zwei Jahren stand die Elektromobilität diesmal nicht mehr im Fokus der Präsentationen. Dennoch war das Besucherinteresse an Fahrzeugen wie dem vollelektrischen Vito von Mercedes-Benz (M. u.) groß Höhepunkte der 64. IAA Nutzfahrzeuge Während viele ziehenden Einheiten im Vorfeld der Messe vorgestellt worden waren, sorgten die Trailerbauer für Überraschungen – so auch Kögel, die nun mit Weichai aus China (r. u.) kooperieren

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Alle Schlagzeilen

IAA-Nachbericht

HASHTAG

#Personalie

Resolution gegen Sparpläne bei Wasserstraßen

SPD kann sich Einsatz von Lang-LKW vorstellen

Ramsauer will Geld für neue Moselschleuse geben

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER