HydroDrive versus Allrad

HydroDrive oder 6x4? Diese Frage soll im Konzeptvergleich mit zwei MAN-Kundenfahrzeugen des Bauunternehmens Eberhard endgültig geklärt werden. Die Fahrer Philipp Höfling und Ivo Wintsch lassen nichts auf ihre metallicgrün schimmernden Löwen kommen: Während Höfling einen TGS 18.440 4x4 H BLS steuert, greift Wintsch bei einem 26.440 6x4 BLS ins Steuer und verzichtet dafür beim Schwarzmüller-Sattel auf eine Achse. Das H beim 18.440 signalisiert den HydroDrive (siehe Kasten Seite 50). Optisch steht sein Zug satter da und gewinnt den inoffiziellen Schönheitspreis. Außerdem kommt sein Auto laut dem Züricher Verkäufer Martin Streich rund 2000 bis 3000 Schweizer Franken (entspricht 1800 bis 2800 Euro) billiger als der HydroDrive, der preislich auch noch über den Zuschaltallradlern liegt. Die Eberhard Unternehmungen, mit Hauptsitz im schweizerischen Kloten, sind seit gut 50 Jahren in den Bereichen Tiefbau, Rückbau, Recycling und Altlastsanierung tätig. Ihr Logistikgeschäft ist auf die Bereitstellung und Optimierung aller maschinen- und leistungsbezogenen, betrieblichen Abläufe innerhalb der Produktionsanlagen und auf den Baustellen ausgerichtet. Dazu zählen auch eigene Werkstätten zur Wartung des Fuhr- und Maschinenparks. Interessant ist die Tatsache, dass Eberhard die Fahrzeuge komplett auf Gewicht optimiert: Die Fahrer bekommen das volle Sicherheitspaket und die lange Kabine, falls sie einmal draußen bleiben müssen, was laut Fahrer Höfling auch den Alltag erheblich erleichtert. Doch sonst spart Eberhard Gewicht, wo es geht: Alukessel und -räder, 295er-Reifen, die weitere sechs Kilo pro Rad holen, und beim Rahmen muss die mittelschwere Variante genügen. Im ersten Anlauf gescheitert Womit wir beim ersten Argument pro HydroDrive wären: Der 4x4 mit HydroDive wiegt laut Datenblatt satte 1300 Kilo weniger. Und wie sieht es mit der Traktion aus? Zum Test stellen wir die beiden leeren Züge in eine rund zehnprozentige Steigung und fahren an respektive lassen die Löwen mit den Pfoten scharren: Weder 4x4 H noch 6x4 schaffen dann einen Start aus dem Stand. Also HydroDrive respektive Sperren aktiviert und beide Züge ziehen hintereinander weg, als hätte es nie ein Traktionsproblem gegeben. Dann das Ganze rückwärts - mit dem gleichen Ergebnis: Unbeladen und ungesperrt drehen die Hinterräder des 6x4 ebenso hilflos durch wie der 4x4 H. Aktivieren die Fahrer ihre Traktionshilfen, schieben abermals beide ihren Sattel brav bergan, als hätte es nie ein Problem mit dem Grip gegeben. Also auch hier wieder ein Patt, wobei es dennoch Unterschiede gibt: Um Ecken schieben geht mit dem handlicheren HydroDrive etwas leichter, da der 6x4 gesperrt natürlich nicht so gern um enge Kurven geht - Allrad-Fahrer Wintsch tut das schon fast körperlich weh. Auch die Festigkeit des Bodens spielt eine Rolle: Auf weichem Untergrund verteilt der 6x4 seine Last unbeladen etwas geschmeidiger und gräbt sich im Zweifel nicht so schnell und so tief ein wie der 4x4 H. Umgekehrt kann er schon an kleinen Kuppen scheitern, die ihm eine Achse aushebeln, zum Beispiel Querfugen, die ein Radlader vor einem Berg aufgeschoben hat. Auch in der Wendigkeit tut sich der 4x4 H etwas leichter, wenngleich man dann beim Trailer mit den drei verschränkenden Achsen mehr zu kämpfen hat als mit dem Doppelachser hinter dem 6x4. Der Radlader packt die beiden Züge anschließend auf 40 Tonnen auf, um den Vergleich beladen weiterzuführen. Abermals geht es den Stich hinunter in die Grube und da gerät der 4x4 H an der HydroDrive-Vorderachse schon an seine Grenzen und neigt immer wieder zum leichten Überbremsen, was dank Bau-ABS aber kein Problem ist. Trotzdem kriecht der Zug die Passage absolut entspannt hinunter, da der Radnabenantrieb getriebeseitig abgeleitet ist und so mitbremst. Allerdings tut sich der 6x4 hier dank der satteren Auflagefläche prinzipbedingt leichter. Der anschließende Anstieg ist für beide kein Problem. In der Grube goutiert Höfling im 18.440 außerdem das üppige Drehmoment, das seiner Meinung nach beim Wechsel von Euro 5 auf Euro 6 und vom D20 auf den D26 gerade untenherum fühlbar stieg - "Hubraum ist halt durch nichts zu ersetzen", grinst der Fahrer. Tatsächlich kann man den handgeschalteten 4x4 H meist im vierten Gang "stehen" lassen, wo er selbst Drehzahltäler von 700 Touren souverän einebnet. Insofern vermisst man in der Grube die TipMatic nicht, die man wegen ihrer langen Schaltzeiten ohnehin besser auf manuell einstellt. Was MAN einmal ändern könnte: Wegen schwacher Klips hat man beim Handschalter schnell die Abdeckkappe des Schalthebels in der Hand. Außerdem sollten Fahrer tunlichst auf die Synchronringe achten: Da genügt schon etwas Druck am Schalthebel respektive ein zu frühes Anlegen des Ganges, um dort nach ein paar Jahren Probleme zu bekommen - wer diese Millisekunden wartet, wird dagegen nie etwas von seinen Synchronringen mitbekommen und verliert beim Schalten zudem nicht wirklich Zeit oder Leistung. Klarer Vorteil im Straßenverkehr Auf öffentlichen Straßen fährt der 6x4 dem 4x4 H dann deutlicher davon: Vor allem im dichten Berufsverkehr und an Kreiseln genießt Wintsch das automatisierte Getriebe, während Höfling oft überlegen muss, ob er jetzt die Gruppe wechseln muss oder doch besser nicht. "Dass es den HydroDrive bisher nur handgeschaltet gab, war für uns durchaus ein Thema", erklärt Richard Kübli, Leiter der Fahrzeuglogistik bei Eberhard. Zumal Eberhard seinen Baustellenfuhrpark sehr zügig auf automatisierte Schaltgetriebe umgestellt hat, deren Vorteile die Fahrer auch bald schätzten. Außerdem spart die TipMatic wieder ein paar Kilo Gewicht. Hinsichtlich Verbrauch macht Eberhard einen leichten Vorteil für den 4x4 H aus, dem letztlich auch unsere Empfehlung gilt, zumal er ab sofort mit der TipMatic zu koppeln ist. Denn hinsichtlich Traktion und Wendigkeit muss sich der Zwei- nicht hinter dem Dreiachser verstecken. Ein weiteres schlagendes Argument kam aber bis jetzt noch gar nicht zur Sprache, und das ist seine Flexibilität: Denn den 4x4 H kann Kübli bei Bedarf auch mal vor einen Schubboden oder einen Baustoffsattel spannen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Baufahrzeuge www.verkehrsrundschau.de/dossiers So funktioniert die Allrad-Alternative Kurz erklärt: HydroDrive Den zuschaltbaren hydraulischen Vorderachsantrieb hat MAN für Verhältnisse entwickelt, in denen kurzzeitig zusätzliche Traktion an der Vorderachse erforderlich ist, wie etwa beim Ein- und Ausfahren in Baustellen oder Kiesgruben, beim Befahren von unbefestigten Wald- und Feldwegen oder an Steigungen und auf rutschigen Fahrbahnen.Das HydroDrive-Fahrzeugprogramm im MAN TGS und TGX umfasst Zweiachser, Dreiachser und Vierachser. Der Teilzeitallradantrieb ist mittlerweile sowohl mit dem automatisierten ZF-Schaltgetriebe Tipmatic als auch mit manuellen Schaltgetrieben kombinierbar. Das System lässt sich über den Differenzialsperren-Drehschalter auch während der Fahrt unter Last zuschalten. Ab einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 30 Kilometern pro Stunde (km/h) schaltet er sich automatisch ab, fällt die Geschwindigkeit unter 22 km/h schaltet er sich wieder zu. Bei Bergabfahrten mit zugeschaltetem HydroDrive wirkt die Dauerbremse auch auf die Vorderachse und soll so das Fahrzeug stabilisieren.Bei dem Antrieb sitzt eine Hydropumpe am Getriebeausgang, die die Radnabenmotoren an der Vorderachse speist. Die Technik, die im Vergleich zum Allradantrieb ohne Verteilergetriebe auskommt, ist laut MAN in Sachen Kraftstoffverbrauch und Verschleiß vergleichbar mit einem konventionellen Hinterachsantrieb. Im Vergleich zum klassischen Allrad spart das System zudem 400 Kilogramm. Im Straßenbetrieb werden nur die Hinterräder angetrieben, Hydropumpe und Radmotoren erzeugen keine Reibung. Beim Allradantrieb dagegen drehen sich die Übertragungselemente des vorderen Achsantriebes auch abgeschaltet mit. sv

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