Welche verkehrspolitischen Hauptaufgaben muss Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aus Ihrer Sicht bis zu den nächsten Bundestagswahlen noch anpacken?
Anton Hofreiter: Es braucht weniger Symbolpolitik, sondern mehr konkrete Gesetzgebungstätigkeit. In der Bahnpolitik wird zu wenig zur Stärkung des Wettbewerbs getan. Notwendig ist ein Vorschlag für eine wirksame Eisenbahnregulierung und für die Finanzierung von Eisenbahninfrastruktur von nichtbundeseigenen Bahnen. Außerdem darf die Kappung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverkehrsverträge zwischen den DB-Infrastrukturgesellschaften und der Holding nicht länger blockiert werden, damit die Gewinne aus diesem Bereich nicht mehr wettbewerbsverzerrend eingesetzt werden können, sondern dem Ausbau der Infrastruktur zu Gute kommen. Zudem ist ein schon vor zwei Jahren angekündigtes Klimaschutzkonzept für den Verkehr bis heute nicht in Sicht. Der Verkehrsminister kritisiert die Vorgaben des Weißbuchs Verkehr, hat aber keine eigenen Ziele und Maßnahmen vorzuweisen.
Angesichts der prognostizierten wirtschaftlichen Stagnation im kommenden Jahr: Erwarten Sie Einschnitte für den Verkehrsetat des Bundes?
Der Haushalt für nächstes Jahr ist verabschiedet. Wenn es keinen Nachtragshaushalt gibt, sind Einschnitte für 2012 nicht zu erwarten. 2013 wird sich zeigen, ob es der Regierung gelungen ist, ein verkehrsplanerisch sinnvolles und finanziell darstellbares Gesamtkonzept zu entwickeln. Momentan haben wir im Verkehrsbereich ein fast schon absurdes Missverhältnis zwischen beschlossenen Projekten und dem im Haushalt zu Verfügung stehendem Geld. Der neue Investitionsrahmenplan verspricht wie seine Vorgängerpläne mehr als er halten kann.
Wie sollen die Herausforderungen des zunehmenden Güterverkehrs angesichts der Schuldenbremse gemeistert werden?
Es braucht zunächst eine klare Prioritätensetzung und einen Verzicht auf milliardenschwere Prestigeprojekte, die kaum verkehrlichen Nutzen bringen. Im Bahnbereich fördern wir überwiegend ICE-Neubaustrecken für den Personenverkehr, obwohl im boomenden Schienengüterverkehr die Engpässe im größer werden. Hier bedarf es einer Umsteuerung. Zusätzliche Einnahmen brächte ein verursachergerechte Anlastung der externen Kosten der Straßengüterverkehrs, wie sie mit der Revision der Eurovignettenrichtlinie möglich geworden ist. Stattdessen hat das Bundesverkehrsministerium die bereits beschlossene Anhebung der LKW-Maut für Euro-3-LKW zum 1. Januar 2010 rückgängig gemacht und dadurch auf einen dreistelligen Millionenbetrag verzichtet. Auch bei der beschlossenen Ausweitung der LKW-Maut auf vierspurige Bundesstraßen kommt das Ministerium nicht weiter. Das bedeutet einen Verlust von 100 Millionen Euro zusätzlichen Mauteinnahmen pro Jahr. (sb)
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