Hamburg. Das hanseatische Dauerthema heißt Schlagloch. Der ewigen Wiederkehr der Gezeiten vergleichbar führt die Hamburger Tagespresse mit schöner Regelmäßigkeit ihrer Stadtregierung den Verfall von Straßen, Gebäuden und Brücken vor Augen. Und sie hat recht: Sogar der landeseigene Rechnungshof bezifferte bereits vor zwei Jahren den Sanierungsstau bei der öffentlichen Infrastruktur auf mindestens 4,7 Milliarden Euro. Die wichtigsten innerstädtischen Straßen sind laut Rechnungshof mit geschätzten 400 Millionen Euro dabei, in den Erhalt der Brücken müsste die Stadt 100 Millionen Euro stecken und das für Hamburg seit jeher besonders wichtige Wasserstraßen- und Siel-Netz mit noch einmal 200 Millionen.
Jahrelange Vernachlässigung
Die Misere ist das Ergebnis einer jahrelangen Vernachlässigung in der Straßen- und Wegeunterhaltung, wie derselbe Bericht des Rechnungshofs aufzeigt. Doch inzwischen hat der Rückstand bei der Pflege der Infrastruktur ein Ausmaß erreicht, das keinen reibungslosen Gütertransport aus dem und in den Hafen nicht mehr in jedem Fall gewährleistet. Schwergut-LKW müssen für die Fahrt zu ihren Schiffen im Hafen mittlerweile lange Umwege in Kauf nehmen, weil die Tragkraft vieler maroder Brücken in der Stadt eingeschränkt ist. Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, spricht aus, was man in den Reedereikontoren befürchtet: „Große Sorge bereitet der Hafenwirtschaft der sich immer weiter verschlechternde Zustand der Infrastruktur“. Die Qualität der see- und landseitigen Infrastruktur werde immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für den Hamburger Hafen. Schwergutladungen aus den südlicheren Bundesländern könnten auf den Weg zu „Konkurrenzhäfen“ an Rhein und Schelde gedrängt werden.
„Freie und marode Stadt Hamburg“
Die führende Regionalzeitung an der Elbe, das „Hamburger Abendblatt“, hielt in ihrer jüngsten Wochenendausgabe dem Senat jetzt den Spiegel vor. Das Blatt titelte „Freie und marode Stadt Hamburg“ und listete die Mängel auf. Der ADAC Hansa schätzt, der Sanierungsstau auf Hamburgs Straßen betrage „gut 2,5 Milliarden Euro“, weit mehr als vom Rechnungshof unterstellt. Und mit jedem Winter kämen weitere Schlaglöcher dazu. Zu Recht bezog das Abendblatt auch die Lage bei der Deutschen Bahn mit ein. Sie muss ihren Nord-Süd-Verkehr über nahezu marode Brücken führen. Kritisch ist die Sternbrücke Altona. Im chronisch überlasteten Hamburger Hauptbahnhof leidet der Vollbetrieb unter unaufschiebbaren Gleisbauarbeiten und Weichenwechsel. Fast sechs Millionen Euro läßt sich die Bahn diese vergleichsweise kleine Sanierung kosten. Um das gesamte Hamburger Bahnnetz durchgreifend instandzusetzen, bräuchten die Bahnmanager laut Abendblatt 500 Millionen Euro.
Die Unterlassungen der Vergangenheit ließen den seit zweieinhalb Jahren allein regierenden Senat nicht ruhen: Nach dem Prinzip „Bestand vor Neubau“ legte der Senat ein „Sanierungsprogramm Hamburg 2020“ auf, das im Sommer in Angriff genommen wurde (VerkehrsRundschau berichtete). Das Budget für die Instandsetzung der Hamburger Straßen und Brücken ist inzwischen auf fast 90 Millionen Euro im Jahr angewachsen, bis zum Regierungswechsel im Frühjahr 2011 waren es weniger als 20 Millionen. (cfd)