Brüssel/Berlin. Grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW in der EU allgemein und selbst zwischen zwei Ländern, in denen Lang-LKW fahren dürfen, verstoßen gegen europäisches Recht. Zu dieser Feststellung kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das jetzt öffentlich zugänglich ist. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) soll dazu während einer Debatte im Europa-Ausschuss des Deutschen Bundestages am kommenden Mittwoch Stellung beziehen. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer, der ein Gegner der Lang-LKW ist, kündigte an, Ramsauer bezüglich des Gutachtens und seiner Einstellung zu Lang-LKW zu befragen.
Die Autoren der wissenschaftlichen Beurteilung kommen nach der Prüfung der europäischen Gesetzestexte zu dem Schluss, dass grenzüberschreitende Fahrten nur mit Fahrzeugen zulässig sind, die eine Höchstlänge von 18,75 Metern (Lastzug) aufweisen. „Da Gigaliner dieses Längenmaß überschreiten, wäre deren Gebrauch für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Art. 3 ABs. 1 RL 96/53/EG unzulässig“, heißt es wörtlich in der Schlussfolgerung des Gutachtens.
Hinzu käme, dass Absatz 4 der EU-Richtlinie den Einsatz von längeren Fahrzeugen unter bestimmten Umständen nur für den innerstaatlichen Verkehr erlaube. „Im Umkehrschluss (…) ist daher festzustellen, dass der grenzüberschreitende Verkehr von dieser Ausnahmeregelung gerade nicht umfasst werden soll. Auch die Nutzung von Gigalinern für den Transport zwischen benachbarten Mitgliedsstaaten, welche beide den Betrieb von Gigalinern im innerstaatlichen Verkehr zugelassen haben, wäre mit dem obigen Wortlauf der RL 96/53/EG – innerstaatlicher Verkehr – wohl nicht vereinbar.“ So das Gutachten. Die einzige Alternative, grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW zuzulassen, bestehe darin, das geltende EU-Gesetz „nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ zu verändern.
Das Gutachten „Grenzüberschreitende Fahrten von sog. Gigalinern“ kann hier heruntergeladen werden.
EU-Verkehrskommissar Siim Kallas wollte Ende Februar einen anderen Weg einschlagen. Aufgrund eines bislang nicht öffentlich zugänglichen Gutachtens der Rechtsabteilung der EU-Kommission war Kallas zu dem Schluss gekommen, dass grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW sehr wohl zwischen zwei Staaten erlaubt seien, in denen sie im innerstaatlichen Verkehr fahren dürfen. Bis dahin hatte Kallas immer behauptet, dass es diese Möglichkeit nicht gebe. Seine Neuinterpretation hatte eine Welle des Protestes im Verkehrsausschuss des Europaparlaments ausgelöst. Die Abgeordneten fühlten sich von Kallas übergangen und verwiesen auf den üblichen Gesetzgebungsprozess als einzige Möglichkeit, grenzüberschreitende Fahrten von Lang-LKW nach EU-Recht zu erlauben. Kallas zog daraufhin seine Entscheidung zurück. (kw)