Hamburg. Die Überraschung in der Branche hätte nicht größer sein können: Die drei großen japanischen Containerreedereien Nippon Yusen Kaisha (NYK), Mitsui OSK Lines (MOL) und Kawasaki Kisen Kaisha (K-Lines) treten ab April 2018 unter einem neuen Namen gemeinsam an. Das hatten altgediente Fuhrleute in der Schifffahrt nicht für möglich gehalten. Zu stark waren traditionelle Differenzen der mehr als 100 Jahre alten Konglomerate, zu denen die Reedereien gehören, zu tief die Gräben, die sie trennten.
Zusammengeführt hat die japanischen Reedereien Not und nackte Angst nach acht Jahren Krise in der Schifffahrt. Sie haben riesige Verluste angehäuft und seit Ende August das Schicksal ihres koreanischen Konkurrenten Hanjin Shipping vor Augen: Die endgültige Pleite. Zwar laufen für Hanjin noch Rettungsbemühungen, aber als globale Reederei sind die Koreaner aus dem Spiel. Niemand wird nach den Erfahrungen mit der Hanjin-Pleite einer wackeligen Reederei noch einen Container anvertrauen. Zehntausende von Containern kamen verspätet an, mussten teuer bei den Terminals ausgelöst werden oder waren am Ende ganz wertlos, weil sie Saisonware enthielten. Die Schäden bei Kunden, Banken, Versicherungen und Lieferanten sind noch nicht übersehbar.
Sparen, Fusionieren, Kaufen
Acht Jahre Krise haben die globale Schifffahrt auf eine strikten Kurs getrieben: Sparen, Fusionieren, Kaufen. Die chinesischen Reedereien Cosco und China Shipping Container Lines (CSCL) sind schon vereinigt, die französische Reederei CMA CGM hat APL aus Singapur übernommen, und die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd hat sich erst die Containersparte der chilenischen CSAV einverleibt und dann die arabische UASC. Der Übernahmeprozess soll noch vor Weihnachten abgeschlossen werden.
Die Japaner wären nach der Fusion weltweit auf Platz sechs unter den großen Containerreedereien, fast auf Augenhöhe mit Hapag-Lloyd und Cosco. Mit einigem Abstand davor rangieren die „großen Drei“ – der dänische Marktführer Maersk, die schweizerische MSC und CMA CGM aus Frankreich. Hapag-Lloyd begrüßt diese Entwicklung. „Die Konsolidierung in der Schifffahrt setzt sich fort, was notwendig ist und der Industrie hilft, sich zu erholen und nachhaltig zu wachsen“, sagte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen dem „Hamburger Abendblatt“.
Die Frachtraten, die wegen der Überkapazitäten in der Schifffahrt und des schwachen Wachstums des Welthandels seit Jahren im Keller sind, haben sich durch die Fusionen noch nicht stabilisiert. „Wir haben nicht zu viele Reedereien, sondern zu viele Schiffe“, sagt der Hamburger Schifffahrtsexperte Ulrich Malchow. „Die Insolvenz von Hanjin hat nur kurzzeitig Erholung gebracht, da die verfügbare Schiffskapazität durch das Festsitzen der Schiffe in und vor den Häfen abrupt um etwa fünf Prozent reduziert wurde.“ Mittelfristig kämen die Schiffe jedoch aus der Verwertung deutlich günstiger in den Markt zurück und machten die Situation noch schlimmer.
Fragezeichen hinter Hamburg Süd
Nach der Fusion in Japan gibt es weltweit noch zwei Länder, in denen mehr als eine große Reederei ihren Sitz hat: Taiwan und Deutschland.
Die taiwanesischen Unternehmen Evergreen, Yang Ming und Wan Hai gelten als heiße Favoriten für die nächste Konzentrationsrunde. In Deutschland hat Hapag-Lloyd seine Hausaufgaben gemacht und zumindest den Anschluss an die Weltspitze gehalten. Ob das reicht? „Gut möglich, dass ähnlich wie in der Branche der globalen Paketdienste am Ende nur die gegenwärtigen großen Drei übrig bleiben“, sagt Malchow, der an der Hochschule Bremen „Maritime Economics“ lehrte.
Ein großes Fragezeichen steht bei der zweiten deutschen Linienreederei Hamburg Süd. Das Unternehmen aus dem Oetker-Konzern gilt als zu klein, um allein zu überleben, und ist zudem stark spezialisiert auf Südamerika-Verkehre. Wegen der notorischen Schweigsamkeit des Oetker-Clans ist über die wirtschaftliche Verfassung der Reederei mit rund sechs Milliarden Euro Umsatz und
6000 Beschäftigten nicht viel bekannt. Die letzten Aussagen stammen aus dem April dieses Jahres. Da war die Rede von „hohem Ergebnisdruck“.
Die Zukunft von Hamburg Süd ist ein beliebtes Thema beim Küstenklatsch. Immerhin sucht Marktführer Maersk nach Kaufgelegenheiten. Die Dänen haben in der Containerschifffahrt im dritten Quartal mehr als 100 Millionen Dollar verloren, wollen aber lieber auf Gewinn verzichten als auf Marktanteile. Für Maersk-Chef Sören Skou bedeutet die Konsolidierungsphase der Branche, dass der Konzern die Vorteile der Position als Marktführer nur behalten kann, wenn er stetig wächst – auch durch Zukäufe. (dpa/ag)