Global Player der Mobilität

Der Chef eines Weltverbandes zu sein: Ist das Ruhm, Ehre oder Last? Es ist natürlich eine Ehre, wenn man von Mitgliedern aus über 100 Ländern in so ein Amt gewählt wird. Aber es wird auch die eine oder andere Last dabei sein, vor allem die zeitliche Beanspruchung. Ich bin jedoch bereits einige Jahre im Präsidium und kann daher die Belastungen einschätzen. Sie dürfen dann Antrittsbesuche bei all Ihren Mitgliedsverbänden machen? Nein, die Vertreter der Mitgliedsverbände kommen ja auch nach Genf. Aber natürlich wird es den einen oder anderen Verband geben, wo ich gerade anfangs auch vor Ort sein werde. Dann wollen wir mal testen, wie gut Sie sich auskennen in der Welt: Wie viele Staaten gibt es weltweit? (überlegt) Knapp unter 200? Sehr gut. 193 Nationen sind bei der UN gemeldet, dazu 13 Staaten, bei denen die Staatengemeinschaft unsicher ist. Sitz der UNO? In New York. Sitz der IRU? In Genf. Aber auch in New York, wo wir ein ständiges Büro haben. Sitz der Fifa, des Weltfußballverbandes? Hier möchte ich keine Vergleiche zur IRU ziehen (lacht). Die Fifa sitzt in Zürich. Wer ist der Präsident der Generalversammlung der UNO, also Ihr Kollege? Herr Ban Ki-moon (zweifelt einen Moment). Nein, der ist ja Generalsekretär der UNO. Hm, da muss ich passen. Mogens Lykketoft, irgendein Politiker aus Dänemark. Noch nie bewusst gehört, den Namen. Dennoch, Test bestanden. Zurück zur IRU: Der Straßenverkehr unterscheidet sich von Kontinent zu Kontinent. Wozu braucht es da einen Weltverband wie die IRU? Da gibt es eine einfache Antwort: Mobilität ist global und die Basis unseres gesamten Wirtschaftssystems. Da ist die Straße immer eingebunden. Gerade deshalb braucht es auch einen Global Player auf der Verbandsebene, der die Interessen der Branche weltweit bündelt, die - da stimme ich zu - je nach Kontinent ganz unterschiedlich sein können. Aber da kann man ja voneinander lernen. Was kann ein Weltverband besser als ein Kontinental- oder Landesverband? Eben genau die globale Interessenvertretung. Aber wir müssen uns bei dieser Frage auch von Verbandsstrukturen lösen, wie wir sie hier in Zentraleuropa kennen. Nehmen wir das Beispiel Weiterbildung: In Westeuropa gibt es bei den Nationalverbänden ausgezeichnete Weiterbildungseinrichtungen. Da wird eine IRU-Akademie nicht benötigt. Das ist in weniger entwickelten Staaten anders. Dort kann sie wertvolle Aufbauhilfe leisten und die Transporteffizienz verbessern. So hat die IRU-Akademie den Auftrag erhalten, in Jordanien die Qualifizierung des Transportsektors vorzunehmen. Stehen damit im Fokus Ihrer Präsidentschaft andere Regionen als Mitteleuropa? Die anderen Regionen rücken zumindest stärker in den Vordergrund. Zu den Kernkompetenzen der IRU gehört das Carnet-TIR-Verfahren. Dieses Verfahren verliert in Zentraleuropa aufgrund der Zollunion an Bedeutung. Die IRU hält daher Ausschau nach Märkten, wo dieses Zollverfahren zur Anwendung kommen könnte. Pakistan hat gerade die TIR-Konvention unterschrieben, bei China fehlt nur noch die Ratifizierung, auch die Gespräche mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sind weit gediehen. Welche weiteren Ziele haben Sie sich in Ihrer Amtszeit gesetzt? Ein wesentliches Ziel lautet, die IRU neu aufzustellen, mehr wie eine Wirtschaftsorganisation und sie schlagkräftiger, innovativer und für die Mitgliedsverbände noch nutzbringender und transparenter zu machen. Was heißt das: mehr Transparenz? In der Vergangenheit war es für die Mitglieder nicht immer klar nachvollziehbar, wie Entscheidungen in der IRU getroffen wurden. Und die Prozesse waren auf zu wenige Personen beschränkt. Ich möchte meine Stellvertreter und das gesamte Präsidium stärker einbinden. Die Transparenz schließt auch die Finanzströme ein. Zudem wollen wir den Service für unsere Mitglieder mehr in den Vordergrund rücken. Können Sie ein Beispiel nennen? Viele Verbände in Osteuropa finanzieren sich derzeit noch fast ausschließlich über das Carnet-TIR, das aber zunehmend in ihren Regionen an Bedeutung verliert. Da müssen neue Märkte und Services erschlossen werden, damit die Verbände die Einnahmenverluste kompensieren können. Ist auch für die IRU das Carnet-TIR eine wichtige Einnahmequelle? Die IRU finanziert ihre Verbandstätigkeit vorwiegend durch die Mitgliedsbeiträge. Sie erwirtschaftet auch hohe Umsätze durch das Carnet-TIR-Verfahren als UN-Mandat. Doch dafür müssen auch Aufwendungen und Garantien im erheblichen Umfang geleistet werden. Die IRU verfügt hierfür über ein entsprechendes Eigenkapital, das notwendig ist, um das Garantieverfahren zu stemmen. Ist es nicht ungewöhnlich, dass der künftige Präsident der IRU aus einem Verladerverband kommt und nicht aus einem Transport- oder Personenverkehrsverband? Der BWVL ist zwar ein Verladerverband. Aber wir sind zugleich auch ein Werkverkehrsverband. Die Mehrheit unserer Unternehmen betreibt einen eigenen Fuhrpark. Aus diesem Grund sind wir ja in der IRU engagiert. Die IRU hat nach ihrer Satzung drei Sektionen: den gewerblichen Güterverkehr, den Personenverkehr und den Werkverkehr. Seit geraumer Zeit gibt es in der Praxis nur noch den Bereich Straßengüterverkehr insgesamt und den Personenverkehr. Aber es gibt immer noch zahlreiche Werkverkehrsverbände in der IRU. Wie profitiert ein deutsches Unternehmen von der IRU? Neben der Interessenvertretung gibt es da auch ganz praktische Dinge. Die IRU setzt sich beispielsweise für die Beschleunigung der Grenzabfertigung oder eine schnellere Abfertigung mit Fahrerdauer-Visa oder Sonderspuren mit dem Carnet-TIR ein. Über unsere Homepage können Sie die Wartezeiten an den Grenzen abrufen. Die IRU fördert auch sichere Parkplätze für Lkw und stellt eine entsprechende App zur Verfügung. Nur einige Beispiele dafür, wie sich die IRU auch für das Alltagsgeschäft der Unternehmen einsetzt. Die IRU hat ein Büro in New York. Was bezweckt die IRU damit? Das ist eine klare Notwendigkeit. Unser Vertragspartner für die Abwicklung der TIR-Verfahren sind die Vereinten Nationen mit Sitz in New York. Das ist ein internationales Übereinkommen, das zwar schwerpunktmäßig über die UNECE in Genf verwaltet wird. Wenn wir jetzt mit dem Verfahren zunehmend globaler werden, ist es einerseits wichtig, auch bei der UNO in New York auf die Bedeutung des Zollverfahrens, aber auch auf die des Straßentransports für die globale Entwicklung insgesamt hinzuweisen. Zudem arbeitet die IRU viel mit anderen UN-Organisationen in New York wie der Weltbank zusammen. Derzeit halten Terroranschläge die Welt in Atem. Haben die Anschläge Auswirkungen auf den Transport und sind sie damit auch ein Thema für die IRU? Die IRU befasst sich in verschiedenen Gremien mit der Sicherheit in der Transportkette. Terroranschläge haben hier sicherlich zahlreiche direkte und indirekte negative Folgen, zum Beispiel Verzögerungen im Transportablauf aufgrund stärkerer Kontrollen. Die IRU und ihre Mitgliedsverbände haben sich auch bei der Flüchtlingssituation an den Grenzen, hier vor allem in Calais, engagiert. Damit können wir die Fahrer und deren Unternehmen nicht im Regen stehen lassen. Aber alleine kann die IRU hier auch nicht alles bewegen. Dazu braucht es Partner und Verbündete wie beispielsweise die EU oder die UNO in New York. Sind dann auch Handelsabkommen wie TTIP ein Thema für die IRU? Ja, wir versuchen als IRU auch bei übergeordneten Themen wie den internationalen Handelsabkommen unseren Einfluss dort geltend zu machen. Der Schwerpunkt bleibt aber natürlich der Straßentransport. Unser Ziel ist es, die IRU zu einem Global Player der Mobilität zu machen. Tritt die IRU damit in Konkurrenz zur FIATA, dem Spediteursweltverband? Nein. Wir konzentrieren uns auf den Straßentransport. Die FIATA bearbeitet andere Themen, was jedoch nicht heißt, dass es auch Überschneidungen oder Kooperationen geben kann. Ein globales Thema ist der CO2-Ausstoß. Befasst sich die IRU mit der CO2-Vermeidung? Ja, schon sehr lange. Die IRU hat bereits seit 2009 Klimaschutzziele. Unsere Mitgliedsverbände haben sich damals in einer Resolution verpflichtet, im Sektor bis zum Jahr 2030 30 Prozent CO2 einzusparen. Nimmt die IRU an der Weltklimakonferenz in Paris teil? Ja, Vertreter der IRU werden als Beobachter, aber auch in Begleitveranstaltungen aktiv dabei sein. Befasst sich die IRU mit dem Image des Straßengüterverkehrs? Ja, wir sehen die Verbesserung des Branchenimages als eine unserer Kernaufgaben an. Wir versuchen das Image zu stärken mit öffentlichen Kampagnen und vielen anderen Aktionen. Aber auch ganz praktisch, indem wir zum Beispiel Mitarbeiter qualifizieren oder die Arbeitsbedingungen für unsere Fahrer verbessern. Das alles dient auch dem Image. Image und Effizienz hängen eng zusammen. Nicht zuletzt wollen wir auch aus Image-Gründen 2017 wieder einen IRU-Weltkongress veranstalten. Sie sind weiterhin Hauptgeschäftsführer des BWVL. Was sagt Ihr Präsidium zu der Doppelbelastung? Ich habe dies natürlich im Vorfeld mit meinem Präsidium abgesprochen - und auch mit meiner Frau, die war die größere Hürde (lacht). Natürlich ist das eine zusätzliche Belastung. Aber ich habe andere Ehrenämter abgegeben. Und der BWVL profitiert ja auch und gewinnt an Bekanntheit, wenn ich als Präsident der IRU auftrete und dann auch der BWVL genannt wird. Ich gehe davon aus, dass beides machbar ist. Wäre es vorstellbar, dass Sie als Hauptgeschäftsführer des BWVL zurücktreten und sich dann nur der IRU widmen? Nein, das ist für mich nicht vorstellbar und auch nicht möglich, weil man als Präsident der IRU in leitender Funktion in einem Mitgliedsverband tätig sein muss. Im Präsidium der IRU sind nur Europäer und Vertreter aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Ist die IRU mehr ein europäischer als ein Weltverband? Nein. Natürlich steht aufgrund der Historie immer noch Europa im Fokus: Hier ist die IRU gegründet worden. Aber das wollen wir ja ändern. Auch im Präsidium der IRU wird die Globalisierung voranschreiten. Ich bin mir angesichts der bereits angestoßenen Projekte in der IRU sicher, dass der Verband in zwei, drei Jahren auf vielen Ebenen sein Gesicht stark verändert haben wird. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier IRU www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Christian Labrot Der gebürtige Naumburger studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität in Bonn. Bereits seit 1979 arbeitet Labrot für den Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), der damals noch Bundesverband Werkverkehr und Verlader (BWV) hieß. 1990 wurde er Geschäftsführer, fünf Jahre später Hauptgeschäftsführer.Bei der IRU ist der 62-Jährige seit 1980 als Vertreter des BWVL tätig. 1997 wurde er in die Finanzkommission der IRU gewählt - ein wichtiges Gremium, da die IRU mit der Abwicklung des TIR-Verfahrens auch eine große finanzielle Verantwortung trägt. Seit 2012 ist er der Präsident der Finanzkommission und damit auch Mitglied des IRU-Präsidiums. Am 6. November wurde Labrot für zwei Jahre zum Präsidenten der IRU gewählt. Er tritt das Amt zum 1. Januar 2016 an. cd Der Verband Die International Road Transport Union (IRU) wurde am 23. März 1948 gegründet. Die Initiatoren waren Verbände aus acht Ländern: Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz und Großbritannien. Heute ist die IRU ein Weltverband mit über 180 Mitgliedern, die aus über 100 Ländern stammen, verteilt auf fünf Kontinente. Einer der Hauptaufgaben der IRU ist das Betreiben des Carnet-TIR-Verfahrens. Dabei handelt es sich um ein Zollverfahren, das den Transit durch Länder erleichtert. Noch ist die IRU sehr europäisch geprägt. So kommen beide Stellvertreter Labrots aus Europa: Yves Mannaerts aus Belgien und Radu Dinescu aus Rumänien. Einen Schritt zum Global Player machte die IRU 2013, als ein eigenes Büro in New York eröffnet wurde. cd

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Alle Schlagzeilen

Global Player der Mobilität

HASHTAG

#Landverkehr

Ifo-Indikator: Super Stimmung im Transportgewerbe

Russische Maut: Doch keine Strafen für Fahrer

Transport Market Monitor: Lkw-Frachtraten weiter niedrig

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER