Getrübte Aussichten

So schnell kann die Russland-Krise ein Unternehmen ganz real treffen. Obwohl der Vertrag über den Verkauf einer kompletten Fabrik inklusive Demontage im Westen und Wiederaufbau in Russland schon unter Dach und Fach war, kam plötzlich der Stopp für das Projekt. Der Grund: Eine der im Kaufvertrag genannten Banken fällt unter die Sanktionen, die Europa Ende Juli beschlossen hatte. Damit war das Projekt hinfällig und ist nun bis auf Weiteres verschoben. Den Auftrag für die Projekt-Logistik hatte ein deutsches Schwertransportunternehmen schon in der Tasche. Sämtliche im Vorfeld erworbenen Genehmigungen für die notwendigen Schwertransporte waren mit einem Federstrich hinfällig. Auch wenn die Sanktionen nicht so offensichtlich greifen wie in diesem Fall - die Unsicherheit der Unternehmen ist derzeit groß, weil Unternehmen Zahlungsausfälle fürchten oder Angst davor haben, dass Exportgüter von den Sanktionen betroffen sind. Das gilt vor allem für den Maschinenbau, wo viele Güter unter die Dual-Use-Bestimmungen fallen (siehe auch Beitrag zu den Sanktionen auf Seite 46). Viele Projekte liegen auf Eis Dies bestätigt Herbert Pletowski, Marketing- und Verkaufsleiter der Firma Lantenhammer, die unter anderem in Russland im Projektgeschäft tätig ist und auch die Logistik im Rahmen solcher Projekte betreut. Bisher blieb man verschont, aber die Sanktionen der EU könnten künftig direkte Auswirkungen auf ein wichtiges Kerngeschäft seines Unternehmens haben, das unter anderem Industrieanlagen nach Russland verfrachtet. "Sobald Bestandteile der Anlagen unter die Sanktionen fallen und nicht ausgeführt werden dürfen, liegt so ein Projekt auf Eis oder der Auftrag fällt ganz weg", erklärt der Russland-Kenner. Im reinen Transportgeschäft fallen die Einschätzungen derzeit unterschiedlich aus. Die Spedition Emons bekommt die Auswirkungen der EU-Sanktionen bereits jetzt deutlich zu spüren. "Die Zurückhaltung bei deutschen Exporteuren macht sich massiv bemerkbar", erklärt Dieter Müller, der bei Emons Spedition für das Osteuropageschäft verantwortlich ist. Viele Unternehmen seien aktuell besonders vorsichtig, auch wenn ihre Waren gar nicht unbedingt betroffen sind. Emons ist mit einer eigenen Gesellschaft in Moskau vertreten sowie einer eigenen Transportfirma in Smolensk an der weißrussischen Grenze. Von der Osteuropazentrale im fränkischen Himmelkron fährt täglich ein LKW mit Sammelgut Richtung Moskau und Minsk. Hinzu kommen Teil- und Komplettladungen. "Seit Juni verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang der Warenlieferungen Richtung Russland und einen deutlichen Laderaumüberhang", erklärt Olaf Metzger, Geschäftsführer der Rhenus-Tochter Rhenus Revival Express, die in Russland Transport- und Zolldienstleistungen anbietet. Über den Grenzübergang bei Smolensk direkt an der Grenze zwischen Weißrussland und Russland laufen viele LKW-Transporte aus Deutschland nach Russland. Der Rückgang geht zulasten der Transportpreise, die seitdem deutlich gefallen sind. Rhenus betreibt ein Konsolidierungslager für Sammelgutverkehre aus dem Baltikum in Vilnius. Die Einfuhren Richtung Russland und Weißrussland über das Baltikum sind seit Juni um etwa 25 Prozent eingebrochen. Sven-Boris Brunner, Geschäftsführer der Spedition Militzer & Münch, ist vorsichtig mit seiner Einschätzung zu den Auswirkungen der Sanktionen: "Es ist nach so kurzer Zeit zu früh, um eine Bewertung vorzunehmen, zudem ist es kaum möglich, saisonale Effekte von den konkreten Auswirkungen der Sanktionen zu trennen." Spediteure sollten sich absichern Keinen Effekt stelle man bei Transitgütern fest, die über Deutschland als Drehscheibe aus Fernost in den russischen Markt geliefert werden. Rückgänge gibt es bei Gütern aus den USA, die unter die Sanktionen der Amerikaner fallen und - wenn auch bisher im niedrigen, einstelligen Bereich - bei Maschinenbauteilen aus Europa, die unter die Dual-Use-Bestimmungen fallen. Militzer & Münch, seit vielen Jahren in Russland aktiv, geht derzeit wie die meisten Speditionen auf Nummer sicher und prüft alle Aufträge über eine aktuelle Compliance-Software. Zudem sind die Sachbearbeiter bei der Einzelfallprüfung geschult. "Wir bewegen uns ja auch in anderen Ländern, für die ein Embargo gilt, beispielsweise Iran. Für uns sind diese Prüfungen daher Routine", erklärt Brunner. "Auf jeden Fall sollten Dienstleister das Thema ernst nehmen und eine saubere Dokumentation vorweisen können", lautet sein Rat. Besonders bei Transporten über Drittländer sollten sowohl Versender als auch Transporteure Vorsicht walten lassen, rät Brunner. Dies gelte beispielsweise für Lieferungen ab Werk oder Free Carrier Abwicklungen über ein Nicht-EU-Land wie Finnland. Dahinter stecken oft Dreiecksgeschäfte, die abgewickelt werden, um Sanktionen zu umgehen, warnt Brunner. Sein Rat vor allem Richtung Verlader: "Hier sollte man alle Partner der Kette bis zum Endverbraucher prüfen und die Handelsströme genau prüfen." Ausfuhrbegleitdokumente sollten stets vollständig und ordnungsgemäß vorliegen. Sanktionen wirken als Verstärker Die Euphorie im Geschäft mit Russland hat auch vor der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine schon nachgelassen. Die Wachstumsraten in Russland blieben seit 2012 hinter den Prognosen zurück, erklärt Jens Böhlmann von der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. "Die Auseinandersetzung in der Ukraine hat die Zurückhaltung verstärkt, ist aber nicht ursächlich", sagt Böhlmann. Schnelle Effekte seien durch die beschlossenen Sanktionen der EU nicht zu erwarten, glaubt Böhlmann. Langfristig werde sich aber die Abschottung der russischen Banken vom internationalen Finanzmarkt negativ auf die russischen Unternehmen auswirken. Es wird schwieriger werden, an Geld heranzukommen. In kurzer Zeit wurde der Leitzins zur Stützung der Währung in drei Schritten von 5,5 auf jetzt 8 Prozent erhöht "Das ist Gift für die Investitionsbereitschaft der Unternehmen", erklärt Böhlmann. Finanzierung wird schwieriger Im Prinzip, so beteuert der russische Zoll, hat sich an den Grenzen durch die Sanktionen nichts geändert. Es werden nur einfach keine LKW-Transporte mit Waren aus der reichlich langen Sanktionsliste im Lebensmittelbereich mehr durchgelassen - egal welcher Nationalität Fahrer oder Fahrzeug sind. "Keine Exzesse, keine Warteschlangen, auch kein Ansturm", beschreibt Alexander Djakow, Pressesprecher der Zollverwaltung von Nordwestrussland. Bei der Verzollung von Waren bewegen sich nach Angaben des Zolls in Smolensk die leichten Rückgänge der Warenmengen in den Monaten Mai und Juni jedoch saisonal im üblichen Rahmen. Im Süden der russischen Westgrenze ist hingegen von ruhiger Normalität nichts zu spüren: Im Gebiet Rostow-am-Don werden gegenwärtig überhaupt nur an einem der acht Übergänge zur Ukraine einfahrende LKW vom Zoll abgefertigt. Die mit Sanktionen belegten Lebensmittel aus der EU, den USA, Kanada, Norwegen und Australien treffen vor allem russische Transporteure. Die genannten Länder lieferten 30 Prozent des in Russland verzehrten Käses, 20 Prozent des Schweinefleischs, 18 Prozent des Obstes und 17 Prozent des Fischs. Die russischen Transporteure, die einen Teil der Waren bisher ins Land brachten, müssen jetzt den Gürtel deutlich enger schnallen: Selbst wenn die verbannten Produkte nun aus anderen Ländern importiert werden können, bedeutet dies eine sich ändernde Logistikkette. Frischer Lachs, der bisher weitgehend per LKW aus Norwegen ins Land geholt wurde, soll nun durch chilenischen Lachs ersetzt werden. Bislang aus der EU importierte Milchprodukte sowie Obst und Gemüse sollen durch Lieferungen aus Weißrussland oder der Türkei kompensiert werden. Bei den beiden deutschen Riesen im Lebensmitteltransport, Dachser und Nagel-Group, winkt man bei Anfragen zur Russlandkrise entspannt ab: keine Auswirkungen im Geschäft, da man diese Relation nicht bedient.

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

Getrübte Aussichten

HASHTAG

#Russland

Russland-Boykott trifft auch Hafen Hamburg

Spediteure erwarten negative Auswirkungen durch EU-Sanktionen gegen Russland

Nach Sanktionen: Nur noch kleiner Grenzverkehr mit Russland

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

Who is Who Logistik: Themen und Trends für 2025

STELLENANGEBOTE

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Area HR Business Partner

WEITERLESEN

NEWSLETTER