Geopolitische Krisen mit Folgen

Es hat schon schlechtere Jahre gegeben. Bislang jedenfalls läuft das Jahr 2014 für die deutsche Wirtschaft wie auch für die Logistikbranche ganz zufriedenstellend. Nicht zuletzt dank eines verheißungsvollen Auftakts: Im ersten Quartal 2014 wuchs die deutsche Wirtschaft kräftig um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Dazu hat der milde Winter einen wesentlichen Beitrag geleistet, der auch für eine steigende Nachfrage in der Transportwirtschaft gesorgt hat. Ifo-Index sinkt fünf Mal in Folge Doch bereits im zweiten Quartal 2014 gab es erste Anzeichen dafür, dass dem Aufschwung die Puste ausgeht. Das Bruttoinlandsprodukt war plötzlich um 0,2 Prozent rückläufig. Und dann verschärften sich auch noch die Krisen vor allem in der Ukraine. Die Folge: Das Befinden in Deutschlands Wirtschaft verschlechterte sich von Woche zu Woche. Der Ifo-Index, der als Barometer für die Stimmung der Unternehmen in Deutschland gilt, trübte sich zwischen April 2014 und September 2014 in fünf Monaten hintereinander ein. Eine solche Verschlechterung hatte es letztmals im Sommer 2012 gegeben, als der Ifo-Index sechs Mal in Folge herunterrutschte. Als einen wesentlichen Grund dafür sehen die Wirtschaftsexperten hierzulande "die geopolitischen Spannungen in Osteuropa aufgrund des Ukrainekonflikts sowie in anderen Teilen der Welt, die das Unternehmervertrauen nun stärker zu belasten scheinen", wie es im August-Monatsbericht der Deutschen Bundesbank heißt. Diese Entwicklung verheißt zumindest aus Sicht der Logistikdienstleister nichts Gutes für den VerkehrsRundschau-Index. Denn verschlechtert sich die wirtschaftliche Stimmung und geht infolgedessen die Transportnachfrage den Bach herunter, führt das in der Regel auch zu sinkenden Frachtraten. Doch soweit ist es im dritten Quartal 2014 nicht gekommen: Der VerkehrsRundschau-Index, unterstützt von der Unternehmensberatung Bearing Point, ist sogar nochmals leicht gestiegen. Der aktuellste Preisindex für den Straßengüterverkehr in Deutschland liegt bei 120,70 Punkten und damit um 0,54 Punkte oder 0,45 Prozent höher als im Vorquartal. Tariflöhne steigen um über zwei Prozent Und immerhin, schon im zweiten Vierteljahr 2014 gab es einen leichten Aufwärtstrend, sodass seit dem ersten Quartal 2014 die Preise um ein Prozent gestiegen sind. Ein Prozent mehr, das hört sich nicht nach sehr viel an und ist auch nicht viel, wenn man bedenkt, dass den Preisen ja auch Kosten gegenüberstehen, die schnell mal um mehr als ein Prozent steigen können. Und das war zuletzt auch der Fall, wie Zahlen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) belegen. So sind die Tariflöhne für Berufskraftfahrer laut BAG in Bayern im Januar um 2,4 Prozent gestiegen und in Thüringen im Juli um 2,5 Prozent. Allerdings gibt es auch eine Entwicklung zu beobachten, die für Entspannung bei den Kosten der Logistikdienstleister sorgt: Im August 2014 lagen die Dieselpreise (bei Abgabe an Großverbraucher) um zwei Prozent niedriger als noch vor einem halben Jahr. Es dürfte jedoch längst nicht jedes Transportunternehmen von diesem Rückgang profitiert haben. Denn sofern ein Dieselfloater mit dem Kunden vereinbart wurde, sind die Dieselpreise ein durchlaufender Posten und somit landet diese Ersparnis beim Auftraggeber. In Summe also dürften die Kosten eher gestiegen sein und somit die laut VR-Index leicht höheren Preise für keine Entspannung gesorgt haben. Schon eher entlastend dürfte die leicht steigende Nachfrage gewirkt haben. So geben im dritten Quartal 43,0 Prozent der im Rahmen der VR-Index-Erhebung befragten Verlader an, dass in den letzten drei Monaten das Transportaufkommen gestiegen ist. Bei den Dienstleistern ist es offenbar nicht ganz so gut gelaufen: 34 Prozent haben im letzten Quartal einen höheren Auftragseingang verzeichnet. Mit 24 Prozent war der Anteil derjenigen, die ein Minus verkraften mussten, jedoch wie bei den Verladern auch kleiner als der Anteil, die von einem Plus bei der Nachfrage berichten konnten. Der Rest gibt an, dass es keine Veränderung bei dem Volumen gegeben hat. Die Mautstatistik des BAG gilt ebenfalls als ein guter Indikator, wie viel gerade zu tun ist im Straßengüterverkehr. Demnach sind die Mautkilometer im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,1 Prozent gestiegen und im August um 0,7 Prozent. Ein Zeichen dafür, dass die Nachfrage nach Transporten immer noch leicht steigt, aber die Dynamik etwas abnimmt. Eine höhere Nachfrage nach Frachtraum kann für so manches Unternehmen mehr wert sein als eine minimale Preiserhöhung. Und zwar dann, wenn die zusätzlichen Mengen kaum mit zusätzlichen Kosten verbunden sind - weil beispielsweise in den LKW, der so oder so gefahren wäre, zu einer Teilpartie jetzt noch weitere Paletten geladen werden kann. Sicher ein Idealfall, aber trotzdem ist es im Transportgewerbe durchaus so, dass zusätzliche Mengen in der Regel geringere Kosten nach sich ziehen und der vorhandene Kostenblock besser auf das vergrößerte Volumen verteilt werden kann. Die offenbar nochmals leicht verbesserte Auftragslage kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verunsicherung in der Wirtschaft zunimmt. Der gesunkene Ifo-Index ist da nicht der einzige Indikator. So ist auch der Einkaufsmanager-Index (EMI), der gemeinsam vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der britischen Forschungsgruppe Markit Economics herausgegeben wird, im August gefallen. Der Index fasst die Geschäftslage von über 500 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in einem Wert zusammen und lag im August bei 51,4 Punkten nach 52,4 Punkten im Juli. "Alarmglocken schrillen" "Der rückläufige EMI lässt die Alarmglocken der Industrie schrillen. Offensichtlich hinterlassen die anhaltenden geopolitischen Risiken auch bei deutschen Unternehmen erste Spuren", kommentierte der Hauptgeschäftsführer des BME, Christoph Feldmann, die Entwicklung. "Die Luft ist raus. Bereits seit mehreren Monaten befindet sich der EMI im Abwärtstrend", fällt das Urteil von Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, nicht besser aus. Der Sinkflug habe bereits vor der Ukraine-Krise eingesetzt und sich in der Folgezeit noch beschleunigt. Daher sind die 51,4 Punkte auch der tiefste Stand seit elf Monaten. Aber: Alles über 50 Punkte zeigt noch Wachstum an. Der Index ist also gesunken, die Zeichen stehen jedoch immer noch auf Expansion - noch. Bestätigt wird dieser Trend von der Entwicklung des Logistik-Indikators, den das Institut für Weltwirtschaft im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) ermittelt. Auch dieser Indikator hat nachgegeben, und zwar um knapp 13 Punkte auf jetzt 124,9 Zähler. Wesentliche Ursache dafür ist die Eintrübung der Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate: Dieser Wert verlor 19,7 Zähler, während die Lageeinschätzung für das laufende Quartal sich nur mäßig um 6 Punkte verschlechterte. Mit 124,9 Punkten befindet sich der Indikator aber immer noch deutlich im positiven Bereich, der bei 100 Punkten beginnt. Keine Veränderung im vierten Quartal Die Zeichen für die derzeitige Geschäftslage stehen also immer noch auf Wachstum, nur flaut das ab. Gleichzeitig wird die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung skeptischer beurteilt. Ist ein solcher Trend auch beim VR-Index zu beobachten? Ja, allerdings mit Einschränkungen. So ist für die kommenden drei Monate kaum eine Verschlechterung der Erwartung zu spüren. 33,7 Prozent gehen von steigenden Mengen im letzten Quartal aus (zweites Quartal 2014: 33,9 Prozent). Demgegenüber stellen sich 11,8 Prozent (11,7 Prozent) auf sinkende Mengen ein. Also keine großen Veränderungen und weiterhin gilt: Das Aufkommen soll zulegen. Dafür gibt es womöglich auch einen durchaus plausiblen Grund: das bevorstehende Weihnachtsgeschäft, auch wenn das in Teilen bereits gelaufen ist. Hinzu kommt, dass die Befragten bei der Prognose für die kommenden drei Monate generell dazu neigen, die Entwicklung der letzten Monate fortzuschreiben. Auf lange Sicht jedoch kann sich auch die Transport- und Logistikbranche einer Verschlechterung des Klimas nicht entziehen, wie die Befragung zum VR-Index zeigt. Im dritten Quartal 2014 rechnen noch 47,6 Prozent der befragten Logistikdienstleister und Verlader mit einem steigenden Aufkommen in den kommenden zwölf Monaten. Bei der Befragung im Quartal zuvor waren es noch 51,5 Prozent gewesen. Allerdings: Das ist zwar ein Rückgang, aber kein gravierender. Zudem muss man festhalten: Nach wie vor stehen die Zeichen auf Wachstum. Denn nur 9,0 Prozent der Befragten gehen im dritten Quartal davon aus, dass die Mengen in den nächsten zwölf Monaten sinken (zweites Quartal: 7,6 Prozent). Damit behalten die Optimisten die Oberhand. Leicht optimistischer zeigen sich die Vertreter der verladenden Wirtschaft: 50,7 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sie und ihre Kollegen in den kommenden zwölf Monaten vermehrt Frachtraum nachfragen. Bei den Transportdienstleistern sind es mit 45,4 Prozent doch etwas weniger, die von einer steigenden Nachfrage ausgehen. Allerdings rechnen 10,5 Prozent der Verlader mit sinkenden Mengen in den kommenden zwölf Monaten. Bei den Dienstleistern fällt dieser Anteil mit 8,1 Prozent etwas kleiner aus. Die Erwartungen in Bezug auf die Aufkommensentwicklung sind also nicht mehr so euphorisch. Das hat auch Einfluss auf die Einschätzungen der Unternehmen zu der künftigen Preisentwicklung, die ebenfalls einen Dämpfer erhalten (siehe mittlerer Kasten Seite 34). In Summe werden die skeptischen Stimmen zwar lauter, aber noch deutet 2014 alles auf ein, wenn auch schwaches, Wachstum hin. VR-Index Etabliert und aktuell Bereits seit 2005 lässt die VerkehrsRundschau (VR) von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut die Frachtraten im Straßengüterverkehr erheben. Damit ist der VR-Index der älteste Preisindex für LKW-Transporte in Deutschland. Kein anderer Preisindex ist auch so aktuell wie der VR-Index. Unterstützt wird der Index von der Unternehmensberatung Bearing Point. cd Die wichtigsten Ergebnisse - Der VerkehrsRundschau-Index ist im dritten Quartal 2014 wieder leicht gestiegen, und zwar von 120,16 Punkten auf 120,70 Punkte. Das entspricht einem Zuwachs im Vergleich zum Vorquartal in Höhe von 0,45 Prozent.- Im dritten Quartal war die Nachfrage nach Frachtraum nicht mehr ganz so ausgeprägt. Waren es im zweiten Quartal noch 45,0 Prozent der Befragten, die von einem steigenden Transportaufkommen in den letzten drei Monaten berichteten, sind es drei Monate später nur noch 37,6 Prozent. Dennoch, die Mengen sind weiterhin gestiegen.- Auch wenn die Stimmung insgesamt abflaut, rechnen die meisten Teilnehmer beim VR-Index für die kommenden zwölf Monate immer noch mit steigenden Mengen: Mit 47,6 Prozent aller Befragten sind es allerdings weniger als im letzten Quartal mit 51,5 Prozent.- Die etwas gedämpfte Entwicklung wirkt sich auch auf die Preiserwartungen aus: Immer mehr Unternehmen gehen davon aus, dass die Frachtraten stagnieren. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 59,5 Prozent keine Veränderungen. Das sind 8,7 Prozentpunktemehr als im Quartal zuvor. cd

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