Genügsamer Power-Löwe

Mit dem neuen D38-Sechszylinder-MAN bringt sich MAN zurück in die Riege der Power-Trucks. Auch wenn die Münchener hier Vernunft walten lassen und zumindest bei den Fernverkehrszugmaschinen höchstens 560 PS anbieten, sollten dessen 2700 Newtonmeter Drehmoment mehr als genug Kraft für jeden 40-Tonnen-Einsatz bieten. Ob es tatsächlich so ist und wie knauserig das 15,2-Liter große Kraftpaket mit dem Kraftstoff umgeht, musste der TGX 18.560 mit XXL-Kabine - übrigens derzeit die teuerste 4x2-Sattelzugmaschine, die in München vom Band rollt - auf der VR-Testrunde beweisen. Großen Anteil am Sparen hat der neue "Efficient Cruise" genannte GPS-Tempomat. Statt den Fahrer mit Plus-Minus-Toleranzen zu überfordern, wie Mercedes es macht, oder es bei zwei Funktionen zu belassen - sparsam und langsam oder noch sparsamer und Schneckentempo - wie bei Scania, gibt MAN vier Levels vor, die der Fahrer gezielt auswählen kann. Das funktioniert prima und reicht von einer kleinen Minustoleranz für dichten Verkehr, die immer noch spart, bis zu Level 4 mit höchstem Sparpotenzial. Dafür haben wir uns beim Test entschieden. Konkret heißt das: Bei auf 85 km/h gesetztem Marschtempo lässt Efficient Cruise das Tempo vor Kuppen auf bis zu 76 km/h fallen. Übrigens macht der MAN auch das besser als Mercedes und Scania, weil der TGX das Gas sanft herausnimmt. Bergab bedient sich MAN zusätzlich eines Tricks, um nicht zu viel Tempo zu verlieren: Rund 40 Sekunden vor der Senke wird Tempo 90 im Gefälle überrollt, indem das System die Zusatzbremsen deaktiviert. Dann läuft der Zug auf 94 km/h hoch. Das bringt Geschwindigkeit, ohne dass der Fahrer sich einen Tempoverstoß einfängt. Ganz legal ist's allerdings nicht, denn wenn ein Kontrollbeamter das genaue Geschwindigkeitsprofil ausliest, könnte es Ärger geben ... Getriebetechnisch hat MAN ebenfalls nach gerüstet. Ab sofort gibt's auch für die automatisierten TGX (und TGS) Speed Shift, ein schnellerer Gangwechsel in den Stufen 10, 11 und 12. Das funktioniert hervorragend, ersetzt ein wenig eine verschleißträchtige Doppelkupplung und zahlt sich vor allem durch sehr schnelle Schaltungen und kurze Zugkraftunterbrechungen am Berg aus. Auch bei niedriger Drehzahl souverän Auf Eco Roll verzichtet MAN dagegen bei den Fernverkehrsmodellen bislang noch. Dass man aber auch ohne sparsam unterwegs sein kann - auf bestimmten Streckenabschnitten vielleicht sogar sparsamer als mit - stellt der MAN unter Beweis. Mit niedrigen 25,7 l/100 km kam der 560er über die anspruchsvolle Testrunde und war dabei mit 81,2 km/h schnell unterwegs. Faszinierend ist die Fähigkeit des D38, auch bei absolut niedrigen Drehzahlen zu ziehen wie ein Bulle. Selbst bei 60 km/h, wo knapp 800 Touren anliegen, läuft er mit Kraftreserven, geschmeidig und ohne Vibrationen. Mit 178 Millimeter Hub bei 138 Millimeter Bohrung ist das moderne Aggregat klar mehr auf Moment als auf Drehzahl ausgelegt. Wobei der Sechszylinder locker bis 2000/min tourt, wenn es der Fahrer verlangt. Nötig ist das allerdings nie, mehr als 1400 Touren sind pure Verschwendung. Die Anfahrregelung wie auch die generelle Kupplungsarbeit hat MAN mit ZF überarbeitet und gut im Griff. Die Schaltgeschwindigkeit passt und Schwächen von früher, wie das Öffnen der Kupplung im Kreisverkehr oder Schaltwechsel im ungünstigsten Moment beim Abbiegen, zeigt das System im aktuellen TGX nicht mehr. Fahrwerk und Lenkung haben keine Überarbeitung erfahren, das war aber auch nicht nötig. Der neue Motor ist um einiges schwerer als der D26 und lastet entsprechend schwer auf der Vorderachse. Grundsätzlich zeigt der große MAN keine so "kopflastige" Auslegung wie etwa ein V8-Scania oder ein Mercedes mit dem starken OM-473-Motor. Willig lenkt er in Kurven ein und umrundet Kreisverkehre durchaus behände. Ein - wenn man es überhaupt so nennen kann - Problem ist die weiche Kabinenlagerung der XXL-Hütte, die sich in Kurven gewaltig neigt. Kleinigkeiten, die Unternehmer wie Fahrer angesichts der "Performance" des Flaggschiffs aus München sicher verzeihen! Alle Tests und Fahrberichte seit dem Jahr 2008 für Premium-Abonnenten unter www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Nach bekanntem Muster In Sachen Wartung unterscheidet sich der neue D38 nicht von seinen kleineren MAN-Brüdern. Auch der stärkste TGX muss standardmäßig alle 120.000 Kilometer zum Service, worüber ein Wartungsrechner wacht.Hinterachse und Getriebe benötigen alle 500.000 Kilometer frischen Schmierstoff. Den Partikelfilter überprüft MAN nach dem vierten Service zum ersten Mal. Er wird dann bedarfsweise gereinigt oder getauscht. Bei den beiden Turboladern handelt es sich um "günstige" Standardlader. Das bordeigene Diagnosesystem prüft wichtige Verschleißgrenzen und Füllstände. Beim Sondermodell Efficient Line ist ein Reifendruck-Kontrollsystem serienmäßig. Das Fahrgestell baut MAN wartungsfrei und ohne Schmierstellen. Einzig den Füllstand der Lenkhydraulik muss der Fahrer manuell prüfen, was nur bei eingeschlagenen Vorderrädern geht. Aufwendig und teuer ist der Wechsel des Xenon-Lichts. Wir raten daher von dieser 1555 Euro teuren Investition ab, auch weil das Serienlicht hell genug strahlt. gg Test mit Referenz-Lkw Testen wie die Industrie Jeden VR-Profi-Test begleitet der redaktionseigene New Actros 1845 mit Kögel-Curtainsider (40 Tonnen). Mit dieser Kombination haben wir unter Normalbedingungen (windstill, trocken, 20 °C) Basiswerte für die Verbrauchsmessung erfahren. Ändern sich bei der Testfahrt die äußeren Bedingungen durch Wind, Regen oder Temperatur, ändert sich auch der Verbrauch des Referenz-LKW. Um diese Abweichung können wir die Verbrauchswerte des jeweiligen Test-LKW korrigieren und schaffen eine Basis, alle Werte unserer Einzeltests vergleichbar zu machen. Da die Messwerte je nach Witterung um bis zu zehn Prozent abweichen, halten wir eine vergleichende Darstellung ohne Referenz-LKW für nicht legitim. gg