Gefahr von oben

Rund 300.000 Euro: Das ist die Schadensbilanz der Spedition von Anton Mitiska im bayerischen Freilassing nahe Österreich nach dem Hochwasser im Juni vergangenen Jahres. Weil der Grenzfluss Saalach über die Ufer getreten war, standen der Hof und die Werkstatt des mittelständischen Unternehmers, der mit 16 Fahrzeugen vor allem Schüttgut transportiert, bis zu drei Meter unter Wasser. "Das war in jeder Hinsicht eine Katastrophe", sagt er rückblickend. Extreme Wettereignisse wie das Juni-Hochwasser 2013 infolge von Dauerregen kommen immer häufiger vor und ihre Intensität nimmt zu. Ursache dafür ist der Klimawandel: Nach Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) waren 24 der vergangenen 30 Jahre in Deutschland zu warm. Meteorologen rechnen damit, dass sich dieser Trend in Zukunft weiter verstärkt. Die gefährlichsten Wetterphänomene mit dem größten Schadenspotenzial wiesen dabei die höchsten Steigerungsraten auf, warnt Paul Becker, Vizepräsident des DWD. So hätten zum Beispiel die Menschen in Mannheim bisher alle 25 Jahre einen Tag erlebt, an dem die Temperaturen 39 Grad Celsius erreichten. Am Ende des Jahrhunderts dürfte es vier solcher brütenden Tage pro Jahr geben. Winterliche Stürme mit einer Windstärke von 11 Beaufort könnten statt wie bislang einmal pro Jahr dann im Durchschnitt zweimal über Deutschland fegen, die heftigsten Orkane mit Stärke 12 wiederholen sich statt alle 25 Jahre alle fünf Jahre. Für die meisten Regionen sagt der DWD außerdem mehr Starkniederschläge voraus. In küstennahen Gebieten könnte sich deren Anzahl - verglichen mit dem Zeitraum 1960 bis 2000 - bis 2100 verdoppeln. Wenn es künftig im Sommer regne, dann meist wolkenbruchartig, erklärt Becker. "Unter dem Strich werden wir also mit deutlich mehr Schäden durch Überschwemmungen rechnen müssen." Die Verkehrsträger können ausfallen Die globale Erwärmung kann die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Verkehrsträger beeinträchtigen. Zum Beispiel die der Flüsse. Im Sommer werden die Wasserpegel nach Schätzungen von Klimaforschern aufgrund längerer Trockenperioden in den nächsten Jahrzehnten sinken. Im Falle von Niedrigwasser könnten die Schiffe dann nicht mehr voll beladen fahren, wodurch die Transportkosten steigen würden. Wahrscheinlicher sind in Zukunft auch Überflutungen oder umgeknickte Bäume, die Fahrbahnen und Gleise blockieren, sturmbedingte Ausfälle der Stromnetze sowie Verformungen an Schienen und Straßen wegen hoher Temperaturen. Wenn Stürme in den nächsten Jahren mehr Kraft entwickeln, Hagel, Hochwasser und Hitzewellen in Deutschland zunehmen, dann leidet darunter aber nicht nur die Infrastruktur. Es steigt auch der Druck auf die Wirtschaft, sich mit der Klimaveränderung mehr auseinandersetzen zu müssen als bisher. Denn: "Zu wenig Wasser ist ein Problem, zu viel aber auch", betont Becker. Unternehmen in Küstengebieten sind künftig vermutlich besonders von Extremwettern betroffen. Höhere Windgeschwindigkeiten und der Anstieg des Meeresspiegels bedeuten zum Beispiel mehr Betriebsunterbrechungen und Reparaturen in den Hafenanlagen aufgrund von Sturmfluten. Der Güterverkehr muss es ausbaden Verlässliche Angaben darüber, wie viele Güterverkehrsunternehmen in Deutschland geeignete Strategien entwickelt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt haben, um wetterbedingten Gefahren für die Lieferkette zu trotzen, gibt es nicht. Lediglich Forschungsprojekte auf regionaler Ebene. Feliks Mackenthun hat zwischen 2011 und 2012 eines von ihnen begleitet. Er untersuchte für das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bremen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Logistikbranche der Metropolregion Bremen-Oldenburg. "Wir haben viele der rund 150 Unternehmen mit Sitz im Güterverkehrszentrum (GVZ) Bremen befragt", erklärt der Wissenschaftler der unabhängigen Forschungseinrichtung. Zwar hätten die befragten Entscheidungsträger in der jüngeren Vergangenheit ein erhöhtes Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels entwickelt und fühlten sich derzeit gut aufgestellt. Auf die nähere Zukunft vorbereitet sind diesbezüglich seiner Ansicht nach aber noch nicht alle. "Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die zu erwartenden Folgen des Klimawandels auch für das GVZ und die einzelnen Ansiedler eine neue Herausforderung darstellen kann." Immerhin wurden erste Schritte eingeleitet. Unter anderem setzen die Betriebe im GVZ Bremen neue Entwässerungsanlagen ein, die deutlich stärkere Niederschläge bewältigen können und verstärkte Hallendachkonstruktionen, die größeren Wind- und Schneelasten besser standhalten können. "Auch die Stellplätze wurden optimiert, sodass weniger Beschädigungen an gelagerten Gütern oder abgestellten Fahrzeugen auftreten", erklärt Mackenthun. Unternehmen machen sich wetterfest Einzelne Unternehmen stellten darüber hinaus ihre Prozesse um. So passte die Spedition Paneuropa-Rösch ihre temperaturgeführten Transporte an die klimatischen Besonderheiten der Alpenregionen an. Dort können Gletscherschmelzen und Extremwetterereignisse zu einer Verschlechterung der Straßenverhältnisse und verstärkten Fahrzeugverschleiß führen. Um den Warenaustausch mit Südeuropa sicherzustellen, legte Paneuropa-Rösch Ausweichstrecken in der Routenplanung fest. Ein anderes Beispiel ist Terratrans. Die Spedition verwendet inzwischen verstärkte Planen für ihre Transporte im Kombinierten Verkehr. "Diese sind zwar etwas teurer, aber dafür weniger anfällig für Schäden durch Hitzeeinwirkung auf die transportierten Waren oder durch extremere Windlasten", erklärt Mackenthun. Schutz ist auch eine Frage des Geldes Die genannten Technologien und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel sind nach Meinung von Mackenthun auch in anderen Logistik- beziehungsweise Güterverkehrszentren anwendbar. Doch nicht jedes Unternehmen könne sich diese leisten. "Kleinere Betriebe schrecken oft vor den langen Amortisationszeiten von bis zu 15 Jahren zurück", erläutert der Wissenschaftler. Die Anpassung an den Klimawandel sei relativ zeitaufwendig und teuer. Wer Umbaukosten vermeiden will, sollte sich bereits vor der Konstruktion einer Immobilie oder vor der Anschaffung neuer Anlagen und Betriebsmittel Gedanken darüber machen, welche wettertechnischen Vorkehrungen für sein Unternehmen notwendig und sinnvoll sind. Mackenthun rät, zunächst einmal eine Gefährdungsanalyse machen zu lassen und die Dringlichkeit der Maßnahmen zu bestimmen. "Danach sollte man die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten prüfen", sagt er. Anton Mitiska hat aus der Überschwemmung des vergangenen Jahres seine Lehren gezogen. Inzwischen hält der Spediteur aus Freilassing ein Notstromaggregat und eine Schmutzwasserpumpe vor. Außerdem hat er sich Angebote für eine Elementarschadenversicherung eingeholt. "Aufgrund der Lage des Betriebs wenige Hundert Meter vom Flussufer entfernt kann es uns jederzeit wieder erwischen", erklärt der Unternehmer. Aufgeben will er den Kampf gegen die Naturgewalten dennoch nicht. Die Serie Logistik in GefahrDie große Serie der Verkehrs-Rundschau zu den neuen Bedrohungen der Transportkette- VR 34: Klimawandel - Schützen vor Sturm und Regen- VR 37: Einbruch - Schutz im Lager und beim Umschlag- VR 42: Soziale Unruhen - Von Streiks bis Revolution- VR 47: Krisenmanagement - Im Ernstfall richtig handeln Prävention Unwetterschäden versichern Die Teilkaskoversicherung übernimmt nach Auskunft des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Hagel-, Blitz- und Sturmschäden am Fahrzeug. Ist das Blech verbeult oder sind die Scheiben kaputt, werden die Reparaturkosten für gewöhnlich in voller Höhe erstattet. Fahrzeughalter sollten die Unwetterschäden mit einer Kamera dokumentieren und diese binnen einer Woche melden.Eine Geschäftsinhalts- und Geschäftsgebäudeversicherung deckt darüber hinaus Schäden zum Beispiel an Lager- und Umschlaghallen etwa durch Blitzeinschlag, Schneedruck, Sturm oder Hagelkörner ab. Im Schadensfall trägt der Versicherte einen Teil der Kosten selbst, da meist eine Selbstbeteiligung vereinbart wird. Manche Sachversicherung ersetzt laut dem GDV bestimmte Elementarschäden nicht oder nur nach entsprechender ausdrücklicher Zusatzvereinbarung. Um sich gegen eine Überschwemmung durch Starkregen abzusichern, benötigen Unternehmen deshalb außerdem womöglich eine Extended-Coverage-Deckung. ag