Ganz neu gegen frisch geliftet

So richtig bei Null anfangen und ein Modell von Grund auf neu entwickeln, das dürfen die Ingenieure bei Transportern im Schnitt nur alle 12,5 Jahre. Innerhalb dieses Lebenszyklus halten die Hersteller die vorhandene Basis mittels Modellpflege auf dem Stand, so lange, bis sich aus dem "Alten" nichts mehr rausholen lässt beziehungsweise dessen Entwicklungskosten und Produktionsmittel abgeschrieben sind. So jüngst geschehen beim neuen Ford Transit, der seinen Vorgänger nach 14 Jahren Bauzeit ablöste und in fast allen Bereichen neu entwickelt wurde. Anders sieht es beim Citroën Jumper aus, den die Franzosen traditionell zusammen mit Peugeot und Fiat bauen. Für einen gänzlich Neuen ist die aktuelle Generation noch zu "frisch", schließlich läuft sie "erst" seit 2006 von den Bändern im italienischen PSA-Werk in Val di Sangro. Stattdessen spendierte Citroën jüngst ein Facelift, bei dem vor allem die Frontpartie und der Innenraum leicht überarbeitet wurden. Hinten, sprich im Frachtraum, blieb dagegen alles beim Alten oder besser bei den bekannten Größen und Karosserievarianten. Zusätzlich wollen die Citroën-Entwickler den 2,2 Liter großen HDI-Diesel weiter auf Sparsamkeit optimiert und das bis dato auf unebener Fahrbahn stark zitternde Blechkleid entscheidend versteift haben. Optionale Assistenzsysteme wie Spurwächter und Reifendruckkontrolle sind für den größten Citroën nun ebenfalls bestellbar. Aber genügen diese Maßnahmen, um sich gegen den neuen Transit behaupten zu können? Zur Klärung dieser Frage schickte Ford einen frontgetriebenen Kastenwagen in Karosserievariante L2H1. Dass der lediglich 3,4 Zentimeter niedriger baut als der in Höhe 2 angetretene Jumper darf nicht verwundern. Schließlich bietet Ford den neuen Transit, zumindest als Kastenwagen, nicht mehr mit flachem Dach an. Doch nicht nur wegen seines Höhennachteils kann der neue Transit dem Citroën (und damit auch seinen Brüdern Fiat Ducato und Peugeot Boxer) den Titel als Lademeister nicht streitig machen. 7,6 Zentimeter länger und 8,6 cm breiter fällt das Frachtabteil des Franzosen aus. Ergibt mit der größeren Höhe 1,5 Kubikmeter mehr Frachtvolumen. Bei einer um knapp zwölf Zentimeter kürzeren Außenlänge wohlgemerkt. Mehr enttäuschen dürfte Transit-Fans allerdings, dass der Neue auch mit Frontantrieb im Vergleich zum nutzlaststarken Vorgänger deutlich zulegte: 2420 Kilo brachte die kleinste lieferbare Kastenwagenversion der Transit-Familie auf die Waage. Ergibt eher mickrige 1080 Kilo Zuladung. In den Jumper-Testwagen durften 240 Kilogramm mehr eingeladen werden. Hoher Sitz- und Fahrkomfort im Ford Wo die neuen Pfunde herkommen, wird spätestens beim Fahren klar. Ebenso, an welchen Mitbewerbern sich die Ford-Entwickler orientierten. Sänftenartig, wie man es bisher nur vom Duo Mercedes Sprinter/ VW Crafter kannte, gleitet der Transit erhaben über Bodenunebenheiten hinweg. Und im Gegensatz zum weich abgestimmten Sprinter, dessen Karosse sich in schnellen Kurven weit zur Seite neigt, fanden die Ford-Entwickler sogar einen besseren Kompromiss aus Komfort und Straßenlage. Auch der Citroën "klebt" sicher auf der Fahrbahn, er erkauft sich seine Kurvenstabilität aber weiterhin über ein bretthartes Fahrwerk. Auch 800 Kilogramm Testballast im Frachtraum können nicht lindern, dass die starre Hinterachse jede Bodenwelle fast ungefiltert an die Bandscheiben des Fahrers weitergibt. Ebenfalls leider keine Verbesserung brachte die Modellpflege bei der Sitzposition. Weiterhin wird das Fahrermöbel auf einem hohen Gestell montiert. Große Fahrer finden daher nur eine kauernde statt langstreckentaugliche Position, woran auch die gut gemeinte, serienmäßige Sitzhöhenverstellung sowie das nur in der Weite justierbare Lenkrad wenig ändern können. Und im Falle eines Unfalls könnte es für Sitzriesen sogar böse ausgehen, weil sie mit dem optional (70 Euro) ins Dach integrierten Ablagefach zu kollidieren drohen. Probleme, die dem Transit-Fahrer völlig fremd sind: Jede Fahrerstatur findet problemlos eine bequeme Position hinter dem sportlich kleinen, in Höhe und Neigung einstellbaren Lenkrad. Die im Innenraum verwendeten Materialien bestehen zwar in beiden Transportern fast ohne Ausnahme aus Hartplastik, im Ford muten sie trotzdem hochwertiger an und werden zudem sorgfältiger eingepasst als im Citroën. Auch die Geräuschkulisse fällt deutlich leiser aus als im hemdsärmeligeren Jumper. Dafür gibt die Bedienung des Franzosen weniger Rätsel auf als der mit Tasten und Knöpfen überfrachtete Ford-Armaturenträger, der übrigens weitgehend aus dem kleineren Custom übernommen wurde. Auch beim Kapitel Antrieb schlägt die Stunde des Jumper, obwohl beide Hersteller mit dem 2,2-l-Puma-Diesel den gleichen Rumpfmotor verbauen. Wobei der "Duratorq-TDCI" im Transit seinen Job keinesfalls schlecht macht. Der Citroën-HDI-Antrieb macht's eben nur noch besser. Selbst den Drehzahlkeller von 1000 Touren pariert der Vierzylinder problemlos und zieht ohne Murren durch. So lassen sich viele Ortsdurchfahrten im Jumper locker im sechsten Gang bewältigen, während man im Transit längst zum ford-typisch knackig durch die Gassen flutschenden Schalthebel greifen muss. Seinen Leistungsvorteil von immerhin 25 PS zum Citroën kann der Ford damit nicht ausspielen. Wozu auch die deutlich längere Übersetzung des Transit beiträgt, die ihm auf der Autobahn wiederum Vorteile verschafft. Bei 120 km/h verharrt die Nadel des Drehzahlmessers bei niedrigen 2000 Touren, im Jumper liegen 500/min mehr an. Das bedeutet für den Transit-Lenker zwar an bereits harmlosen Steigungen mehr Schaltarbeit. Dafür sorgt das niedrigere Drehzahlniveau dafür, dass der Ford für seine überschüssigen Pfunde keinen Tribut zollen muss. Angemessene 8,7 l/100 km genehmigten sich beide Testprobanden auf der gemischten VR-Normrunde. Bei der Anschaffung trennen die beiden Testwagen dagegen 1200 Euro zugunsten des Citroën. Die aber auf 450 Euro zusammenschrumpfen, wenn der Ford mit der schwächeren 125-PS-Einstellung des TDCI bestellt wird. Weshalb am Ende die Bedürfnisse entscheiden: Wer Platz und Nutzlast braucht, greift zum "Gelifteten". Legt man aber vorrangig Wert auf Komfort, ist der "Neue" die bessere Lösung. Alle Tests und Fahrberichte seit dem Jahr 2008 für Premium-Abonnenten unter www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank

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