Hamburg: Fünf Jahre nach Beginn des offiziellen Planfeststellungsverfahrens zur Elbvertiefung hat der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (Bund) eine vernichtende Bilanz gezogen. Der Hamburger Senat stehe „vor einem planrechtlichen Trümmerhaufen", sagte Hamburgs Bund-Geschäftsführer Manfred Braasch am Donnerstag in der Hansestadt. Er kritisierte Planungsdefizite bei der Nutzen-Kosten-Untersuchung, bei den Alternativprüfungen, beim naturschutzfachlichen Ausgleich, bei der Bedarfsbegründung und bei der Versalzung der Elbe. „So fährt das Projekt gegen die Wand", betonte Braasch. Der Bund ist gegen eine weitere Elbvertiefung. Senat und Hafenwirtschaft wollen den Fluss dagegen ausbaggern, damit noch größere Schiffe Hamburg erreichen können.
„Durch eine bewusste einseitige gutachterliche Tätigkeit am Anfang des Planfeststellungsverfahrens (...) haben wir jetzt diese lange Verfahrensdauer", sagte Braasch. Das liege aber nicht an den Verbänden, sondern „am politisch motivierten Ansatz aus 2006/2007, den Eingriff in die Elbe kleinzukochen", sagte Braasch. Doch das sei der Politik auf die Füße gefallen. Denn mittlerweile befinde man sich in der dritten Planänderung. Und es sei ungewiss, ob der für Ende des Jahres erwartete und voraussichtlich mehr als 2000 Seiten umfassende Planfeststellungsbeschluss jemals gerichtsfest werde. Der Bund werde auf jeden Fall einen Gang vor das Bundesverwaltungsgericht prüfen, sagte Braasch. Zu Gesprächen sei der Bund nur dann bereit, wenn das Gericht einen entsprechenden Vorschlag mache. 2Dann erwarten wir aber auch ein anderes Verhalten als das, was wir in den vergangenen fünf Jahren erleben durften.
Konkret bemängelte der Bund etwa die mehr als zehn Jahre alte Kosten-Nutzen-Untersuchung für die geplante Elbvertiefung. Trotz Kritik des Bundesumweltministeriums und einer Kostensteigerung von mehr als 100 Prozent sei sie nie grundlegend aktualisiert worden. Es sei daher unklar, ob der bis zu 500 Millionen Euro teuren Elbvertiefung überhaupt ein angemessener Nutzen gegenüberstehe, sagte Braasch. Auch sei nicht geprüft worden, ob ein Ausbaggern des Flusses allein im Mündungsbereich nicht einen ähnlichen Effekt haben könnte wie Aushubarbeiten an der gesamten Unterelbe. Zumindest würde sich das Baggergut von 40 Millionen Kubikmetern - bei der Elbvertiefung 1999 seien es 13 bis 14 Millionen Kubikmeter gewesen - auf rund 1,6 Millionen Kubikmeter reduzieren.
Doch auch am Bedarf einer Elbvertiefung hat der Bund erhebliche Zweifel. So werde behauptet, dass ein Ausbaggern des Flusses um bis zu 2,7 Meter nötig sei, um Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 14,5 Meter tideabhängig passieren zu lassen. Bereits jetzt sei tideabhängig jedoch ein Einfahren mit einem Tiefgang von bis zu 15,10 Meter und ein Auslaufen bis zu 13,8 Meter möglich. Hinzu komme, dass das Gesamtgewicht der Containerladungen in den vergangenen Jahren um acht bis zehn Prozent gesunken seien. Die Schiffe tauchten daher mindestens einen Meter weniger tief ins Wasser, sagte Braasch unter Hinweis auf Statistiken der Hamburg Port Authority (HPA). (dpa)
Jürgen Sorgenfrei