Paris. Der zuletzt immer häufiger schon totgesagte Frachtsektor der französischen Staatsbahn SNCF und ihrer Abteilung Fret SNCF soll zum 1. Januar 2020 ein neues Statut erhalten und nach französischem Recht in eine „vereinfachte AG“ umgewandelt werden. Damit figuriert sie dann als SNCF-Tochtergesellschaft. Dies soll ihr zu mehr Autonomie und größerer Flexibilität verhelfen. Wie die Umwandlung finanziert werden soll, dafür fehlt noch entsprechend grünes Licht aus Brüssel.
Sylvie Charles, die bei SNCF Logistics die Bereiche Schienen- und multimodaler Gütertransport leitet, bezeichnete die Veränderung Ende November bei einem Fachkolloquium in Levallois-Perret als „Transformation zugunsten der Verlader“. Sie betreffe bei der Staatsbahn eine Vielzahl verschiedener Unternehmen und Metiers in Frankreich und auch im Ausland.
Fret SNCF kam letztes Jahr mit seinen 5500 Beschäftigten auf einen Umsatz von 808 Millionen Euro. Vorbehaltlich der Zustimmung seitens der EU sieht die Umwandlung vor, dass der Staat die Schulden in Höhe von 5,2 Milliarden Euro übernimmt und in die zukünftige AG-Tochter 170 Millionen Euro an frischem Geld einschießt. Damit soll sie bis Ende 2021 wieder eine ausgeglichene Bilanz vorlegen können – so die Hoffnung.
Das erwartete Plus an Autonomie werde mittels der Rückgewinnung von fünf Wartungszentren eine „integrierte Wartung der Materialbestände“ ermöglichen „und damit die unserer Kosten sowie die unserer Ressourcen“, erklärte Sylvie Charles. Parallel dazu werde das Unternehmen seine „transversalen Dienste entwickeln und über sein eigenes Sicherheitszertifikat für den Betrieb auf dem nationalen Schienennetz verfügen“.
Neue kommerzielle Angebote für Kunden geplant
Mit der vorgesehenen Umwandlung einhergehen würden auch „neue kommerzielle Angebote zur Optimierung der Kapazitäten und als Antwort auf die Weiterentwicklung der Kundennachfrage“. Hierbei werde es um „Einzelwaggons für geringfügige Frachtmengen, Waggon-Coupons und Komplettzüge“ gehen. „Auf vordefinierten und wie industrielle Rollbänder organisierten Achsen werden die Frachtzüge unterschiedslos die Waggons sämtlicher Kunden“ befördern. Bei Fret SNCF hoffe man, mit diesen Maßnahmen die Mengen und Zuglängen mittels beladener und leerer Waggons sowie unterschiedlicher Frachtgüter austarieren zu können. Die Kunden bräuchten damit in Zukunft nicht mehr jeweils ganze Züge zu ordern und ihre Produktion sowie die Lagerbestände hierauf auszurichten.
Die SNCF-Frachtverantwortliche kündigte ferner an, dass die Umstellung im Zuge höherer Frequenzen pro Achse, der zitierten „industriellen Rollbänder“, zu mehr „Robustheit und Reaktionsschnelligkeit bei der Transportplanung“ führen werde. Zudem werde man Hilfskapazitäten für einen Kunden in geringerem Masse einsetzen müssen.
Weitere Neuheit: Die Orderfristen werden kürzer und sollen für Einzelwaggons von einem auf den anderen Tag erfolgen können und bis zu fünf Tagen für eine Couponvereinbarung und einen Ganzzug.
Streiks in Frankreich verschärfen die Lage für Fret SNCF
Die Zukunftsmusik für die staatliche Bahnfracht wird derzeit empfindlich gestört durch den unbefristeten Quasi-Generalstreik in Frankreich gegen die vorgesehene Rentenreform. Der Weiterbestand für Fret SNCF steht damit auf Messers Schneide. Wenn die von der Mutter SNCF nochmal gegebene Finanzspritze von rund 180 Millionen Euro im Zuge der durch die Streikbewegung verursachten neuen Verluste aufgezehrt werden sollte, würde dies das absolute Aus bedeuten. (jb)