Feldversuch Lang-LKW

Feldversuch Lang-LKW Überraschender Zwischenstand Der Feldversuch Lang-LKW ist mittlerweile rund sechsMonate alt. Befürworter und Gegner ziehen ein erstes Fazit und überraschen mit dem Zwischenstand: Politisch scheint mehr möglich und ökologisch ist es anders als gedacht. Ich bin für den Einsatz des Lang-LKW, aber nur auf Basis von dauerhaften Sondergenehmigungen“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann. Die Aussage wolle sie als Anregung verstanden wissen und nicht als Meinung der SPD. Sie sehe durchaus das Bedürfnis für den Lang-LKW und „es gibt Einsatzarten, für die ich ihn für sinnvoll halte“. Den laufenden Feldversuch zum Lang-LKW lehnt sie ab: „Das Ziel des Feldversuchs ist die generelle Freigabe solcher Fahrzeuge und das möchte ich nicht“, so die ehemalige Polizistin auf einer VerkehrsRundschau-Podiumsdiskussion im Rahmen der IAA Nutzfahrzeuge. Zudem sei eine generelle Zulassung der überlangen LKW selbst bei positiven Testergebnissen in Deutschland rechtlich gar nicht möglich. EU-Richtlinien, in deutsches Recht umgesetzt in der Straßenverkehrszulassungsordnung, würden klare Vorgaben bezüglich Maßen und Gewichten machen. Ausnahmen hiervon seien nur bei Höhe und Gewicht möglich, nicht aber in der Länge. Keine Regel ohne Ausnahme: Bei sogenannter unteilbarer Ladung dürften in Einzelfällen auch längere LKW genehmigt werden. Als unteilbare Ladung gelten Güter, die nur in einem Stück transportiert werden können, aber zu groß für normale LKW sind. Beispielsweise: Rotoren von Windkraftanlagen. Vor diesem Hintergrund, räumt das Mitglied des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages ein, sei auch ihr Vorschlag rechtlich im Moment nicht umsetzbar. Allerdings hält sie ihre Idee auf europäischer Ebene für leichter durchsetzbar. „Eine generelle Freigabe des Lang-LKW hat bei der EU meiner Meinung nach derzeit keine Chance“, so Lühmann. Fünf-Jahres-Genehmigungen Als Dauer für die jeweilige Sondergenehmigung schlägt Lühmann fünf Jahre vor, „das ist ein guter Abschreibungszeitraum“. Im Feldversuch sind die Langen rechtlich zulässig, da Ausnahmeregelungen möglich sind, um neue Technologien zu testen. Noch nicht entschieden ist die Verfassungsbeschwerde von Grünen und SPD gegen den Feldversuch. Sie monieren, dass der Feldversuch vom Bundesverkehrsministerium im Rahmen einer Sonderverordnung genehmigt wurde. Nach Auffassung der Opposition hätte es eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mit Beteiligung des Bundesrates bedurft. „Wir haben geklagt, um deutlich zu machen, dass wir den gesamten Versuch für nicht zielführend halten“, erklärt Lühmann. Aus den alten Feldversuchen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Thüringen lägen ausreichend Erkenntnisse vor. Streckennetz wächst weiter Insgesamt verlief der Start des Feldversuchs bislang eher schleppend (siehe Kasten Seite 19). „Es ist gut, wenn der Lang-LKW homöopathisch ins Netz geht. Das überfordert die Bürger nicht und entspannt die Diskussion“, sagt Martin Friewald, Leiter der Unterabteilung Straßenverkehr im Bundesverkehrsministerium. Mit der aktuellen Teilnehmerzahl sechs Monate nach dem Start des Feldversuch sei das Bundesverkehrsministerium zufrieden. Erfreulich sei, dass der Großteil der Fahrzeuge im Kombinierten Verkehr eingesetzt werde. Seit der ersten Änderung der Ausnahmeverordnung im Sommer habe das Interesse der Unternehmen zugenommen. Allerdings falle viel Potenzial weg, da einige große Länder am Feldversuch nicht teilnähmen. Aktuell werde an der Aufnahme weiterer Strecken in die Positivliste gearbeitet, so Friewald. Friewald betont, der „Feldversuch ist ergebnisoffen“. Sollten am Ende eines Teilprojektes die Daten nicht ausreichen, seien Nacherhebungen möglich. Sodass der Ministeriale davon ausgeht, dass am Ende des Feldversuchs „hinreichende Argumentationen für die dann notwendigerweise folgende politische Debatte und Entscheidung vorliegen“. Es gehe darum, wie sich Deutschland zur Längenfrage in die Europäische Union einbringt. Mit Blick auf die Aussagefähigkeit des Feldversuchs sagt Björn Dosch, Leiter Ressort Verkehr beim ADAC: „Wir brauchen mehr als 15 Unternehmen mit 28 LKW. Welche Zahl ausreicht, muss am Ende der Forschungsnehmer entscheiden“. 400 klinge für ihn nicht „unplausibel“, 28 „reichen sicher nicht“. Dosch zweifelt, dass der Feldversuch Ergebnisse zum eigentlichen Knackpunkt liefert: Wie verhält sich das Fahrzeug abseits gut ausgebauter Fernstraßen? „Wir nennen es Flickenteppich“, macht Thomas Schwarz, Geschäftsführer der Spedition Schwarz, deutlich, warum so wenige seiner Unternehmerkollegen beim Feldversuch mitmachen. Sein Unternehmen ist mit dem Lang-LKW für Bosch Siemens Hausgeräte unterwegs. Das Problem ist die letzte Meile, die jeweils genehmigt werden muss. Damit sind im Grunde nur regelmäßige Punkt-zu-Punkt-Verkehre sinnvoll möglich. Tramp- und wechselnde Verkehre scheitern am Genehmigungsaufwand für die Strecken abseits der Autobahnen. Oder daran, dass sie in einem Land liegen, das am Feldversuch nicht teilnimmt. Testfahrt mit Gemeindevertretern Zudem bemängelt Unternehmer Schwarz, dass die Genehmigung der letzten Meile nicht reibungslos laufe. „Wir wussten anfangs nicht, wo wir uns hinwenden konnten.“ Die Bast habe weitergeholfen. Skeptische Gemeindevertreter hat Schwarz zur Testfahrt auf der beantragten Strecke mitgenommen. Danach hat es geklappt. Insgesamt habe er fast ein Jahr für alle Streckengenehmigungen gebraucht: „Die Hürden muss man dann eben nehmen“. Lühmanns Idee mit der dauerhaften Sondergenehmigung kann der Unternehmer aus dem baden-württembergischen Herbrechtingen durchaus etwas abgewinnen: „Wäre toll, wenn die SPD in Baden-Württemberg das auch so sehen würde“. Für Schwarz wäre diese Lösung statt einer generellen Freigabe der Lang-LKW „auch okay“. Weniger okay ist für viele Lang-LKW-Gegner die mögliche Verlagerung von Verkehren von der Bahn auf die Straße. Und die scheint es tatsächlich zu geben, wenn auch mit anderen Folgen, als auf den ersten Blick erwartet. Wissenschaftler Claus Doll vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat für fünf Eisenbahnkorridore mögliche Verlagerungswirkungen einer europaweiten Freigabe des Lang-LKW im Auftrag der europäischen Eisenbahnen untersucht. Zweistellige Verkehrsverlagerung Das Ergebnis: ein Einbruch im Kombinierten Verkehr von 10 bis 12 Prozent, im Wagenladungsverkehr von über 35 Prozent. „Der 44-Tonner birgt aufgrund seiner Kostenvorteile die größten Verlagerungspotenziale“, so Doll. Das Fahrzeug könnte eine Abwärtsspirale für die Bahn in Gang setzen, die zu diesen hohen Verlagerungen führt: Der kostengünstigere Lang-LKW zieht vor allem leichtere Güter von der Bahn ab. Diese muss dann aufgrund ihrer hohen Fixkostenanteile entweder Strecken stilllegen oder die Preise anheben. Damit sinken die Mengen aber noch weiter … Dennoch: „Der Lang-LKW ist nicht der Todesstoß einer nachhaltigen Verkehrspolitik, er hilft so aber auch nicht viel“, sagt Doll. Denn der Lang-LKW bringt für die betroffenen Verkehre einen Effizienzgewinn von 20 bis 25 Prozent, weniger Dieselverbrauch und weniger CO2-Emissionen pro transportierter Tonne. „Damit kommen wir entlang dieser Korridore etwa auf einen Ausgleich der Umwelteffekte beziehungsweise einer leichten Erhöhung der Umweltauswirkungen um 2,5 Prozent durch die Verlagerung von der Schiene auf die Straße“, rechnet der Wissenschaftler. Würde die Auswirkung mit Geld bewertet, wären es Mehrkosten von 100.000 Euro pro Jahr für den Korridor Ruhrgebiet-Mailand. Die Rechnung gelte unter der Annahme, dass die Bahn in ihren Organisations- und Preisstrukturen so bleibt wie sie ist. „Das muss natürlich nicht so sein“, so Doll. Die Bahn könne über längere Züge, auch hier laufe eine Art Feldversuch, oder die Reduktion von Rangiervorgängen besser werden. Der laufende Lang-LKW-Feldversuch indes sei nicht geeignet, eventuelle Verkehrsverlagerungen zu beurteilen. Dazu müsste er bundesweit sein und ein paar 100 LKW fahren. So nah sich die Umwelteffekte von Schienengüterverkehr und Lang-LKW sind, so nah sind sich auch die Befürworter und Gegner des Langen, „zumindest unter Fachleuten“, bilanziert Jochen Quick, Präsident des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Bei ideologisch und angstgeprägten Diskutanten sei dagegen noch viel Arbeit zu leisten. Quick unterstreicht, dass der Lang-LKW alternativlos ist: „In vier Jahren werden es bedeutend mehr Lang-LKW sein und in zehn Jahren wird man sich amüsiert an die Diskussionen zurückerinnern“. ❙❚■ Serge Voigt Moderator Andre Kranke (VerkehrsRundschau) diskutierte auf der IAA Nutzfahrzeuge den Lang-LKW mit Claus Doll (Fraunhofer ISI), Thomas Schwarz (Spedition Schwarz), Jochen Quick (BWVL), Björn Dosch (ADAC), Kirsten Lühmann (SPD), und Martin Friewald (Bundesverkehrsministerium, von links) Der Lang-LKW der Spedition Schwarz fährt Haushaltsgeräte für Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) Verhaltener Start Derzeit haben 15 Unternehmen mit 28 Lang-LKW ihre Teilnahme bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) bekundet. Zulässig sind LKW mit einer Gesamtlänge von bis zu 25,25 Metern und einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 beziehungsweise 44 Tonnen im Kombinierten Verkehr. Die Straßen, die befahren werden dürfen, sind in der Positivliste der ersten Änderungsverordnung zur Ausnahmeverordnung für den Feldversuch Lang-LKW aufgelistet: www.bast.de. sv Feldversuch Lang-LKW

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