Bingen. Die Bahn will im Kampf gegen Zuglärm ihre Güterwaggon-Flotte in den kommenden Jahren großflächig auf leisere Bremsen umrüsten. Voraussetzung sei aber, dass die Europäische Eisenbahnagentur im nächsten Jahr eine neu entwickelte Leichtlaufsohle (LL-Sohle) genehmige, sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Montag in Bingen.
Die Bahn hatte zu einer Hörprobe in die Stadt am Rhein eingeladen. Dabei fuhr ein je zur Hälfte mit leiseren und herkömmlichen Bremssohlen ausgestatteter Güterzug zweimal am Binger Hauptbahnhof vorbei. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betonte bei dem Test, er habe absolutes Verständnis für die Anwohner im Mittelrheintal, die seit Jahren gegen den Bahnlärm demonstrieren. Den Bewohnern, die den Lärm als unerträglich bezeichnen, könne er nur recht geben.
„Eines ist aber auch klar: Wir werden auch weiterhin Güterzüge haben - sogar mehr Güterzüge“, betonte Ramsauer. Für das Rheintal werde an Studien gearbeitet, wo sich Alternativstrecken bauen lassen. Von Dezember an gelte zudem ein lärmabhängiges Trassenpreissystem, das einen Bonus für leisere Züge gewähre.
Skepsis bei Bahnlärm-Gegnern
Bahnlärm-Gegner zeigten sich trotz der Ankündigungen weiter skeptisch und demonstrierten bei der Testfahrt in Bingen. Eine solche Präsentation der Bahn habe es schon vor fünf Jahren gegeben, sagte der Vorsitzende der „Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn“, Willi Pusch. Seitdem sei wenig passiert. Es seien nach wie vor zu wenige Waggons umgerüstet.
Auch der rehinland-pfälzische Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) forderte greifbarere Maßnahmen: „Den Präsentationen von leiseren Zügen müssen endlich Taten folgen und spürbare Veränderungen das Leben im Mittelrheintal leiser machen.“ Die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner forderte eine vom Bund und der Deutschen Bahn AG eingesetzte Projektgruppe, die zusammen mit Bürgerinitiativen und Kommunen berät, was noch gegen den Lärm getan werden könnte. Dieses Konzept habe sich in Baden-Württemberg bewährt. Langfristig müssten Pläne für eine Ausweichstrecke vorangebracht werden, um die Anwohner im Mittelrheintal zu entlasten.
Seit dem Jahr 2001 stattet die Bahn nach eigenen Angaben alle neuen Güterwaggons mit einer sogenannten Flüsterbremse aus Verbundstoffen aus – einer Art Vorläufermodell der LL-Sohle. Zudem begann der Konzern damit, 1250 alte Wagen mit herkömmlichen, lauten Grauguss-Bremssohlen umzurüsten. Bislang muss dabei jedoch das gesamte Bremssystem ausgetauscht werden.
Bei der neuen Verbundstoff-Bremse würde dies wegfallen, die Kosten könnten um bis zu einem Viertel je Waggon verringert werden, teilte ein Bahnsprecher mit. Im Falle der Genehmigung sollen laut Grube in den Jahren 2014 und 2015 weitere rund 10.000 Wagen umgerüstet werden. Im Jahr 2020 soll dann die aus etwa 100.000 Waggons bestehende gesamte Flotte der Bahn leise Bremssohlen haben. (dpa/bw)