Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einer mündlichen Verhandlung mit den insgesamt 14 Klagen von sieben EU-Mitgliedstaaten gegen Bestimmungen aus dem EU-Mobilitätspaket befasst. Die Klagen der EU-Staaten Litauen, Bulgarien, Rumänien, Zypern, Malta, Ungarn und Polen richten sich gegen das Europaparlament und den EU-Rat, die als EU-Gesetzgeber das Mobilitätspaket beschlossen hatten. Mit einem Urteil der EuGH-Richter wird gegen Ende des Jahres gerechnet.
Klagepunkte: Von Kabotage- bis Entsenderegeln
Die prozessierenden Länder hatten ihre Klagen bereits im Oktober 2020, wenige Wochen nach der Verabschiedung des Mobilitätpakets, beim EuGH eingereicht. Als diskriminierend und nicht rechtens bewerten gleich mehrere von ihnen unter anderem die neuen Kabotageregeln, die Verpflichtung der Fahrer, nach spätestens vier Wochen entweder nach Hause oder zu ihrem Stammunternehmen zurückzukehren und die Rückkehrpflicht von im Ausland eingesetzten Lkw nach spätestens acht Wochen in ihr Heimatland.
Auch die Entsenderegeln für Lkw-Fahrer allgemein, das Verbot für Lkw-Fahrer, ihre wöchentlichen Ruhezeiten nicht im Fahrzeug verbringen zu dürfen, die Mindestanforderungen an Niederlassungen im Ausland und die Kontrollmöglichkeiten über den Tachographen werden wiederholt als Klagepunkte genannt.
Forderungen der Länder
Die Kläger fordern die Überarbeitung oder komplette Streichung der von ihnen beanstandeten Vorgaben des Mobilitätpakets. Sollte das nicht erfolgen, wollen einige der klagenden Staaten, dass das gesamte Mobilitätspaket zurückgenommen wird.
Von einer „traurigen Angelegenheit“ sprach eine Anwältin Bulgariens bei der eineinhalbtägigen Anhörung in Luxemburg. Das Mobilitätspaket biete keine fairen Regeln, sondern verschleiere wirtschaftliche Interessen der zentral gelegenen EU-Mitgliedsländer. Die neuen Vorschriften sollten dazu dienen, diese Staaten noch stärker zu machen und die EU-Mitgliedstaaten in Randlage zu schwächen. Die neuen Regeln seien politisch motiviert.
Litauen: Ruhezeitvorgaben Aufgrund der Parkplatzsituation unrealistisch
Ein Anwalt Litauens kritisierte die Vorschriften zu den Ruhezeiten als unrealistisch, weil schon vor vier Jahren laut EU-Kommission 100.000 sichere Lkw-Parkplätze in der EU gefehlt hätten. Spürbar verbessert habe sich die Lage nicht.
Die Vorschriften zur Rückkehrpflicht der Lkw-Fahrer in ihre Heimatländer schränke das grundsätzliche Recht dieser Fahrer auf Ruhezeit ein. „Das Recht sollte ein Recht und keine Pflicht sein“, sagte er.
Gegenargumente aus EU-Parlament und Rat
Anwälte des Europaparlaments und des EU-Rats, unterstützt von Vertretern anderer EU-Staaten wie Schweden, Deutschland, Frankreich und Italien, verteidigten hingegen das Mobilitätspaket und wiesen die Vorwürfe zurück. Der Anwalt des EU-Rats – des EU-Gremiums der Mitgliedsländer – griff den Vorwurf Bulgariens auf, EU-Länder in Randlage bewusst benachteiligen zu wollen.
„Wo sind denn dann die Klagen aus Irland oder Finnland?“, fragte er. Diese beiden Länder befänden sich auch in Rand- oder Insellagen und würden nicht gegen das Mobilitätspaket vor Gericht ziehen. Es gebe kein objektives Kriterium, um den Vorwurf Bulgariens zu stützen.
„Es gibt nur Geschäftsmodelle“, sagte der Rats-Anwalt. Und eins der Geschäftsmodelle sei es, sich auf Niedriglöhne in einigen Teilen der EU zu verlassen. Dieses Problem zu lösen, das habe der EU-Gesetzgeber mit dem Mobilitätspaket versucht.
Nächste Schritte im Prozess
Nach der mündlichen Verhandlung wird jetzt im nächsten Schritt der Generalanwalt des EuGH seine Schlussfolgerungen formulieren. Sie gelten als richtungsweisend für das abschließende Urteil.
Wann der Generalanwalt seine Schlussfolgerungen vorlegen wird, konnte er am Ende der mündlichen Verhandlung noch nicht sagen. In der Regel vergehen zwischen mündlicher Verhandlung und Schlussfolgerungen Monate. Mit dem Urteil ist dann wiederrum erst nach ein paar Monaten, aus heutiger Sicht gegen Ende des Jahres zu rechnen.