Brüssel. Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments unterstützt offenbar eine mögliche Änderung der EU-Richtlinie 2003/59 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr. Diese Änderung könnte dazu führen, dass eine große Zahl von Lkw künftig von Fahrern gefahren wird, die zusätzlich zu ihrem Lkw-Führerschein keine weitere Qualifikation erhalten haben. Das befürchtet zumindest der European Transport Safety Council (ETSC).
Vergangenen Monat stimmte das EU-Parlament demnach über einen Vorschlag der Europäischen Kommission ab, die Regelungen des „Driver Certificate of Professional Competence“ (CPC) zu überarbeiten. Dabei wurde auch ein Änderungsantrag aufgenommen, nach dem Fahrer, die sich lediglich in einem Umkreis von 100 Kilometern bewegen, von den Anforderungen für eine zusätzliche Erst- und Weiterbildung ausgenommen werden sollen.
Der Änderungsantrag besagt laut ETSC, dass die EU-Richtlinie 2003/59 nicht für Fahrer gelten sollte, deren „Haupttätigkeit“ grundsätzlich nicht das Fahren ist. Im engeren Sinne zielt dieser Ausnahmevorschlag vermutlich auf Handwerker, die europaweit auch von den Lenk- und Ruhezeiten-Vorschriften mit einer vergleichbaren 100-Kilometer-Radius-Regelung ausgenommen sind. Im deutschen Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz gibt es analog zur EU-Richtlinie 2003/59 für bestimmte Berufsgruppen bereits Ausnahmen von der Weiterbildungspflicht - allerdings ohne räumliche Einschränkung. Dort steht zum Beispiel, dass die Vorschriften nicht gelten für den Transport mit Kraftfahrzeugen zur Beförderung von Material oder Ausrüstung, das der Fahrer zur Ausübung des Berufs verwendet, sofern es sich beim Führen des Kraftfahrzeugs nicht um die Hauptbeschäftigung handelt.
Fahrer ohne Qualifikation könnten zur Gefahr werden
Der ETSC befürchtet dennoch, dass diese eher vage gehaltene Definition nicht nur eine große Herausforderung für Kontrollbehörden darstellen, sondern auch dazu führen könnte, dass Tausende von Lkw und Bussen von Arbeitnehmern ohne Erfahrung und regelmäßige Qualifizierung zu kommerziellen Zwecken gefahren werden.
Nach den geltenden Vorschriften müssen Berufskraftfahrer ihre Qualifikationen alle fünf Jahre aktualisieren. Die vom Ausschuss vorgeschlagene Ausnahme könnte dazu führen, dass Fahrer am Steuer von Lkw oder Bussen sitzen, auch wenn sie ein solches Fahrzeug jahrelang nicht gefahren sind oder ihre Qualifikationen an neue Technologien, geänderte Straßenvorschriften oder moderne Sicherheitsstandards angepasst haben, fürchtet der ETSC.
Mitgliedstaaten müssen Vorschlag noch zustimmen
„Menschen, die jahrzehntelang keine großen Fahrzeuge gefahren sind, könnten möglicherweise hinter das Steuer eines Reisebusses mit Kindern an Bord steigen oder einen schweren Lastwagen durch die Stadt fahren“, sagt Antonio Avenoso, geschäftsführender Direktor des ETSC. Die Mitgliedstaaten dürften diese „gefährliche Ausnahme“ nicht zulassen und müssten sicherstellen, dass Änderungen an den Regularien zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führen, nicht zu einer Schwächung, so Avenoso weiter.
Ruth Purdie, Generalsekretärin von TISPOL, dem Europäischen Verkehrspolizeinetz, fügt hinzu: „Dies ist ein großer Schritt zurück für die Verkehrssicherheit, und wir fordern die Mitgliedstaaten dringend auf, diese vorgeschlagene Änderung abzulehnen.“
Die endgültige Gesetzgebung unterliegt nun den Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten, dem Parlament und der Europäischen Kommission. Ein endgültiges Abkommen muss zusätzlich vom gesamten Parlament und den Verkehrsministern der 28 EU-Mitgliedstaaten genehmigt werden.
Wind Mario
Torsten Struß
Laubner H.-P.