Brüssel. Deutschland müsse die Binnennachfrage stärken, meint die EU-Kommission. Andernfalls gefährde das Land das ökonomische Gleichgewicht in der Euro-Zone. Nachzulesen ist die Empfehlung in den heute von der Kommission veröffentlichten Schlussfolgerungen aus den vertieften Überprüfungen (In-Depth Reviews – IDR), die sie für die Volkswirtschaften von 17 Mitgliedstaaten durchgeführt hat. Dabei hat die Kommission auch die Fortschritte bei der Korrektur der Haushaltsdefizite in den betreffenden Mitgliedstaaten bewertet. . „Der Handlungsbedarf (...) ist erheblich angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft“, schreibt die EU-Behörde als Ergebnis einer monatelangen Analyse.
Insgesamt sieht die EU-Kommission bei 16 Staaten Anzeichen für wirtschaftliche Ungleichgewichte; bei 14 Ländern hält sie diese für bestätigt. Dazu zählen weitere Schwergewichte des Euroraums wie Frankreich, Italien und Spanien. Brüssel fordert von Frankreich und Italien Strukturreformen und den Abbau der Schulden. Spanien müsse Reformen umsetzen und soziale Themen angehen. „Wir hoffen auf eine entschiedene Antwort der Mitgliedsstaaten“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn.
Im Juni will Brüssel über weitere Schritte - etwa Sanktionen - entscheiden.
Die verstärkte Wirtschaftsüberwachung wurde wegen der Euroschuldenkrise eingeführt. Brüssel will verhindern, dass die Volkswirtschaften im gemeinsamen Währungsgebiet auseinanderdriften.
Vor allem der Süden Europas ist zuletzt zurückgefallen - auch weil Euroländer wie etwa Italien nicht mehr wie früher ihre nationale Währung abwerten können, um ihre Waren im Ausland billiger anzubieten.
Bundesregierung und Wirtschaftsverbände sind anderer Meinung
Im Gegensatz zur EU-Kommission sieht die Bundesregierung in den deutschen Exportüberschüssen kein Problem für die Euro-Zone. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass diese den anderen Euro-Ländern schaden würden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Forderung nach mehr Investitionen komme die Koalition mit ihren Maßnahmen ohnehin nach.
Auch das Wirtschaftsministerium verwies darauf, dass die Koalition staatliche Investitionen und binnenwirtschaftliche Wachstumskräfte stärke. Das Wachstum werde vor allem von der Binnenwirtschaft gestützt. In einem internen Papier räumt das Ministerium ein, dass „exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte“ für die Stabilität der Eurozone schädlich seien. Zugleich wird aber betont: „Vom Erfolg deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten profitieren auch unsere europäischen Handelspartner.“
EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn wies Vorwürfe zurück, er stelle das deutsche Exportmodell infrage. „Niemand möchte Deutschland dafür kritisieren, dass es nach außen hin im Export gut da steht“, sagte Rehn. Er wünsche sich, dass jedes EU-Land bei Produktion und Ausfuhren so stark wie Deutschland sei. Allerdings werde ein großer Anteil des deutschen Einkommens im Ausland investiert - während im Inland private und öffentliche Investitionen niedrig seien: „Deutschland tut gut daran, die Binneninvestitionen und die Binnennachfrage zu stärken.“
Als konkrete Maßnahmen empfahl der EU-Kommissar Berlin, etwa den Dienstleistungssektor für den Wettbewerb zu öffnen, Investitionen im Inland zu unterstützen und Ganztagsschulen und Kindertagesstätten auszubauen, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu verbessern. (dpa/diwi)
Jürgen Auth