Brüssel. EU-Abgeordnete aller Parteien unterstützen die Pläne der EU-Kommission, bis 2030 ein europäisches Kernverkehrsnetz fertig zu stellen. So lautete der Tenor einer Aussprache, die gestern im Verkehrsausschuss des Europaparlaments zwischen Abgeordneten und EU-Verkehrskommissar Siim Kallas stattfand. Über die Gestaltung der zehn vorgesehenen Korridore, die meist aus Eisenbahnlinien bestehen und den Kontinent von Norden nach Süden und Westen nach Osten durchziehen, ließe sich im Detail zwar streiten. Aber die Stoßrichtung sei grundsätzlich zu befürworten, wenn man beim Ausbau des Europäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) die notwendigen neuen Impulse setzen wolle, so die EU-Verkehrspolitiker.
Damit bekommt die EU-Kommission einen Verbündeten für ihr Projekt, das sie im Oktober vorgestellt hatte. Bei den EU-Mitgliedsstaaten, allen voran bei der deutschen Bundesregierung, gibt es dagegen Widerstand. Streitpunkt ist vor allem das Geld, denn die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, vorrangig in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren, die zum Kernverkehrsnetz gehört. Deutschland wehrt sich gegen eine solche Bevormundung. Auf einen gemeinsamen Standpunkt werden sich die EU-Mitgliedsstaaten voraussichtlich im kommenden Juni bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister einigen. Im Europaparlament sind die Abstimmungen im Verkehrsausschuss und dem Plenum für die erste Hälfte 2012 vorgesehen.
Für das kommende Jahr kündigte Kallas außerdem drei bedeutende Gesetzesvorschläge an. Vor der Sommerpause soll ein Paket zu „sauberen Treibstoffen für Verkehrsmittel“ veröffentlicht werden. Gegen Ende 2012 ist ein Gesetzestext für die Trennung von Dienstleister und Infrastrukturbetreiber im Eisenbahnsektor vorgesehen. Außerdem will die Kommission einen Vorschlag für eine europaweit einheitliche Zertifizierung von Lokomotiven und Eisenbahnwagen unterbreiten.
Die hinter dem Zeitplan zurückliegende Entwicklung der neun Funktionalen Luftraumblöcke (FAB), die Ende 2012 funktionstüchtig und eine Vorstufe für den Einheitlichen Europäischen Luftraum sein sollen, werde die EU-Kommission aufmerksam verfolgen. Sollten die Verzögerungen andauern, droht Kallas mit Maßnahmen gegen die betroffenen Mitgliedsstaaten. Deutschland, das sich vor allem mit Frankreich nicht auf eine gemeinsame Organisation der Luftraumverwaltung einigen kann, wäre davon eventuell betroffen. (kw)
Politiker